Kennzeichen eines Überrestes in schwierigen Tagen (1)

Hesekiel 14,12-14

Die alttestamentlichen Propheten beschreiben oft den Zustand des Volkes Gottes im Niedergang und kündigen das kommende Gericht Gottes an. Aber sie beschreiben auch die Haltung und Gesinnung eines Überrestes unter dem Volk. Wir wollen im Folgenden zwei Stellen aus den Propheten Hesekiel und Jeremia betrachten, die gewissermassen einen «hoffnungslosen Zustand» unter dem Volk beschreiben.

Der Prophet Hesekiel lebte unter den Weggeführten in der Gefangenschaft in Babylon. Wenn es je eine Zeit gegeben hatte, wo Beugung, Demütigung und Buße – sowohl einzeln als auch national – angebracht gewesen wären, dann waren es jene Tage. Aber das Volk hatte sich in Herz und Leben weit von Gott entfernt, so dass das, was Er schon immer über dieses Volk sagen musste, in vermehrtem Mass zutraf: «Ihr Herz wandelte ihren Götzen nach» (Hes 20,16). In diesem Zustand des Verfalls gab es für die Nation als Ganzes nur noch das angekündigte Gericht. In solchen Umständen erkennt Gott nur noch die Treue einzelner an.

So sagt Hesekiel in Kapitel 14,12-14: «Und das Wort des HERRN erging an mich, indem er sprach: Menschensohn, wenn ein Land gegen mich sündigt, indem es Treulosigkeit begeht, und ich meine Hand gegen es ausstrecke und ihm den Stab des Brotes zerbreche und Hunger hineinsende und Menschen und Vieh darin ausrotte, und diese drei Männer wären darin: Noah, Daniel und Hiob – sie würden durch ihre Gerechtigkeit nur ihre eigene Seele erretten, spricht der Herr, HERR.»

Hier besteht ein offenkundiger Unterschied zu Sodom, wo Abraham in der Fürbitte vor Gott erreichte, dass Gott die Stadt verschonen wollte, wenn zehn Gerechte darin gefunden würden. Diese Grenze setzte Abraham und nicht Gott. Denn als Abraham bei zehn Gerechten aufhörte zu bitten, heisst es: «Und der HERR ging weg, als er mit Abraham ausgeredet hatte» (1. Mo 18,33).

Dass Israels bzw. Jerusalems Zustand in den Tagen Hesekiels in den Augen Gottes tatsächlich schlimmer war als der Sodoms, das als die kleinere Schwester Jerusalems bezeichnet wird, lesen wir in Hesekiel 16,46-48: «Und deine grössere Schwester ist Samaria mit ihren Töchtern, die an deiner linken Seite wohnt; und deine Schwester, die kleiner ist als du und die an deiner rechten Seite wohnt, ist Sodom mit ihren Töchtern. Aber nicht auf ihren Wegen bist du gewandelt, und hast nicht nur ein wenig nach ihren Gräueln getan; denn du hast mehr Böses getan als sie auf allen deinen Wegen. So wahr ich lebe, spricht der Herr, HERR: Sodom, deine Schwester, sie und ihre Töchter haben nicht getan, wie du getan hast, du und deine Töchter!»

Es ist interessant, dass jeder der drei erwähnten Glaubensmänner – Noah, Daniel und Hiob –, die durch persönliche Glaubenstreue auffielen, an der «Rettung» anderer mitgewirkt hatten. Bei Noah ist dies offenkundig: Er war der Führer des einzigen Überrestes, der die grosse Flut überlebte. Daniel rettete durch sein Auftreten die Weisen Babylons vor dem Tod und stärkte seine Brüder. Auch Hiob trat in Fürbitte für seine Freunde ein und wurde von Gott erhört.

