Josua, der Hohepriester (1)

Sacharja 3

Einleitung

Wir finden in diesem bemerkenswerten Kapitel des Propheten Sacharja wichtige prophetische Gedanken, die sich auf eine noch zukünftige Zeit beziehen. Zugleich dient dieses Kapitel zur Unterweisung derer, die in der Zeit der Gnade leben, denn alles, was im Alten Testament geschrieben wurde, ist zu unserer Belehrung geschrieben.

In der praktischen Anwendung auf uns teilen wir das Kapitel in zwei Hauptabschnitte ein: Die Verse 1-7 zeigen uns, wie ein Mensch als Priester vor Gott stehen kann, während uns die Vers 8-10 vorstellen, womit sich ein Priester vor Gott beschäftigt.

Auch der erste Hauptabschnitt lässt sich in zwei Teile aufteilen. Die Verse 1-5 beschäftigen sich mit unserer Stellung als Priester vor Gott – eine Stellung, die wir aus Gnaden bekommen haben. Die Verse 6 und 7 zeigen uns dann die aus unserer Stellung hervorgehende Verantwortung. Das ist die im christlichen Heilszeitalter von Gott gegebene Reihenfolge. Christ zu sein bedeutet, dass Gott uns aus der Fülle seiner Gnade gibt und dass wir dann, in dieser Gnade ruhend, unserer Verantwortung entsprechend handeln dürfen. Christen tun etwas, weil sie etwas bekommen haben. Bei den Religionen der Menschen ist es gerade umgekehrt. Dort muss man etwas tun, um etwas zu erlangen.

Vier Personen

Die ersten zwei Verse stellen uns insgesamt vier Personen vor. Zuerst wird Josua erwähnt, der in der Zeit der Rückkehr des Überrests der Juden aus Babel Hoherpriester war. In ihm sehen wir ein treffendes Bild von uns allen. Er trug schmutzige Kleider, die an unseren natürlichen Zustand vor Gott erinnern.

Josua steht vor dem Engel des HERRN. An vielen Stellen im Alten Testament weist der Engel des HERRN auf den Herrn Jesus hin. Es ist wunderbar, wenn ein Mensch vor Ihm stehen darf. Wir alle, ob älter oder jünger, haben unsere Stellung vor Gott nicht in uns selbst, sondern im Herrn Jesus. Wir sind «angenehm gemacht in dem Geliebten» (Eph 1,6 Fussnote).

Dann erscheint Satan, um Josua zu widerstehen. Satan ist der Widersacher Gottes und der Verkläger der Brüder. In Römer 8,33 stellt Paulus die Frage: «Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben?» Es gibt einen, der dies versucht: Satan, der Verkläger der Brüder. Wie geht er vor? Er will uns Angst machen, indem er uns die Heiligkeit Gottes vorstellt, ohne gleichzeitig die Gnade zu erwähnen. Es stimmt, dass Gott heilig ist und Sünde nicht sehen kann, aber dieser Gott ist gleichzeitig der Gott der Gnade, der einen Weg gefunden hat, Sünder zu begnadigen und zu rechtfertigen.

Schliesslich ist die Rede vom HERRN selbst. Er sagt: «Der HERR schelte dich, Satan! Ja, es schelte dich der HERR.» Es ist Gott selbst, der hier redet, und Er tritt als höchste richterliche Instanz vor uns. Wir finden diesen Charakterzug Gottes an verschiedenen Stellen in der Bibel. Der schon zitierte Vers aus Römer 8,33 fährt in der Aussage fort: «Gott ist es, der rechtfertigt; wer ist es, der verdamme?» In Hebräer 12,23 ist in Verbindung mit dem himmlischen Jerusalem die Rede von «Gott, dem Richter aller», d.h. Er ist die allerletzte Instanz. Es ist wichtig, dass wir Gott so kennen. Er und niemand anders trifft die letzte Entscheidung. Er ist es auch, der das Wort ergreift, wenn der Widersacher uns anklagt. Es ist bemerkenswert, dass Josua selbst zur Anklage des Teufels kein einziges Wort spricht. Was könnte er auch sagen? Der Verkläger der Brüder bringt ja Tatsachen vor. Josua kann nichts sagen, aber Gott beginnt zu sprechen.

