Abjathar

1. Samuel 21; 1. Samuel 22

Die Geschichte Abjathars, eines Zeit- und Weggenossen Davids, ist für uns sehr lehrreich. Er war ein Sohn Abimelechs, des Priesters, der während der Regierung von König Saul den Priesterdienst ausübte. Abimelech war es, den David auf der Flucht vor Saul aufsuchte, um für sich und seine Männer Nahrung zu bekommen. Durch Doeg, den Edomiter, der den Priester verriet, liess der König Saul in seinem Wahn die ganze Familie des Priesters ermorden. Nur Abjathar konnte fliehen und kam zu David (1. Sam 21 und 22). Über viele Jahre war er eng mit dem Gesalbten des Herrn verbunden, teilte zuerst seine Verwerfung und dann seine Regierung. Doch im Alter stellte er sich auf die Seite Adonijas und damit gegen David.

Wenn wir die einzelnen Stationen im Leben dieses Mannes ein wenig besehen, können wir daraus manche praktische Nutzanwendung für uns machen.

1. In der Not zu David gekommen

Abjathar befand sich in grosser Not. König Saul hatte das ganze Haus seines Vaters umbringen lassen, und auch die Priesterstadt Nob, sein Wohnort, war dem Schwert zum Opfer gefallen (1. Sam 22.11-19). Der Priestersohn war der einzige, dem die Flucht gelungen war. Doch wohin sollte er sich wenden? Sein Leben stand in Gefahr, und er musste jeden Augenblick damit rechnen, dass man ihn fand und ebenfalls tötete. Wohin also in seiner Not? Wo konnte er Schutz und Sicherheit finden?

Er wandte sich an die richtige Adresse. Es blieb ihm nur eine Möglichkeit: David, der selbst auf der Flucht vor Saul war. Deshalb lesen wir: «Und er floh, David nach» (1. Sam 22,20). Abjathar kannte David. Er wusste um seine militärischen Erfolge, um seinen Sieg über Goliath. Doch er wusste sicher auch, dass dieser, der Mann nach dem Herzen Gottes, der verheissene König war, der einmal die Regierung übernehmen würde. Deshalb wandte er sich in der Not an ihn.

Wohin gehen wir mit unserer Not? Wer kann uns helfen, wenn wir keinen Ausweg mehr sehen? Die richtige Adresse kann nur der Herr Jesus sein. An wen kann der Sünder sich wenden, wenn die Schuld drückt, wenn der ewige Tod vor Augen steht? Wer befreit von der Macht Satans? Es ist der Herr Jesus. Bei Ihm allein ist Schutz und Sicherheit zu finden, ob wir nun an Menschen denken, die sich in Sündennot befinden, oder ob wir an Gläubige denken, die mit den Schwierigkeiten ihres Lebens zum Herrn Jesus kommen. Für alle gilt: «Am Tag meiner Bedrängnis werde ich dich anrufen, denn du wirst mich erhören» (Ps 86,7) und: «Dieser Elende rief, und der HERR hörte, und aus allen seinen Bedrängnissen rettete er ihn» (Ps 34,7).

2. Von David angenommen

Konnte David das Vertrauen dieses Mannes, an dessen Schicksal er nicht ganz unschuldig war, enttäuschen? Niemals. Er, der selbst ein Flüchtling, ein Heimatloser war, nahm ihn auf, wie er war. Wie tröstlich waren seine Worte: «Bleibe bei mir, fürchte dich nicht; denn wer nach meiner Seele trachtet, trachtet nach deiner Seele; denn bei mir bist du wohl bewahrt» (1. Sam 22,23). David verband diesen Mann aufs engste mit sich selbst. Abjathar konnte volles Vertrauen zu ihm haben.

Erinnert uns das nicht daran, wie der Herr Jesus uns aufgenommen hat, als wir als Sünder mit der Last und Schuld unseres Lebens zu Ihm kamen? Es war seine Gnade, in der Er uns an- und aufgenommen und mit sich selbst verbunden hat. Er schämt sich nicht, uns «seine Brüder» zu nennen. So eng sind wir mit Ihm verbunden.

Aber auch auf unserem Weg als Kinder Gottes dürfen wir immer wieder erfahren, wie Er uns annimmt, wenn wir mit Problemen und Schwierigkeiten zu Ihm kommen. Haben die Worte Davids nicht auch für uns Gültigkeit: «Bleibe bei mir, denn bei mir bist du wohlbewahrt.»? Der Herr Jesus möchte uns bewahren. An uns liegt es, nahe bei Ihm zu bleiben. Wir singen in einem Lied:

  • Wenn wir uns von Ihm abwenden,
    wird es finster um uns her.
    Unser Gang ist nicht mehr sicher
    und das Herz von Freuden leer.

Diese Erfahrung haben wir bestimmt alle schon gemacht. Nur in der Annahme und Nähe des wahren David ist wirklicher Schutz zu finden.

