Der Herr Jesus – unser Hoherpriester
In Vers 8 beginnt der zweite Hauptabschnitt dieses Kapitels. Das Bild ändert sich nun vollständig. Während Josua in den ersten sieben Versen ein Bild von uns ist, sehen wir in ihm nun ein Bild des Herrn Jesus. Nur wenn wir diesen Wechsel in der Darstellung erkennen, können wir den Rest des Kapitels verstehen.
«Höre doch, Josua, du Hoherpriester.» Das ist der Herr Jesus als unser Hoherpriester. Unsere Gedanken gehen jetzt zum Hebräer-Brief. Der Schreiber dieses Briefes macht uns klar, dass der Herr Jesus, nachdem Er hier gelebt und am Kreuz von Golgatha das Werk vollbracht hat, als der Auferstandene das Ziel erreicht hat. Für die vor Ihm liegende Freude hat Er das Kreuz erduldet. Er ist in den Himmel, d.h. in die Gegenwart Gottes, eingegangen. Viermal wird im Hebräer-Brief davon gesprochen, dass Er sich zur Rechten Gottes gesetzt hat (Heb 1,3; 8,1; 10,12; 12,2). Aber Er hat uns, die wir noch auf der Erde sind, nicht vergessen. Das ist das wunderbare Thema dieses Briefes. Der im Himmel verherrlichte Herr ist der grosse Hirte seiner Schafe. Er ist der Hohepriester, der im Himmel um die Seinen bemüht ist.
Er sorgt dafür, dass wir in dieser Welt, die für uns einen Wüstencharakter hat, nicht verzagen und mutlos werden. Solange wir noch auf der Erde leben, gibt es Schwierigkeiten und Mühen. Der Herr hat uns keinen einfachen Weg versprochen. Es gibt im Gegenteil oft schwere Wege. Viele Männer und Frauen Gottes haben solches erfahren. Aber dabei dürfen wir wissen, dass wir einen Hohenpriester im Himmel haben, der uns nicht vergisst. Er bemüht sich um uns, damit wir auch in notvollen Lebensumständen den Mut nicht verlieren.
Die Bibel gibt uns Beispiele von Männern und Frauen, die solche Situationen durchlebt haben. Wir denken z.B. an Hiob. Als die Not kam, stand er noch gut da. Er sagte: «Der HERR hat gegeben, der HERR hat genommen, der Name des HERRN sei gepriesen!» (Hiob 1,21). Aber als dann die Prüfung anhielt, änderte sich die Situation. In seiner Krankheit kamen drei Freunde, und als sie sahen, wie schlimm es um ihn stand, sassen sie sieben Tage mit ihm zusammen und sprachen kein Wort. So geht es auch uns oft. Wir besuchen Geschwister, die durch grosse Übungen gehen, und wir wissen nicht, was wir sagen sollen. Nach sieben Tagen schliesslich begann Hiob zu sprechen, und er verfluchte den Tag seiner Geburt. Darin kommt seine ganze Verzweiflung zum Ausdruck. Doch Gott hatte ihn nicht vergessen. – Jeremia, der empfindsame und geplagte Prophet, war eines Tages so verzweifelt, dass er den Mann verfluchte, der seinem Vater berichtet hatte, dass ein männliches Kind geboren war (Jer 20,15). Auch er war von Gott nicht vergessen. Der Apostel Paulus schliesslich schreibt im ersten Korinther-Brief, dass wir nicht über Vermögen versucht werden (1. Kor 10,13). Im zweiten Brief aber lesen wir dann, dass er in Ephesus das Empfinden hatte, über Vermögen versucht worden zu sein, und gebrauchte die starken Worte: «So dass wir sogar am Leben verzweifelten» (2. Kor 1,8). Doch auch ihm hat der Herr immer wieder geholfen. Uns wird es nicht anders ergehen.
Die Gefährten des Hohenpriesters
Josua wird nicht allein gesehen, sondern er hat Gefährten. «Du und deine Gefährten, die vor dir sitzen.» Der Herr Jesus, unser Hoherpriester im Himmel, hat hier auf der Erde Gefährten, die bei Ihm sind. Das lässt unsere Herzen höher schlagen. Wir denken an jene, die Sonntag für Sonntag zum Namen des Herrn Jesus zusammenkommen, um vor Ihm zu sitzen und seine Stimme zu hören. Wir lieben diesen Platz bei Ihm. Und Er nennt uns seine Gefährten. Er hat uns auf seine Höhe gehoben. In Hebräer 2,1 sagt der Schreiber, dass der Herr sich nicht schämt, uns seine Brüder zu nennen. Das ist eine besondere Ehre. Natürlich ist und bleibt Er unser Herr. So reden wir Ihn auch an, aber Er nennt uns seine Gefährten, die vor Ihm sitzen.
