Gott, offenbart im Fleisch (2)

Johannes 4,1-42; 2. Korinther 13,4; Hebräer 4,15; Hebräer 5,8

3. Hebräer 4,15

«Der in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde.»

Satan trat mit allen Arten von Versuchungen an Jesus heran, durch die jeder von uns versucht werden kann und durch die der erste Mensch in Sünde fiel: Er sucht die Lust des Fleisches, die Lust der Augen und den Hochmut des Lebens zu wecken und zu befriedigen (1. Joh 2,16). In jedem dieser Dinge unterlag der erste Mensch. Eva «sah,

  • dass der Baum gut zur Speise (Lust des Fleisches), und
  • dass er eine Lust für die Augen (Lust der Augen), und
  • dass der Baum begehrenswert wäre, um Einsicht zu geben» (Hochmut des Lebens – 1. Mose 3,6).

Unser Herr wurde in der Wüste den gleichen Versuchungen unterzogen, aber bei ihm dienten sie nur dazu, offenbar zu machen, dass in ihm keine Lust und keine Sünde war. Satan sagt zu ihm:

  • «Sprich, dass diese Steine Brot werden» (Lust des Fleisches)
  • «Er zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit» (Lust der Augen)
  • Endlich wollte Satan Ihn verleiten, sich von der Zinne des Tempels hinabzuwerfen (Hochmut des Lebens)

Aber er begegnete jeder Versuchung mit dem Wort Gottes: «Es steht geschrieben.»

4. Hebräer 5,8

«Obwohl er Sohn war, an dem, was er litt, den Gehorsam lernte.»

Jesus war der gehorsame Mensch, und sein Gehorsam ist ein so grosses Wunder, dass selbst die Engel hineinzuschauen begehren. Er ist «die Ausstrahlung seiner (Gottes) Herrlichkeit und der Abdruck seines Wesens» (Heb 1,3), der Schöpfer und Erhalter aller Dinge; «in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig» (Kol 2,9). Er musste nicht gehorchen, denn er war selbst der Herrscher. «Die Herrschaft ruht auf seiner Schulter» (Jes 9,6). Alle erschaffenen Wesen waren ihm unterworfen und schuldeten ihm Gehorsam. Selbst die Fische des Meeres bezeugten ihm ihre Anerkennung und ihren Gehorsam, als er in Niedrigkeit hier auf der Erde wandelte (Ps 8,7.9; Lk 5,4-7; Mt 17,27; Joh 21,6).

Als er sich freiwillig dergestalt erniedrigt hatte, dass er ein kleines Kind, ein Mensch wurde, befand er sich in einer Stellung und in einer Szene, wo Gehorsam am Platz war und ausgeübt werden musste. Aber es war nicht so, dass sein Wille gebrochen werden musste wie bei uns. Vielmehr war er durch sein Kommen in Gleichheit der Menschen in ganz neue Erfahrungen eingetreten, in denen Er, der stets nur zu gebieten hatte, praktisch kennen lernte, was Gehorsam bedeutet. Der Herr der Herrlichkeit, vor dem sich die ganze Schöpfung niederbeugt, wurde aus Liebe zu uns ein Knecht! Unbegreifliche Erniedrigung! Auf dem gleichen Schauplatz, wo der erste Mensch in Sünde fiel, indem er ungehorsam wurde, hat Er, der zweite Mensch, unter viel schwereren Bedingungen – weil die Sünde in der Welt war – seinen Charakter als der freiwillig Gehorsame «bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz» erwiesen und dadurch Gott völlig verherrlicht. Von dem Augenblick an, da er sich in Gethsemane freiwillig von sündigen Menschen binden liess, machte er deshalb keinen Gebrauch mehr von der göttlichen Kraft, über die er verfügte, um sich der ungerechten Behandlung seitens seiner eigenen Geschöpfe zu widersetzen. Sein Weg des absoluten Gehorsams inmitten eines Geschlechtes, das in Eigenwillen und Sünde lebte, brachte blinden Hass, Verfolgung und Leiden über Ihn. Aber keine Feindschaft, keine Verfolgung vermochten Ihn auf diesem Pfad aufzuhalten, was immer auch die Leiden waren, die dadurch über Ihn kamen. Vielmehr erwies sich gerade in diesen Leiden sein wahrer Charakter als der Gehorsame und Vollkommene. Nicht die Leiden bildeten oder formten seinen Charakter; sie erwiesen nur in voller Klarheit, wie und wer er war. Echtes Gold wird nicht erst durch das Feuer zum Gold gemacht, aber das edle Metall wird darin der Prüfung unterzogen, um zu beweisen, dass es wirklich das ist, wofür man es ausgibt. Allein in diesem Sinn sind die von Gehorsam und Leiden redenden Stellen zu verstehen, wenn man der Herrlichkeit seiner Person nicht Abbruch tun will.

