Das Gebet zum Herrn Jesus und die Anbetung Christi

Als Kinder Gottes beten wir normalerweise zu Gott, dem Vater, im Namen des Herrn Jesus Christus (Gal 4,6; Joh 14,13). Wir dürfen jedoch auch zum Herrn Jesus beten und auch Ihm unsere Anbetung bringen. Das Neue Testament zeigt uns, dass nicht nur zu Gott, dem Vater, gebetet wurde, sondern auch zum Herrn Jesus Christus. Wir finden dies in den Evangelien, in der Apostelgeschichte und in den Briefen.

Unser Gebet kann sich also an den Vater oder an den Sohn als Herrn richten. Doch wir finden keine Anweisungen und keine Anhaltspunkte in der Heiligen Schrift für ein Beten zum Heiligen Geist. Er ist es, der uns göttliches Licht schenkt. Er verherrlicht den Sohn, wie einst der Sohn als Mensch hier den Vater offenbart und verherrlicht hat (Joh 16,13.14; 1,18).

Das Gebet zum Herrn Jesus in den Evangelien

Während seines Lebens auf dieser Erde redeten seine Jünger mit Ihm, riefen Ihn an und brachten Ihm ihre Bitten vor. Alle vier Evangelien sind voll schöner Beispiele der Zwölf oder anderer, die den Herrn Jesus anriefen. Dabei ist zu bemerken, dass Er nie direkt mit «Jesus» angeredet wurde. Er wurde Herr, Meister oder Rabbi genannt.

  1. «Als er in das Schiff gestiegen war, folgten ihm seine Jünger. Und siehe, ein grosses Unwetter erhob sich auf dem See, so dass das Schiff von den Wellen bedeckt wurde; er aber schlief. Und die Jünger traten hinzu, weckten ihn auf und sprachen: Herr, rette uns, wir kommen um!» (Mt 8,23-25). Sie anerkannten, dass Er in der Lage war, sie von der Gefahr zu befreien. Wie treffend lautet dazu die Stelle aus dem Alten Testament: «Jeder, der den Namen des HERRN anrufen wird, wird errettet werden» (Joel 3,5). Das war wirklich ein Gebet um Errettung. Der Herr Jesus hörte und beantwortete ihr Gebet. Er ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit (Heb 13,8). Er kann uns heute befreien und erretten, wenn wir Ihn anrufen.
  2. Sünden wurden dem Herrn Jesus Christus bekannt. Das bezeugt nicht nur seine Gottheit, es beweist auch die Tatsache, dass Christus angeredet worden ist. Am Anfang des öffentlichen Dienstes des Herrn sah sich Petrus im Licht Gottes und anerkannte seine eigene Sündhaftigkeit. Er fiel Jesus zu Füssen und sagte: «Geh von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr» (Lk 5,8).
  3. Auf dem Berg der Verklärung, als der Herr in Gegenwart von drei ausgewählten Jüngern und zwei alt­tes­ta­ment­li­chen Gläubigen (Mose und Elia) umgestaltet wurde, sagte Petrus zu Jesus: «Herr, es ist gut, dass wir hier sind» (Mt 17,4). Der Name «Herr» bedeutet Meister. Diesen Jüngern war klar, dass der Herr Jesus mehr als ein gewöhnlicher Mensch war. Sie schauten auf Ihn als den Messias (den Christus oder den Gesalbten Gottes), der sich damals vor ihren Augen in seiner Herrlichkeit zeigte. Wenn wir uns der Gegenwart des Herrn bewusst sind, dürfen auch wir unsere Dankbarkeit für ein solches Vorrecht mit den Worten ausdrücken: «Herr, es ist gut, dass wir hier sein dürfen.»
  4. Bei einer ganz anderen Gelegenheit sehen wir einen, der mit Jesus gekreuzigt war. Wir wissen nicht viel über diesen Mann ausser der Tatsache, dass er ein Krimineller war, ein Räuber. Nachdem er und der andere mit ihm gekreuzigte Räuber den Herrn Jesus geschmäht hatten, kam er zur Besinnung. Er bat Jesus: «Gedenke meiner, Herr, wenn du in deinem Reich kommst!» Die Antwort des Heilands ist erhaben: «Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein» (Lk 23,42.43). Wieder sehen wir die Erfüllung der Verheissung, dass jeder, der den Namen des Herrn anrufen wird, errettet werden wird. Welch eine Ermutigung ist dies, dass sogar auf dem Sterbebett ein im Glauben gesprochenes Gebet erhört und beantwortet wird.