Er sagt weiter: «Männer des Wunders sind sie.» Wenn jemand zum lebendigen Glauben an Christus kommt, dann ist das in der Tat ein grosses Wunder. Und wenn ein Erlöster des Herrn dann den Platz zu seinen Füssen kennt, wo wir zu seinem Namen hin versammelt sind, dann ist das ein zweites Wunder. Doch der Ausdruck «Männer des Wunders» lässt unsere Gedanken noch in eine andere Richtung gehen. In der Fussnote lesen wir, dass es auch «Männer des Wahrzeichens» sind. Das spricht davon, dass Erlöste, die sich zum Namen des Herrn Jesus versammeln, ein besonderes Zeugnis von der Versammlung Gottes bilden. Wir erkennen unschwer, wie wichtig und wie aktuell diese Gedanken sind. Der Herr legt jedem von uns diese Verantwortung auf, gemeinsam ein solches «Wahrzeichen» zu sein. Das Neue Testament nennt gerade die Versammlung Gottes «Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit» (1. Tim 3,15). Menschen dürfen in uns gemeinsam etwas von den Gedanken und Absichten Gottes erkennen.
Beschäftigt mit dem Herrn
Was beschäftigt nun diese Männer und Frauen des Wunders, wenn sie vor dem Herrn Jesus sitzen? Sie haben nur einen Gegenstand, ein Thema: seine Person. Jetzt wird von Ihm unter verschiedenen Gesichtspunkten gesprochen.
- Er ist der Knecht Gottes: «Denn siehe, ich will meinen Knecht … kommen lassen.» Dieses Thema finden wir sowohl im Alten wie im Neuen Testament. Er ist der wahre Diener Gottes, der Ihm hier auf der Erde in Treue und Hingabe gedient hat. Er war nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern «um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele» (Mk 10,45). Er ist der hebräische Knecht, der nicht frei ausgehen wollte, sondern seinen Herrn, seine Frau und seine Kinder liebte (2. Mo 21,5). Er ist der von Gott erwählte Knecht, von dem Jesaja mehrfach spricht.
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass der Herr Jesus nie «Sklave Gottes» genannt wird. Wenn Er uns als Knecht vorgestellt wird, dann immer im Charakter des Dieners. Wir sehen Ihn, der aus Liebe zu Gott gehorsam war und seinen Dienst erfüllte. Das Hauptmerkmal eines Dieners oder Knechtes ist, dass er seinen Dienst erfüllt – unbeeinflusst von Beifall oder Widerstand der Menschen. - Dieser Knecht ist zugleich der Spross des HERRN: «Siehe, ich will meinen Knecht, Spross genannt, kommen lassen.» Dieser Titel, den wir auch bei Jesaja und Jeremia finden, zeigt uns die vollkommene Menschheit des Herrn Jesus. Jesaja spricht in diesem Zusammenhang von der wahren Frucht der Erde: «An jenem Tag wird der Spross des HERRN zur Zierde und zur Herrlichkeit sein und die Frucht der Erde zum Stolz und zum Schmuck für die Entronnenen Israels» (Jes 4,2). Unser Herr hat als Mensch auf der Erde zur Ehre Gottes gelebt. Gott hatte von Anfang an klare Vorstellungen darüber, wie ein Mensch hier leben sollte. Keiner hat ihnen entsprochen, bis Christus kam. Er hat in seinem vollkommenen Leben gezeigt, wie ein Mensch zur Ehre Gottes lebt. In Ihm wurde echte Frucht für Gott gefunden – und das unter widrigsten Umständen. Er war auch der «Wurzelspross aus dürrem Erdreich» (Jes 53,2). Anders als Adam und Eva fand Er keine «paradiesischen Zustände» auf der Erde, sondern ganz im Gegenteil, sie glichen einem verdorrten Erdreich. Doch gerade da hat Er als Mensch Frucht für Gott gebracht und Ihn geehrt.
- Weiter ist von Ihm als dem Stein die Rede: «Denn siehe, der Stein, den ich vor Josua gelegt habe.» Im Neuen Testament finden wir den Gedanken des Steins in Verbindung mit der Versammlung als dem Haus Gottes unter zwei Gesichtspunkten wieder:
- Erstens ist der Herr Jesus das Fundament und die Grundlage der Versammlung. Er selbst sagte: «Auf diesen Felsen werde ich meine Versammlung bauen» (Mt 16,18). Paulus schrieb: «Denn einen anderen Grund kann niemand legen, ausser dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus» (1. Kor 3,11). Das ist das ewig sichere Fundament der Versammlung Gottes, die nichts und niemand zerstören kann.
- Zweitens ist Er auch der Eckstein. Davon spricht Petrus: «Zu welchem kommend, als zu einem lebendigen Stein, von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt, kostbar …, denn es ist in der Schrift enthalten: Siehe, ich lege in Zion einen Eckstein, einen auserwählten, kostbaren … Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden» (1. Pet 2,4-7).
Auch Paulus erwähnt Jesus Christus als Eckstein der Versammlung (Eph 2,20). Als Eckstein ist Er der Massstab, nach dem sich alles ausrichtet. An einem Eckstein wird alles gemessen. Alle Fragen, die in Verbindung mit seinem Haus aufkommen, finden ihre Antwort in der Person unseres Herrn.