5. Johannes 4,1-42

In Johannes 4 sehen wir Jesus ermüdet und hungrig am Jakobsbrunnen. Ein Wort aus seinem Mund hätte genügt, seine heiligen Engel, «die Gewaltigen an Kraft», herbeizurufen, um Ihm mit Speise und Erquickung in Überfluss zu dienen. Aber nicht auf diese Weise stillte er hier auf der Erde seine Bedürfnisse. Er sandte seine Jünger in die Stadt, um Speise zu kaufen, und er selbst bat eine arme, sündenbeladene Frau um einen Trunk Wasser. Aber weder Hunger noch Durst noch Müdigkeit hinderten Ihn daran, dieser Frau in Kraft und voller Frische die frohe Botschaft des Heils zu verkündigen und ihr selbst von dem Wasser des Lebens zu geben. Wer von uns könnte unter gleichen Umständen einen solchen Dienst für Gott tun?

6. 2. Korinther 13,4

«Wenn er auch in Schwachheit gekreuzigt worden ist.»

Bedeutet dies, dass er zu schwach war, seinen Feinden zu widerstehen? Oder, dass er gar ein Opfer von Umständen war? Ein Blick auf Johannes 18,6 zeigt uns klar, welche Wirkung seine erhabene Persönlichkeit und sein Wort auf seine Feinde hatte: Sie fielen zu Boden. Auch zeigt uns der Bericht in Matthäus 27,46.50, dass er nicht aus Erschöpfung, infolge der erlittenen Geisselung, der Dornenkrone und der Kreuzigung sein Leben aushauchte; er starb nicht wie die mitgekreuzigten Übeltäter. Im Gegenteil, kurz vorher noch «schrie Jesus auf mit lauter Stimme». Und auch die Begleiterscheinungen seines Todes offenbarten seine göttliche Macht und Herrlichkeit, und bewiesen, dass Er, der Fürst des Lebens, sein Leben mit Gewalt niedergelegt hatte, um es drei Tage später wieder zu nehmen. «Die Erde erbebte, die Felsen zerrissen und die Grüfte taten sich auf.» Dem römischen Hauptmann diente dieses alles zum Beweis dafür, dass Jesus wahrhaftig Gottes Sohn war.

Auch als er in Schwachheit gekreuzigt wurde, war er der, «der alle Dinge durch das Wort seiner Macht trug». Nicht für einen Augenblick zog er seine Hand vom Steuer des Weltalls zurück. Um uns zu erretten und durch sich selbst die Reinigung von den Sünden zu bewirken, liess er sich freiwillig in Schwachheit, in einer angenommenen Schwachheit kreuzigen, zu dem erhabenen Zweck, Gott durch unsere Errettung zu verherrlichen. Auf diese Weise hat er auch bewiesen, dass «das Schwache Gottes stärker ist als die Menschen» und dass dasselbe Kreuz, das für den natürlichen, menschlichen Verstand nur Schwachheit darstellt, jedem Glaubenden «Gottes Kraft und Gottes Weisheit» bedeutet (1. Kor 1,24.25).

Unergründlich gross ist das Geheimnis der kostbaren Person des Fleisch gewordenen Sohnes Gottes. Es geziemt sich für uns, vor der Erhabenheit und Herrlichkeit seiner Person anbetend und bewundernd Halt zu machen. Der Erstgeborene aus den Toten muss in allen Dingen den Vorrang haben (Kol 1,18). Er – Gott, offenbart im Fleisch, der wegen des Leidens des Todes unter die Engel erniedrigt war (Heb 2,9), ist auch als Mensch um so viel besser geworden als die Engel, als er einen vorzüglicheren Namen vor ihnen ererbt hat (Heb 1,4). Und sowohl als der Urheber unserer Errettung als auch in Bezug auf seine Prüfungen und Leiden, durch die er als «der zweite Mensch» hindurchgegangen ist, hat er den Vorrang vor allen Erlösten; in allem und zu jeder Zeit erwies er sich darin als der, der in seinen Vollkommenheiten alle anderen weit übertrifft und mit niemandem von den Menschensöhnen vergleichbar ist. Schoss Satan seine feurigen Pfeile gegen ihn ab, so erwies er sich als unverwundbar und unversuchlich. Jede Prüfung brachte neue Herrlichkeiten seiner Vollkommenheit ans Licht und befähigte ihn völlig zu dem Dienst der Liebe, zu dem er vom Vater gesandt war. In allem erwies sich in vollkommener, wunderbarer Weise seine Eignung als Gottes heiliges Opferlamm, als Gottes Knecht, als unser Heiland und Erlöser, als unser Sachwalter und Hoherpriester. Mit Ehrfurcht und Liebe stehen wir vor «dem Geheimnis der Gottseligkeit, Gott, offenbart im Fleisch».