3. Die Verwerfung Davids geteilt

Abjathar tat, was David ihm gesagt hatte. Er blieb bei ihm. Das war kein Leben auf sonnigen Höhen, sondern es war das Leben eines Flüchtlings, der von seinem Feind gejagt wurde. Doch Abjathar war bereit, die Verwerfung seines Obersten zu teilen, und er konnte ihm dabei sogar eine Hilfe sein (z.B. 1. Sam 23,6-13). Die beiden durften gemeinsam manche Erfahrung der Hilfe ihres Gottes machen.

Auch wir gehören einem Herrn an, der gesagt hat: «Mein Reich ist nicht von dieser Welt.» Der Tag wird kommen, da der Herr Jesus auf dieser Erde herrschen wird und wir mit Ihm. Doch diese Zeit ist jetzt noch nicht da. Heute ist Er noch der von dieser Welt Verworfene. Die Menschen riefen damals: «Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche», und das ist auch heute noch die Haltung vieler Menschen. Man will Ihn einfach nicht haben.

Mit solch einem Herrn sind wir verbunden. Die Frage an uns ist, ob wir bereit sind, seine Verwerfung mit Ihm zu teilen. Die Welt, die Ihn abgelehnt hat, lehnt auch die ab, die sich treu zu Ihm bekennen. Alle, die sich damals David anschlossen, wurden von Saul gehasst. Alle, die heute konsequent mit dem Herrn Jesus gehen, werden von der Welt abgelehnt. «In der Welt habt ihr Bedrängnis; aber seid guten Mutes, ich habe die Welt überwunden» (Joh 16,33). So ermunterte der Herr seine Jünger.

Ein Leben mit dem Herrn Jesus ist ein Leben wunderbarer Erfahrungen mit Ihm. Es ist ein Leben im Segen Gottes. Doch wir dürfen nicht verkennen, dass es ein Leben ist, worin wir aufgefordert sind, seine Verwerfung mit Ihm zu teilen.

4. Mit David regiert

Der Tag kam, an dem David die Herrschaft in Israel antrat. Seine Verwerfung war zu Ende, und Gott bestätigte sein Königtum. Doch wo sind jene, die seine Verwerfung mit Ihm teilten? Wo sind seine Helden, die für ihn ihr Leben riskierten? Sind sie vergessen? Nein, sie teilen seine Herrschaft mit ihm. Zu ihnen gehört auch Abjathar, der gemeinsam mit Zadok den Priesterdienst ausübt (2. Sam 20,25).

Auch unser Herr, der jetzt noch Verworfene, wird einmal in Macht und Herrlichkeit sein Reich auf dieser Erde aufrichten. Dann werden wir seine Herrschaft mit Ihm teilen. Sein Weg führte durch Leiden zur Herrlichkeit. So auch unser Weg. Jetzt teilen wir seine Verwerfung, aber es ist uns schon heute eine Ermunterung zu wissen, dass wir einmal seine Herrschaft mit Ihm teilen werden. Den Römern schreibt Paulus: «Wenn wir nämlich mitleiden, damit wir auch mitverherrlicht werden» (Röm 8,17). Und die Thessalonicher ermuntert er mit den Worten: «Wenn es denn bei Gott gerecht ist, denen, die euch bedrängen, mit Drangsal zu vergelten, und euch, die ihr bedrängt werdet, Ruhe mit uns zu geben bei der Offenbarung des Herrn Jesus vom Himmel her …, wenn er kommt, um an jenem Tag verherrlicht zu werden in seinen Heiligen» (2. Thes 1,6-10).

Wenn dieser Augenblick gekommen ist, werden die Rollen vertauscht sein. Jene, die jetzt die Verwerfung des Herrn mit Ihm teilen, werden dann mit Ihm herrschen. Die aber, die Ihn heute ablehnen, werden dann anerkennen müssen, «dass Jesus Christus Herr ist, zu Verherrlichung Gottes, des Vaters» (Phil 2,11) – obwohl es für sie dann zum Heil zu spät sein wird.

5. In der Prüfung bewährt

Durch eigene Schuld kam David unter der regierenden Hand Gottes in grosse Not. Sein eigener Sohn Absalom empörte sich gegen ihn und wollte selbst König werden. David blieb nichts anderes übrig, als erneut die Flucht zu ergreifen (2. Sam 15). Die Weggenossen Davids wurden nun auf die Probe gestellt. Wer würde zu David halten? Wer würde mit Absalom gehen?

Wie entscheidet sich Abjathar in dieser Situation? Wie weit geht seine Zuneigung zu David? Seine Wahl ist eindeutig. Er stellt sich konsequent auf die Seite Davids (2. Sam 15,24) und führt dessen Befehl treu und zuverlässig aus. David schickt ihn zusammen mit Zadok nach Jerusalem zurück, weil er ihm dort nützlicher sein konnte als auf der Flucht.

