Zwei Wünsche des Herrn

Markus 16,15; Lukas 22,19; 1. Petrus 2,5.9

«Dies tut zu meinem Gedächtnis» (Lk 22,19)

Als der Herr Jesus im Begriff stand, das letzte Passah mit seinen Jüngern zu essen und im Anschluss daran sein Gedächtnismahl einzusetzen, sagte Er: «Mit Sehnsucht habe ich mich gesehnt, dieses Passah mit euch zu essen.» Und der Apostel Paulus, als er an die Einsetzung des Gedächtnismahls des Herrn erinnerte, fügte hinzu: «In der Nacht, in der der Herr Jesus überliefert wurde, nahm er Brot …» Auf diese Weise richtet sich der letzte Wunsch unseres Herrn vor seinem Sterben an unsere Herzen. Er möchte, dass wir in der Zeit seiner Abwesenheit an Ihn denken, indem unsere Herzen wirklich mit Ihm beschäftigt sind. Wenn uns ein wenig bewusst wird, wie viel Er für uns gelitten und wie seine Liebe alles vollendet hat, werden wir dann nicht das Verlangen haben, seinem letzten Wunsch zu entsprechen? Der Herr möchte, dass alle seine Erlösten in aller Schlichtheit, aber mit tiefer Ehrfurcht durch die Teilnahme an seinem Tisch und das Halten seines Gedächtnismahls seinen Tod verkündigen. Das ist etwas, das zu dieser Erde gehört, und wir können es nur tun, «bis er kommt». Am Tag der Hochzeit des Lammes im Himmel gibt es kein Gedächtnismahl mehr, denn Er selbst wird in der Mitte seiner Erlösten anwesend sein. Auf dieser Erde stellt Er sich uns als Herr vor. Das gilt besonders auch im Blick auf sein Gedächtnismahl, denn es ist auffallend, wie oft in 1. Korinther 11,23-32 der Titel «Herr» vorkommt. Doch in alle Ewigkeit wird Er das Lamm bleiben.

«Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung» (Mk 16,15)

Dreimal in den Evangelien und einmal in den Briefen finden wir den letzten Wunsch des Herrn Jesus vor seinem Tod. Viermal in den Evangelien und einmal in Apostelgeschichte 1 haben wir den letzten Wunsch unseres Herrn vor seiner Himmelfahrt.

Im Matthäus-Evangelium sagt Er zu den elf Jüngern: «Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern» (Mt 28,19). Das Evangelium beschränkte sich nicht auf die Juden. Der den elf Jüngern anvertraute Auftrag erstreckte sich auf die ganze Erde.

Im Markus-Evangelium, wo wir den Herrn als Diener sehen, drückte Er sich noch deutlicher aus: «Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung» (Mk 16,15).

Bei Lukas, im Evangelium des Heilands, erinnert Er die Jünger daran, «dass der Christus leiden und am dritten Tag auferstehen sollte aus den Toten und in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden sollten allen Nationen» (Lk 24,46.47).

Im Johannes-Evangelium, wo wir den Gesandten vom Vater haben, sagt Er am Abend seines Auferstehungstages, gewissermassen als Fortsetzung seines Gebets an den Vater auf dem Weg nach Gethsemane, zu seinen Jüngern: «Wie der Vater mich ausgesandt hat, sende auch ich euch» (Joh 20,21).

In Apostelgeschichte 1 steht der Herr Jesus im Begriff, die Seinen zu verlassen. Dabei sagt Er zu ihnen: «Ihr werdet meine Zeugen sein, sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde» (Apg 1,8).

Legen wir auf diesen letzten Wunsch – wir könnten auch sagen Gebot – des Herrn Jesus, bevor Er seine Jünger verliess, weniger Wert, als auf das, was Er am Vorabend seiner Kreuzigung geäussert hat? Der eine wie der andere Wunsch hat seinen Platz. Beide kommen aus demselben Mund und sind an die gleichen Personen gerichtet. Und bis heute stellt der Heilige Geist durch das geschriebene Wort beide vor unsere Herzen. Ausserdem sind sie eng miteinander verbunden. Bildet das Gedächtnismahl nicht das Zentrum eines Zeugnisses, das das ganze Leben umfasst (1. Kor 11,26)?