Der natürliche Zustand Josuas

Gott verurteilt nicht Josua, sondern Satan. «Der HERR schelte dich, Satan! Ja, der HERR, der Jerusalem erwählt hat, schelte dich! Ist dieser nicht ein Brandscheit, das aus dem Feuer gerettet ist?» Als der höchste Richter blickt Gott nach Golgatha. Nur aufgrund des dort vollbrachten Werkes des Herrn Jesus am Kreuz kann Er so reden. Josua glich einem aus dem Feuer geretteten Brandscheit. Das ist prophetisch ein Bild auf den jüdischen Überrest, der durch das Feuer der Drangsal geht und dann von Gott gerettet wird.

Aber so war es auch mit uns. Auch wir glichen vor unserer Bekehrung einem solchen Brandscheit. Zwar waren wir noch nicht im Feuer, aber doch auf dem Weg dorthin. Von Natur aus befindet sich jeder Mensch auf dem Weg ins ewige Verderben. Aber alle, die Zuflucht zum Herrn Jesus genommen haben und jetzt vor Ihm stehen, brauchen keine Angst mehr vor diesem Verderben zu haben. Wir sind Gerettete. Der Herr selbst bezeugt es uns: «Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod in das Leben übergegangen» (Joh 5,24).

«Und Josua war bekleidet mit schmutzigen Kleidern und stand vor dem Engel.» Hier wird uns eine andere Seite unseres natürlichen Zustands gezeigt. Wir waren nicht nur auf dem Weg in das ewige Verderben, sondern wir trugen auch schmutzige Kleider, d.h. wir waren bedeckt mit Ungerechtigkeiten und Sünden. Das war alles, was wir aufzuweisen hatten. Der Prophet Jesaja sagt, dass sogar «unsere Gerechtigkeiten wie ein unflätiges Kleid» waren (Jes 64,5). Selbst das, was nach aussen vielleicht gut aussieht, ist für Gott nicht zu gebrauchen. Durch unsere Ungerechtigkeiten und Sünden haben wir Gott verunehrt. An diese Seite denken wir vielleicht selten, aber all unsere Sünden, unsere bösen Worte, unsere schlechten Taten, unsere verkehrten Wege, haben den Namen Gottes auf dieser Erde verunehrt. Das zeigen uns die schmutzigen Kleider Josuas.

Die Gnade Gottes

Die Tatsache, dass Josua diese schmutzigen Kleider trug, stimmt uns traurig. Demgegenüber macht uns aber der Gedanke glücklich, dass er mit diesen Kleidern vor dem Engel steht. Das erinnert uns daran, dass wir vor Dem stehen, der einst am Kreuz auf Golgatha durch sein Opfer Sühnung getan hat für unsere Sünden. Die Ehre Gottes, die wir in den Schmutz gezogen hatten, wurde durch das Werk unseres Herrn am Kreuz wiederhergestellt. Das Sühnungsblut unseres Heilands ist jetzt vor den Augen Gottes. Wir stehen vor unserem Herrn. Das ist göttliche Gnade, für die wir nie genug danken können.

«Und der Engel hob an und sprach zu denen, die vor ihm standen: Zieht ihm die schmutzigen Kleider aus.» Auf der Grundlage des Werkes des Herrn Jesus ist Gott verherrlicht worden. Die ganze Verunehrung Gottes durch unsere Sünden ist weggenommen worden. Er hat für unsere Sünden Sühnung getan. Das ist die eine Seite.

Jetzt kommt eine weitere Seite vor uns, nämlich, dass unsere Sünden uns vollständig verunreinigt und beschmutzt haben. Wir hatten also auch Reinigung nötig. Deshalb hört Josua jetzt die Worte: «Siehe, ich habe deine Ungerechtigkeit (Schuld) von dir weggenommen, und ich kleide dich in Feierkleider.» Auf der Grundlage des Kreuzes Christi sind in seinem Tod unsere Sünden für immer völlig verschwunden. Gott denkt nie mehr daran (Heb 8,12; 10,17). Wir haben die Vergebung der Vergehungen, «nach dem Reichtum seiner Gnade» (Eph 1,7). Der Lehre nach wird uns dieser Gedanke im Römerbrief vorgestellt. Paulus zeigt uns dort, auf welche Art und Weise Gott unser Sündenproblem seiner Heiligkeit entsprechend lösen konnte. Wir sehen, dass das Werk des Herrn auf Golgatha, sein Tod am Kreuz und sein vergossenes Blut nötig waren, damit uns die schmutzigen Kleider ausgezogen werden konnten. Alles, was zwischen uns und einem heiligen Gott stand, ist jetzt durch das Werk Christi weggenommen worden. Auf dieser Grundlage stehen wir als gerechtfertigte Menschen in einer völlig neuen Stellung vor Gott. Davon reden die Feierkleider.