Aus diesen wenigen Stellen sehen wir, dass in den Evangelien Bitten an den Herrn Jesus gerichtet worden sind. Er war Gott «offenbart im Fleisch», obwohl Er in Niedrigkeit hier auf der Erde lebte. Wir sehen auch, dass Er diese Bitten nicht nur hörte, sondern auch erhörte.

Das Gebet zum Herrn Jesus in der Apostelgeschichte

Nachdem der Herr Jesus in den Himmel aufgefahren war und den Platz zur Rechten des Vaters eingenommen hatte, sandte Er den Heiligen Geist, die Verheissung des Vaters, auf diese Erde (Apg 2). Die Apostelgeschichte wird als das Buch der Taten des Heiligen Geistes beschrieben. Durch das ganze Buch hindurch sieht man, wie diese göttliche Person handelt, spricht und führt. Trotzdem gibt es kein einziges Beispiel dafür, dass Jünger zu Ihm gebetet hätten, obwohl Er eine göttliche Person ist.

Anderseits gibt es eine Reihe von Beispielen, in denen wir diese frühen Christen zum auferstandenen und erhöhten Herrn beten sehen. Jemand hat den Namen «Herr Jesus» als seinen Versammlungsnamen bezeichnet. In der Apostel­geschichte wird uns tatsächlich die Wechselwirkung zwischen dem Leib des Christus auf der Erde und seinem Haupt im Himmel vorgestellt. In diesem Buch wird Er vor allem als Herr Jesus oder Herr angeredet, nicht als Christus Jesus oder Jesus Christus.

  1. Stephanus, einer der gewählten Diener der Versammlung in Jerusalem, wurde verfolgt und verhaftet. Nach einer kühnen Verteidigungsrede vor dem Synedrium wurde er zu Tode gesteinigt: der erste Märtyrer des Glaubens (Apg 7,58-60). Während seiner Steinigung betete er: «Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!» Der Herr war nun im Himmel. Stephanus hatte dies vorher vor dem Synedrium bezeugt: «Siehe, ich sehe die Himmel geöffnet und den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen!» (Apg7,56). Und kurz bevor er starb, kniete er nieder und rief mit lauter Stimme: «Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu!» Er handelte nach der Belehrung seines Herrn: «Betet für die, die euch verfolgen» (Mt 5,44) Seit den Tagen der Jünger in der Apostelgeschichte hat sich in dieser Hinsicht nichts geändert. In Augenblicken von Gefahr oder dringender Notwendigkeit ruft der gläubige Christ aus: «Herr Jesus!»
  2. Als der auferstandene Christus dem Christenverfolger Saulus (dem späteren Apostel Paulus) zurief: «Saul, Saul, was verfolgst du mich?», antwortete dieser mit den deutlichen Worten eines Gebets zu dem erhöhten Christus. Er sagte: «Wer bist du, Herr?», und «Was soll ich tun, Herr?» (Apg 22,8.10). Er bat darum, den Willen Gottes zu erkennen. Er unterwarf sich und lag auf seinem Angesicht vor dem souveränen Herrn. Seine Reaktion gleicht nicht der von Petrus, der im Blick auf Johannes fragte: «Herr, was wird aber mit diesem?» (Joh 21,21). Er ist nicht mit dem Willen Gottes für andere, sondern für sich selbst beschäftigt. Er ist ein Beter, und sein Gebet richtet sich an den Herrn Jesus Christus.