Die Verbreitung des Evangeliums ist ebenfalls auf unsere Zeit auf dieser Erde begrenzt. Wir können diesem Wunsch und Gebot unseres Herrn nur solange entsprechen, wie wir hier leben. Was wird geschehen, wenn wir dies vernachlässigen? Einige werden sagen: Wenn ich es unterlasse, das Evangelium zu verbreiten, werde ich einen Lohn verlieren, aber die Auserwählten werden trotzdem errettet werden. Ist das nicht eine menschliche Argumentation? Das Wort Gottes drückt sich nie so aus. Hören wir, was der Apostel Paulus sagt: «Deswegen erdulde ich alles um der Auserwählten willen, damit auch sie die Errettung erlangen, die in Christus Jesus ist» (2. Tim 2,10). Das Heil ist in Jesus Christus. Er hat es erwirkt. Die Erlösten der Gnadenzeit sind auserwählt in Christus Jesus vor Grundlegung der Welt. Dennoch sagt der Apostel: «Ich erdulde alles um der Auserwählten willen.» Er drückt es so aus, als ob das Erlangen des Heils durch die von Gott vorlängst Auserwählten von seiner Ausdauer in der Ausbreitung des Wortes abhinge.

Niemand hat das Recht zu sagen: Ich kann nicht glauben, weil ich nicht auserwählt bin. Gleicherweise kann kein Christ sagen: Die Auserwählten werden errettet, auch wenn ich das Evangelium nicht ausbreite. Es gibt einerseits die Seite Gottes; es ist die seiner Souveränität, seiner Gnade und seines Werkes. Doch es gibt auch die Seite des Menschen und seiner Verantwortung. Unser menschlicher Verstand vermag diese beiden Seiten nie miteinander in Einklang zu bringen. Doch beide werden uns im Wort Gottes vorgestellt. Jede an ihrem Platz, und jede – die eine wie die andere – genau gleich wirklich und endgültig.

Die heilige und die königliche Priesterschaft (1. Pet 2,5.9)

In einer anderen Form stellt uns der Apostel Petrus unter der Leitung des Geistes Gottes das Vorrecht und die Verantwortung der Gläubigen, die diesem doppelten Wunsch des Herrn entsprechen, vor. Einerseits sind wir eine heilige Priesterschaft, «um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlangenehm durch Jesus Christus». Das bezieht sich auf den Gottesdienst, in dessen Mittelpunkt das Brotbrechen steht. Andererseits sind wir eine königliche Priesterschaft, «damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht». Hier geht es um die Ausbreitung des Evangeliums und um das praktische tägliche Zeugnis, wodurch dieses Licht, in dem wir uns bereits erfreuen, auch anderen leuchtet. Wir sollen die Botschaft denen verkündigen, die noch nichts davon wissen.

Das Wort sagt: «Biege nicht ab zur Rechten noch zur Linken» (Spr 4,27). Doch wie leicht tendieren wir auf die eine oder die andere Seite. Der eine reagiert mit Freuden auf den Gedanken Gottes über die heilige Priesterschaft und vernachlässigt die Verkündigung seiner Tugenden. Der andere ist so stark mit dem Heil der Seelen und der Verbreitung des Evangeliums beschäftigt, dass er den Wunsch des Herrn Jesus, den Er «in der Nacht, in der er überliefert wurde», ausgesprochen hat, im Hintergrund lässt. Wenn wir jedoch wirklich den Gedanken Gottes entsprechen und die Wünsche unseres Herrn erfüllen wollen, werden wir es dann nicht am Herzen haben, sowohl sein Gedächtnismahl zu halten als auch für Ihn zu zeugen, und zwar da, wo Er uns hingestellt hat, oder wenn Er uns entsprechend führt, bis an das Ende der Erde?