Es ist eine Sache, sich mit dem zu beschäftigen, was uns einst von Gott trennte und was durch den Tod des Herrn weggenommen worden ist. Es ist eine andere Sache, das zu sehen, was wir jetzt durch die Gnade Gottes geworden sind und was unser Besitz in Ihm ist. Gott hat uns nicht nur die Sünden vergeben, sondern wir stehen als seine Kinder heilig und untadelig vor Ihm. Wir sind zur Sohnschaft zuvor bestimmt, wir sind Erben Gottes und Miterben des Herrn Jesus. Das ist es, was uns der Lehre nach im Epheserbrief vorgestellt wird, und es steht in Verbindung mit «der Herrlichkeit seiner Gnade» (Eph 1,6). Wie oft denken wir nur wenig daran, wie reich Gott uns gemacht hat. Gerettet zu sein wie ein Brandscheit aus dem Feuer, ist wirklich gewaltig gross, und wir können Gott nie genug dafür danken. Aber Gott hat mehr getan. Auf der Grundlage des Werkes seines Sohnes und dessen Auferstehung sind wir in eine völlig neue Stellung gebracht worden: «Heilig und untadelig vor ihm in Liebe.»

Ein reiner Kopfbund – das Bild unserer Priesterschaft

Doch damit nicht genug. Jetzt ist davon die Rede, dass man dem Hohenpriester Josua einen reinen Kopfbund aufsetzen soll: «Man setze einen reinen Kopfbund auf sein Haupt. Und sie setzten den reinen Kopfbund auf sein Haupt und zogen ihm Kleider an; und der Engel des HERRN stand dabei.» Im 2. und 3. Buch Mose wird der Kopfbund des Hohenpriesters Aaron mehrfach erwähnt (erstmals in 2. Mose 28,4) und spricht somit von unserer Priesterschaft vor Gott. Als Christen sind wir nicht nur von unseren Sünden gereinigt und gewaschen und besitzen eine ganz neue Stellung vor Gott, sondern wir sind auch eine «heilige Priesterschaft». «Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater: ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit!» (Off 1,5.6).

Das Neue Testament zeigt uns die Priesterschaft des Christen unter zwei Gesichtspunkten:

  1. Ehemals verlorene Menschen stehen jetzt gereinigt als Priester vor Gott und bringen geistliche Schlachtopfer dar, die Gott durch den Herrn Jesus angenehm sind. Das bedeutet, dass wir in der Gegenwart eines heiligen Gottes anbetend vom Herrn Jesus und seinem Werk am Kreuz sprechen. Diese Linie finden wir im ersten Petrus-Brief und im Hebräer-Brief vorgestellt.
  2. Kinder Gottes, d.h. solche, die Gottes Familie auf dieser Erde bilden, treten zusammen vor den Vater, um Gemeinschaft mit Ihm zu haben. Sie sind mit dem einen Gegenstand der Wonne und Freude des Vaters, mit seinem Sohn, beschäftigt. Diese Linie finden wir besonders im Epheserbrief vorgestellt. Dort sagt Paulus: «Denn durch ihn haben wir beide den Zugang durch einen Geist zu dem Vater.» Bekehrte Juden und bekehrte Heiden, d.h. Menschen, die aus völlig verschiedenen Hintergründen kommen, sind jetzt in einem Leib zusammengebracht und kommen gemeinsam zum Vater, um mit Ihm Gemeinschaft über seinen Sohn zu haben.

Wir können diese beiden Linien der Priesterschaft des Christen wohl unterscheiden, dürfen sie aber nicht voneinander trennen. Wenn wir am Sonntagmorgen zusammenkommen, um Brot zu brechen, dann fliessen sie natürlich zusammen, und das findet seinen Ausdruck auch in den Liedern, die wir singen.

Erneut lesen wir dann vom Engel des HERRN: «Und der Engel des HERRN stand dabei.» Der Garant für unsere Priesterschaft auf der Erde ist niemand anders als Christus droben bei Gott. Das ist der Gedanke, der hier vorgestellt wird. Sein Blut spricht jetzt für uns im Heiligtum, und deshalb können wir als Priester – eingehüllt in die Gnade von Golgatha – freimütig vor einem heiligen Gott erscheinen. Wir leben noch auf dieser Erde, sind aber im Geist gleichzeitig im Himmel. In dem Wissen um diese Stellung beten wir in Frieden an, weil wir im vollbrachten Werk des Herrn Jesus ruhen.

