Ermatte nicht, verlier den Mut nicht! (1)

Hebräer 12,5

Wer von uns hat noch nie Augenblicke der Mutlosigkeit auf dem Weg erlebt? Wohl niemand. Und die Schrift zeigt uns, dass sogar hervorragende Knechte des Herrn solche Momente haben konnten. Aber sie spricht auch von solchen, die durch die Gnade Gottes schwere Prüfungen durchschreiten konnten, ohne dass ihr Vertrauen ins Wanken geriet. Wenn wir das beachten, was der Heilige Geist über diese im Wort Gottes niederschreiben liess, können wir manche Belehrung daraus ziehen, die unseren Glauben in der Prüfung stärkt, um «mehr als Überwinder zu sein durch den, der uns geliebt hat» (Röm 8,37).

Johannes der Täufer

«Als aber Johannes im Gefängnis die Werke des Christus hörte, sandte er durch seine Jünger und liess ihm sagen: Bist du der Kommende, oder sollen wir auf einen anderen warten? Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und verkündet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde werden wieder sehend, und Lahme gehen umher, Aussätzige werden gereinigt, und Taube hören, und Tote werden auferweckt, und Armen wird gute Botschaft verkündigt; und glückselig ist, wer irgend nicht an mir Anstoss nimmt! … Wahrlich, ich sage euch: Unter den von Frauen Geborenen ist kein Grösserer aufgestanden als Johannes der Täufer; der Kleinste aber im Reich der Himmel ist grösser als er» (Mt 11,2-6.11).

Wir mögen erstaunt sein, diese Frage aus dem Mund Johannes’ des Täufers zu hören, der doch früher gesagt hatte: «Ich habe gesehen und habe bezeugt, dass dieser der Sohn Gottes ist» und: «Nach mir kommt einer …, dem den Riemen seiner Sandalen gebückt zu lösen ich nicht wert bin» (Joh 1,34; Mk 1,7). Nachdem er Jesus gesehen hatte, öffnete er sein Herz, so dass er ausrufen musste: «Siehe, das Lamm Gottes!» Und jetzt stellt er diese Frage – er, der vor dem Herrn hergehen durfte, «um seine Wege zu bereiten, um seinem Volk Erkenntnis des Heils zu geben» (Lk 1,76.77)! Der Herr macht ihm keinen Vorwurf. Sein Herz voller Mitgefühl für seinen Knecht versteht dessen Verwirrung. Zweifellos hoffte Johannes, wie die zwei Jünger, die nach Emmaus gingen, und wie alle frommen Juden, die auf Befreiung warteten, dass der Herr Jesus der sei, der Israel erlösen würde (Lk 24,21). Aber die Umstände, ganz besonders seine persönlichen, entsprachen nicht dieser Erwartung. Er lag gebunden in einem Gefängnis und Der, den er als grossen Befreier angekündigt hatte, tat nichts, um ihn herauszuführen. Vielleicht versuchte Satan, in seinem Herzen die schreckliche Frage aus Psalm 42,4 aufkommen zu lassen: «Wo ist dein Gott?»

Und was macht der Herr? Er will die Blicke seines Knechtes von den schmerzlichen Umständen, in denen er sich befand, wegwenden und auf sich selbst lenken. Seine durch die Propheten angekündigten Werke bezeugten seine Göttlichkeit (Jes 35,5.6; Joh 10,37.38). Weit entfernt davon, diesen Moment der Schwachheit und des Zweifels bei seinem Diener hervorzuheben, betont Er mit Nachdruck den herausragenden Platz, den die Gnade Gottes seinem Vorläufer geschenkt hatte. Und dann erwähnt Er die noch vorzüglichere Stellung derer, die nach dem Kreuz an Ihn und sein Erlösungswerk glauben würden.

Was für Lektionen können wir für uns aus diesem Schriftabschnitt ziehen? Mögen wir uns durch die Umstände, die uns widersprüchlich erscheinen, nicht entmutigen lassen! Richten wir unsere Blicke auf Den, der alle Macht hat! Auch wenn Er noch keine Befreiung aus der Prüfung schenken kann, dann lasst uns nicht vergessen, dass Er schliesslich alle Dinge zu unserem Guten ausschlagen lassen wird. Vergessen wir auch nicht, zu welchem Ziel wir berufen worden sind: «Die Leiden der Jetztzeit sind nicht wert, verglichen zu werden mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll» (Röm 8,18).

Jakob

«Und ihr Vater Jakob sprach zu ihnen: Ihr habt mich der Kinder beraubt: Joseph ist nicht mehr, und Simeon ist nicht mehr; und Benjamin wollt ihr nehmen! Dies alles kommt über (oder: ist gegen) mich!» (1. Mo 42,36).

Noch ein entmutigter Mann! Er hat Joseph, den Sohn seines Alters, den er lieber hatte als alle seine Söhne, verloren (1. Mo 37,3). Im Land Kanaan, wo er wohnt, wütet eine Hungersnot. Simeon wird vom Herrscher in Ägypten als Geisel zurückgehalten. Und jetzt verlangt dieser mächtige Mann, dass Benjamin, der zweite Sohn Rahels, bei dessen Geburt seine geliebte Frau gestorben ist, zu ihm geführt werde. Durch dies alles ist das Herz Jakobs ganz mitgenommen. Wir verstehen seinen Ausruf: «Dies alles ist gegen mich!»