Vor diesem Hintergrund sagt nun Hesekiel: Selbst diese Männer würden das Gesamtzeugnis des Volkes nicht mehr retten können, so schlimm war der Abfall von Gott. Die Heilszeitalter ändern sich, aber gewisse Parallelen sind unschwer zu erkennen. Die bekennende Christenheit ist den Weg Israels gegangen. Trotz weit grösserem Licht hat sie sich noch weiter von Gott und seinem Wort entfernt.

Diese schlimme Abwärtsentwicklung wird in der Zukunft noch weiter fortschreiten bis zum völligen Abfall, wie uns Gottes Wort zeigt. Wir leben in Tagen, wo Gott auf die Treue des einzelnen schaut und wo Er bereit ist, die zu segnen, die den Wunsch haben, seinem Wort zu gehorchen und zu denen zu gehören, die den «Herrn anrufen aus reinem Herzen» (2. Tim 2,22). Aber eine «Rettung» oder Wiederherstellung des gemeinsamen christlichen Zeugnisses wird es nicht geben. Dies zu glauben, wäre eine Illusion, die im Widerspruch zu den Vorhersagen der Schrift steht.

Doch zu jeder Zeit gibt es die Möglichkeit für den persönlichen Glauben und das Zeugnis eines Überrestes. Ein Blick auf das Leben dieser drei Männer wird uns dabei hilfreich sein.

Noah

Noah lebte wirklich in «letzten Tagen», das «Ende alles Fleisches» stand bevor. Was können wir da von ihm lernen?

1. Er glaubte Gott

Noah nahm Gott beim Wort, und zwar mit allen Konsequenzen, die das mit sich brachte. In Tagen, wo das Wort Gottes selbst unter bekennenden Christen relativiert, verdreht und abgelehnt wird, sucht Gott solche, die ohne Abstriche zu machen an seinem Wort festhalten.

2. Er war ein Prediger der Gerechtigkeit

In der Zeit, «als die Langmut Gottes harrte in den Tagen Noahs» (1. Pet 3,20), legte er unermüdlich Zeugnis ab von dem kommenden Gericht, sowie von der einzigen Rettungsmöglichkeit, die Gott bereitgestellt hatte.

Auch wir wissen, dass diese Welt und die bekennende Christenheit dem Gericht entgegengehen. Aber noch harrt in unseren Tagen die Langmut Gottes (2. Pet 3,9). Gerade jene, die sich in Tagen des Verfalls bemühen, das Zeugnis Gottes aufrechtzuerhalten, müssen von dieser Langmut Gottes erfüllt sein. Die Menschen brauchen auch heute ein klares Zeugnis, sowohl des kommenden Gerichts als auch des Angebots der Gnade Gottes. In seinem letzten Brief, der unsere Tage beschreibt, fordert Paulus seinen Mitarbeiter Timotheus auf: «Tu das Werk eines Evangelisten, vollführe deinen Dienst» (2. Tim 4,5).

3. Er bereitete eine Arche «zur Rettung seines Hauses» (Heb 11,7)

Vielleicht denkt mancher: Die Predigt Noahs hatte aber wenig Erfolg. Leben wir nicht auch in Tagen, wo besonders in unseren westlichen Ländern der Boden für das Evangelium sehr hart geworden ist? In Anbetracht des Wertes, den eine einzige Seele hat, sollten wir in der Verbreitung des Evangeliums trotzdem nicht nachlassen (Pred 11,5.6).

In Zeiten von Erweckung und blühendem geistlichem Leben, da «das Wort Gottes wächst», mag es scheinen, dass ganze Familien «wie selbstverständlich» zum Glauben an Christus finden. Aber in Zeiten des Endes und des Verfalls sollte die «Rettung seines Hauses» für jeden Gläubigen von höchster Wichtigkeit sein. Diese «Evangelisation» der Väter und besonders der Mütter in der eigenen Familie erfordert aber ein persönliches, treues Glaubensleben der Eltern. Das Zeugnis eines Lot in seiner Familie war wirkungslos.