Auch unsere Liebe zum wahren David wird von Zeit zu Zeit auf die Probe gestellt. Es ist relativ leicht, von unserer Liebe zu Ihm zu reden. Viel schwieriger ist es, diese Liebe unter Beweis zu stellen, wenn der Herr sie prüft. Auch in unserem Leben als Kinder Gottes kommen wir immer wieder an Punkte, wo wir uns klar entscheiden müssen. Stehen wir zu unserem Herrn und bekennen wir dies auch, oder beugen wir uns dem Druck der Umstände und lassen Ihn im Stich? Wir alle kennen das Beispiel des Petrus, der auf seine Liebe zu seinem Meister vertraute und dann so kläglich versagte. Wir alle kennen auch zahllose Beispiele aus unserem eigenen Leben, wo wir unter viel leichteren Umständen den Herrn Jesus verleugnet haben und den Weg des geringsten Widerstandes vorzogen.

6. Am Ende versagt

Leider nimmt die Geschichte Abjathars nun eine traurige Wende. Bis hierher stand er als ein positives Beispiel vor uns. Doch sein Ende ist zu unserer Warnung geschrieben. Die Regierungszeit Davids neigte sich dem Ende zu. Salomo, sein Sohn, sollte Thronfolger werden. Doch sein Bruder Adonija war damit nicht einverstanden. Er wollte selbst König werden. Und wer half ihm? Zwei alte Weggenossen Davids unterstützten ihn bei seinem bösen Tun: «Und er hatte Unterredungen mit Joab … und mit Abjathar, dem Priester; und sie halfen Adonija und folgten ihm nach» (1. Kön 1,7). Hatte Abjathar vergessen, dass David ihm am Anfang gesagt hatte: «Bleibe bei mir, denn bei mir bist du wohl bewahrt.»? Hatte er vergessen, welche Erfahrungen er in Freud und Leid mit David gemacht hatte? Warum jetzt diese Entscheidung? Gott lässt uns erneut einen Blick in ein menschliches Herz tun. Es ist zu allem fähig. Unser Herz ist auch nicht anders. Wir können lange Zeit treu zum Herrn stehen, seine Verwerfung mit Ihm teilen und selbst in der Prüfung standhalten. Doch das ist keine Garantie für weitere Bewahrung. Es gilt jeden Tag neu, beim Herrn zu verharren, um bewahrt zu bleiben. Es geht um unsere Zuneigungen zu Ihm. Welchen Platz hat Er in unserem Leben?

Stehen wir nicht heute in Gefahr, uns anderen zuzuwenden? Es können sogar solche von uns sein, denen wir nachlaufen und dabei den Herrn aus dem Auge verlieren. Der Apostel Paulus warnt die Epheser nicht umsonst davor, dass es Männer aus ihrer eigenen Mitte sein würden, die aufstehen und verkehrte Dinge reden würden, «um die Jünger abzuziehen hinter sich her» (Apg 20,30). Wer Jünger hinter sich herzieht, der zieht sie vom Herrn Jesus ab. Deshalb wollen wir uns ermuntern lassen, unserem Meister in Treue nachzufolgen.

7. Saat und Ernte

Das Ende der Geschichte Abjathars illustriert uns die Worte aus Galater 6,7: «Denn was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten.» Als Salomo König geworden war, liess er Abjathar zu sich kommen und sagte ihm: «Geh nach Anatot, auf deine Felder, denn du bist ein Mann des Todes; aber an diesem Tag will ich dich nicht töten, weil du die Lade des Herrn, HERRN, vor meinem Vater David getragen, und weil du gelitten hast in allem, worin mein Vater gelitten hat» (1. Kön 2,26), Gott vergass nicht, was Abjathar für David gewesen war, aber die Folgen seines Tuns mit Adonija musste er tragen. Das Priestertum wurde ihm weggenommen.

Er wurde aufgefordert, auf seine Felder zu gehen. Warum dieser Hinweis in Gottes Wort? Sollten die Felder ihn nicht Jahr für Jahr an das Gesetz von Saat und Ernte erinnern? Im Geistlichen ist es nicht anders als im Natürlichen: Wir können nur das ernten, was wir auch säen. So war es damals bei Abjathar. Er trug die Konsequenzen seines Tuns und erfüllte darüber hinaus noch das Wort Gottes an Eli, seinen Vorfahren, dem Gott das Gericht ankündigen musste. Bei uns wird es heute nicht anders sein. Die Folgen unseres Tuns werden uns immer begleiten, auch wenn wir unter Gnade stehen.

Der Versammlung in Ephesus musste gesagt werden: «Aber ich habe gegen dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast» (Off 2,4). Jene Gläubigen hatten wie Abjathar einen guten Start gemacht, liessen dann aber in ihrer Zuneigung zum Herrn Jesus nach. Deshalb wollen wir uns Mut machen, nicht nur gut anzufangen, sondern in unserer Zuneigung zum Herrn nicht nachzulassen. Er, der wahre David, ist es wert, dass wir Ihn unser ganzes Leben lang lieben.