Später, wenn er von Dem spricht, der ihm seine Verheissungen gegeben hat, wird er sagen können: «Der Gott, der mich geweidet hat, seitdem ich bin bis auf diesen Tag, der Engel, der mich erlöst hat von allem Bösen, segne die Knaben.» Aber jetzt verdeckt eine Wolke die Herrlichkeit dieses allmächtigen Hirten, und Jakob hat durch «böse» Tage zu gehen. Doch Gott hat einen völligen Trost für seinen alten Knecht vorbereitet. Welch eine Freude, als er seinen geliebten Sohn wiederfindet und dieser ihm um den Hals fällt und lange an seinem Hals weint! Der, den er tot geglaubt hat, herrscht über das ganze Land Ägypten. Sind diese Begebenheiten nicht aufgeschrieben, um unsere niedergeschlagenen Herzen aufzurichten, wenn wir uns in einem Wellental befinden?

Mose

«Da schrie Mose zu dem HERRN und sprach: Was soll ich mit diesem Volk tun? Noch ein wenig, und sie steinigen mich. Und der HERR sprach zu Mose: Geh vor dem Volk her, und nimm mit dir einige von den Ältesten Israels; und deinen Stab, womit du den Strom geschlagen hast, nimm in deine Hand und geh hin. Siehe, ich will dort vor dir stehen auf dem Felsen am Horeb; und du sollst auf den Felsen schlagen, und es wird Wasser daraus hervorkommen, dass das Volk trinke. Und Mose tat so vor den Augen der Ältesten Israels» (2. Mo 17,4-6).

Der Ursprung der Entmutigung des Volkes lag in seinem Unglauben. Es war doch gar noch nicht so lange her, dass der HERR seine grosse Macht bewiesen hatte, indem Er es von seinen Unterdrückern befreit hatte. Damals hatten sie von Herzen das Lied der Erlösung gesungen und dabei die Grösse Dessen gerühmt, der sich so wunderbar an ihnen erwiesen hatte (2. Mo 15). Zudem waren sie vor kurzem Zeugen der Fürsorge Gottes geworden, der ihnen Fleisch zu essen gegeben hatte und jeden Morgen Brot vom Himmel, das Manna, sandte. Und doch wagten sie zu fragen: «Ist der HERR in unserer Mitte oder nicht?»

Wie nötig ist es für uns, über das «böse Herz des Unglaubens» zu wachen, von dem Hebräer 3,12 spricht und das zu Entmutigung und Auflehnung führt. Aber die Langmut Gottes ist gross, indem Er auf das Schreien Moses, auf sein inständiges Gebet antwortet und Wasser aus dem Felsen gibt. Erinnern wir uns doch besonders in schwierigen Augenblicken an das, was Paulus den Philippern schrieb: «Seid um nichts besorgt, sondern in allem lasst durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden; und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und euren Sinn bewahren in Christus Jesus» (Phil 4,6.7).

David

«Und David sprach in seinem Herzen: Nun werde ich eines Tages durch die Hand Sauls umkommen; mir ist nichts besser, als dass ich schnell in das Land der Philister entkomme, und Saul wird von mir ablassen, mich weiterhin im ganzen Gebiet Israels zu suchen; und ich werde aus seiner Hand entkommen.» (1. Sam 27,1).

Ja, auch ein David, der von jung auf sein Vertrauen auf den Herrn gesetzt hatte, ist hier entmutigt. Er scheint das Glaubensvertrauen und die Gemeinschaft mit seinem Gott, der ihn durch so manche schwierigen Umstände hindurchgetragen hatte, verloren zu haben. Sicher war der beständige Hass, mit dem Saul ihn verfolgte, dazu angetan, seine Seele zu betrüben. Aber er hatte doch bei so vielen Gelegenheiten die Befreiung des Herrn erfahren dürfen! Wo ist der David, der den 63. Psalm gedichtet hat?

So kann es auch bei jedem von uns in seinem Glaubensleben vorkommen, dass er herrliche Momente der Gemeinschaft mit Gott erlebt und dann wieder Augenblicke hat, wo alles finster scheint. Dann trifft David eine Entscheidung, eine Entscheidung des Fleisches, und flieht in das Land der Philister. Die Fortsetzung der Geschichte zeigt uns, wohin ihn dies geführt hat: Eines Tages weint er mit seinen Getreuen, «bis keine Kraft mehr in ihnen war zu weinen» (1. Sam 30,4). Die Gnade Gottes hat zwar eingegriffen, aber dieses Beispiel ist doch sehr lehrreich für uns. Lasst uns nicht mit menschlicher Hilfe oder mit Hilfe der Welt versuchen, einer schmerzlichen Situation zu entgehen, in die uns Gott gestellt hat.