Dann wird darauf hingewiesen, dass dieser Stein sieben Augen hat. Das zeigt eine Seite des Herrn Jesus, mit der wir uns vielleicht weniger gern beschäftigen, weil sie sehr ernst ist. Und doch ist es wichtig, Ihn auch so zu sehen, wie Er uns z.B. in Offenbarung 1 – 3 vorgestellt wird, wo wir Ihn als Den finden, der Augen wie eine Feuerflamme hat. Wir sprechen gern von Ihm als dem guten Hirten – und das ist Er auch. Er ist der Hirte, der seine Schafe liebt und sie trägt; aber Er ist gleichzeitig Der, dessen Augen wie eine Feuerflamme sind. Er sieht alles in seinem Haus. Er prüft den Zustand der einzelnen Gläubigen, Er prüft aber auch den Zustand jeder örtlichen Versammlung. Seinen Augen entgeht nichts. Er sieht bis in die tiefsten Kammern unserer Herzen und nimmt auch die Motive wahr.
Zweimal lesen wir im Alten Testament davon, dass die Augen des Herrn die ganze Erde durchlaufen. In 2. Chronika 16,9 steht es in Verbindung damit, dass unsere Herzen ungeteilt auf Ihn gerichtet sind. In Sacharja 4,10 wird das Senkblei erwähnt, das in seiner Hand ist. Er beurteilt, ob sich in unserem persönlichen und gemeinsamen Leben alles nach seinem Massstab orientiert, oder ob wir unsere eigenen Gedanken durchsetzen wollen.
«Siehe, ich will seine Eingrabung eingraben, spricht der HERR der Heerscharen, und will die Ungerechtigkeit dieses Landes an einem Tag wegnehmen.» Diese Eingrabungen lassen uns an Golgatha denken. Der Herr Jesus hing am Kreuz, um unsere Ungerechtigkeiten wegzunehmen. Dort hat Gott seine Eingrabungen eingegraben. In seinem ganzen Leben auf dieser Erde wohnte die Fülle der Gottheit leibhaftig in Ihm. Er hat in all seinem Tun und Reden auf dieser Erde völlig dargestellt, wer Gott ist. Aber erst auf Golgatha wurde das ganze Mass der Herrlichkeit Gottes offenbart. Davon spricht der Herr Jesus zu seinen Jüngern: «Jetzt ist der Sohn des Menschen verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in ihm» (Joh 13,31). Im Opfer des Herrn am Kreuz wurde das ganze Mass der Heiligkeit und der Liebe Gottes völlig dargestellt. Daran lassen uns die Eingrabungen denken, und sie werden in alle Ewigkeit bestehen bleiben. Immer werden wir die Herrlichkeit Gottes im Angesicht Christi sehen (2. Kor 4,6).
Ein gesegnetes Ergebnis
Es bleibt nicht ohne Folgen, wenn jene, die der Herr seine Gefährten nennt, vor Ihm sitzen, um sich mit Ihm und seinem Werk zu beschäftigen. Auch bei uns wird das so sein. Wenn wir unsere christliche Stellung, die uns durch Gnade geschenkt worden ist, ein wenig erfasst haben; wenn wir versuchen, unserer Verantwortung, die daraus hervorgeht, zu entsprechen, und wenn wir schliesslich zu seinem Namen zusammenkommen, Er der Mittelpunkt ist und sich alles um Ihn dreht, dann wird das Folgen haben:
«An jenem Tag, spricht der HERR der Heerscharen, werdet ihr einer den anderen einladen unter den Weinstock und unter den Feigenbaum.» Drei Dinge fallen uns auf:
- Als Erstes lesen wir, dass einer den anderen einlädt. Das spricht in der Anwendung auf uns von praktizierter Bruderliebe. Einer kümmert sich um den anderen, lädt ihn ein, um Gemeinschaft mit ihm zu haben. Der Segen, den Gott uns geben möchte, ist nicht nur etwas Persönliches, sondern wir dürfen ihn auch gemeinschaftlich mit unseren Brüdern und Schwestern teilen.
- Zweitens – und davon spricht der Weinstock – wird geistliche Freude in unseren Herzen sein, die wir ebenfalls zusammen geniessen dürfen. Ein solches Leben führt nicht immer über «sonnige Höhen», aber es wird doch von dieser tiefen gemeinsamen Freude im Herrn Jesus gekennzeichnet sein.
- Als Drittes wird der Feigenbaum genannt. Er spricht bildlich vom Frieden, den wir als Brüder und Schwestern untereinander haben dürfen. Wenn wir das vor Augen haben, was der Herr uns geschenkt hat, dann werden wir nicht einfach nebeneinander leben oder gar gegeneinander arbeiten, sondern dann wird es ein glückliches und brüderliches «Miteinander» geben.
Das ist das glückliche Ergebnis, wenn wir unsere christliche Stellung verstehen, ihr praktisch entsprechen möchten und uns dann in unseren Herzen mit Ihm, unserem Heiland und Herrn, in all seinen Herrlichkeiten und Schönheiten beschäftigen.
Anmerkung: Sie können den vollständigen Vortrag als Audiodatei bei www.audioteaching.org herunterladen.