Unsere Verantwortung

Jetzt erkennen wir einen deutlichen Wechsel, eingeleitet durch das Wort «wenn». Gott zeigt uns unsere Stellung, die wir durch Gnade bekommen haben, aber damit verbindet Er immer Verantwortung. Gnade und Verantwortung sind miteinander verbunden. Das eine geht aus dem anderen hervor.

«Und der Engel des HERRN bezeugte dem Josua und sprach: So spricht der HERR der Heerscharen: …» Das Bezeugen richtet sich an unser Gewissen. In den ersten fünf Versen wird unser Herz angesprochen. Dafür sind wir dankbar. Aber jetzt kommt das Gewissen. Wenn unsere Herzen angesprochen sind und für den Herrn brennen, dann brauchen wir auch Worte für unser Gewissen. Und diese kommen vom «HERRN der Heerscharen». Das ist Gott in seiner Souveränität über alle Mächte im Himmel und auf der Erde. Es gibt Heerscharen und Gewalten sowohl im Himmel als auch auf der Erde, aber Einer steht über allen: unser Gott. Er ist es, der jetzt spricht.

Gnade ist immer bedingungslos. Wenn es aber um unsere Verantwortung und die daraus resultierenden Folgen geht, dann gibt es Bedingungen. Unsere christliche Stellung vor Gott und unser Priestertum ruhen auf dem Werk von Golgatha. Da können wir nichts hinzufügen. Aber jetzt ist es anders. Das erkennen wir in dem Wörtchen «wenn». «Wenn du in meinen Wegen wandeln und wenn du meinen Dienst versehen wirst.» Das sind die beiden grossen Bereiche unserer christlichen Praxis. Wir werden aufgefordert, ein Leben der praktischen Gottesfurcht zu leben (das ist unser Wandel), und wir werden aufgefordert, unseren Dienst für Ihn zu tun (das ist, seinen Dienst versehen).

Diese Aufforderung gilt uns allen, ob wir Brüder oder Schwestern, älter oder jünger sind. Jeder, der durch das Werk des Herrn Jesus erlöst ist, hat die Verantwortung, seinen Weg zur Ehre Gottes zu gehen und sich Gott im Dienst zur Verfügung zu stellen. Der Wandel spricht von unserem Verhalten in der Praxis des Lebens, in der Familie, im Beruf, in unserem sozialen Umfeld, im Geschwisterkreis usw. Der Dienst wird hier mit den Worten umschrieben: «meinen Dienst versehen (meiner Hut warten).» Dieser Ausdruck weist auf etwas hin, was uns nachdenklich stimmt. Der Ausdruck deutet erstens an, dass wir etwas sorgfältig, d.h. behutsam tun, und zweitens, dass wir etwas behüten und bewahren. Wir erkennen, dass der Dienst im Haus Gottes mit Sorgfalt getan werden soll und nicht mit dem Brecheisen. Die Dinge Gottes sind mit Sorgfalt zu behüten. So fordert Petrus z.B. die Ältesten auf: «Hütet die Herde Gottes, die bei euch ist, indem ihr die Aufsicht nicht aus Zwang führt, sondern freiwillig, auch nicht um schändlichen Gewinnes willen, sondern bereitwillig, und nicht als solche, die da herrschen über ihre Besitztümer, sondern indem ihr Vorbilder der Herde seid» (1. Petr. 5,2.3). Das ist die Weise, in der wir alle dienen dürfen.

Christliche Freiheit

«So sollst du sowohl mein Haus richten als auch meine Vorhöfe behüten; und du sollst ein- und ausgehen unter diesen, die hier stehen.»

Der Dienst, den wir tun dürfen, steht in Verbindung mit dem Haus Gottes, dem Heiligkeit geziemt. Aber nicht nur das, wir dürfen auch «ein- und ausgehen». Dieses Ein- und Ausgehen finden wir sowohl im Alten wie im Neuen Testament, und wir haben unsere Freude daran. In Psalm 121,8 sagt der Dichter, dass Gott sowohl unseren Eingang als auch unseren Ausgang behüten wird. Dann denken wir ganz besonders an Johannes 10, wo der Herr Jesus selbst davon spricht: «Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich eingeht, so wird er errettet werden und wird ein- und ausgehen und Weide finden.» Mit diesen Worten umschreibt er eigentlich die christliche Freiheit. Wenn jemand durch die Tür, d.h. durch den Herrn Jesus eingegangen ist und errettet wird, dann wird er in die christliche Freiheit eingeführt. Er kann sich ohne Furcht vor dem Herrn Jesus bewegen. Das ist es, was uns hier als das wunderbare Ergebnis praktischer Gottesfurcht und des Gehorsams zum Wort Gottes vorgestellt wird.