Das Gebet zum Herrn Jesus in den Briefen

  1. Das Heil, insbesondere die Rechtfertigung allein aus Glauben, ist das grosse Thema des Briefs an die Römer. Nachdem der Apostel Paulus den völligen Ruin des Menschen durch die Sünde und das Heilmittel für die Sünde im Evangelium vorgestellt hat, macht er die Notwendigkeit klar, Jesus als Herrn zu bekennen. Er stützt sich dabei auf den alttestamentlichen Vers aus Joel 3,5: «Denn jeder, der irgend den Namen des Herrn anruft, wird errettet werden» (Röm 10,13). Da der Herr Jesus im Neuen Testament klar als der HERR des Alten Testaments vorgestellt wird, besteht keine Schwierigkeit darin, sowohl direkt zu Ihm als auch zum Vater zu beten. Wenn wir zum Herrn beten, zeigen wir damit, dass sein Anspruch auf seine Göttlichkeit für uns verbindlich ist.
  2. Paulus hatte ein körperliches Leiden, das ihm in seinem Dienst für den Herrn Mühe machte. Er nennt es «einen Dorn für das Fleisch», «einen Engel Satans» (2. Kor 12,7). Er bat um Befreiung davon, wie viele vor ihm um göttliches Eingreifen und Befreien gebetet haben. Manche haben die Befreiung durch den Herrn erfahren. Paulus’ Bitte aber wurde abgewiesen, obwohl er für dieses dreimal zum Herrn flehte. Er betete nicht zu Gott, dem Vater, sondern zum Herrn Jesus Christus. Er schreibt von seinen Erfahrungen in 2. Korinther 12,8.9: «Für dieses flehte ich dreimal zum Herrn, damit er von mir abstehen möge. Und er hat zu mir gesagt: Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht.»
  3. Im ersten Korinther-Brief, wo das Wort «Herr» auffallend oft vorkommt, sagt Paulus, dass die Versammlung Gottes aus solchen bestehe, die direkt zum Herrn Jesus beten. Die Einleitung dieses Briefes lautet: «Der Versammlung Gottes, die in Korinth ist, den Geheiligten in Christus Jesus, den berufenen Heiligen, samt allen, die an jedem Ort den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen, ihres und unseres Herrn.»
    Der Brief ist an die Versammlung Gottes, nicht an einzelne Christen gerichtet und umfasst die ganze Körperschaft der Gläubigen. An anderer Stelle spricht er von den Hausgenossen des Glaubens (Gal 6,10). Das Thema des ersten Korinther-Briefs ist die Ordnung in der Versammlung. Paulus schreibt an solche, die nicht in allem mit ihm einverstanden sind (1. Kor 11,16). Doch ein Kennzeichen der Versammlung Gottes ist, dass ihre Glieder den Namen des Herrn Jesus Christus anrufen. Das bedeutet nicht einfach, dass sie im Namen des Herrn Jesus zu Gott beten, sondern dass sie Ihn auch direkt im Gebet ansprechen.
  4. Im zweiten Timotheus-Brief beschreibt Paulus die Zeiten des Abweichens von der Wahrheit und des Niedergangs. Doch er sagt, dass noch solche da sein werden, die den Namen des Herrn anrufen. Er ermuntert Timotheus: «Die jugendlichen Begierden aber fliehe, strebe aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen», (2. Tim 2,22).
    In Tagen, da die Wahrheit über das Haus Gottes, das die Versammlung des lebendigen Gottes ist (1. Tim 3,15), in dem grossen Haus (der Christenheit) kaum mehr gesehen wird (2. Tim 2,20), gibt es immer noch solche, die den Wunsch haben, den Herrn aus reinem Herzen anzurufen. Gehören wir zu ihnen?
  5. In der Offenbarung richtet sich das allerletzte Gebet in der Bibel an den Sohn Gottes: «Amen; komm, Herr Jesus!» (Off 22,20). Wie kostbar ist es, wenn die, die Ihn kennen, Ihn so anrufen und sein Kommen herbeisehnen, um dann für immer in seiner Gegenwart zu weilen. Sie möchten bei Dem sein, dem ihre Herzenszuneigungen gehören.