«Alle Tage seiner Absonderung ist er dem HERRN heilig» (4. Mo 6,8).
Aus den Anfangskapiteln des vierten Buches Mose können wir verschiedene Anwendungen auf Kinder Gottes machen. Dabei entdecken wir einige wichtige Grundsätze.
In 4. Mose 1 haben wir eine allgemeine Übersicht über die wahren Israeliten. Die entscheidende Frage war: Wer gehörte wirklich dazu? Kennen wir unser Geburtsrecht, unsere Herkunft als Kinder Gottes? Damals zog viel Mischvolk mit den Israeliten. So war es wichtig, dass man diejenigen erkannte, die wahrhaft zum Volk Gottes gehörten. Möchten wir von Herzen dankbar sein für das Werk, das Gott in uns gewirkt hat, wodurch wir seine Kinder werden konnten.
In Kapitel 2 geht es um die Frage: Kennst du deinen Platz? Da sehen wir die Israeliten, wie sie sich um die Stiftshütte – ein wunderbares Vorbild der Eigenschaften und Herrlichkeiten Christi – lagerten. Sie sammelten sich nicht willkürlich um dieses Zentrum. Jeder Stamm nahm seinen von Gott bestimmten Platz ein. So sollte es unser Verlangen sein, den Platz zu erkennen, den der Herr jeden von uns zugedacht hat. Es steht uns nicht zu, ihn selber auszuwählen. Für den Stamm Levi gab es einen speziellen Platz. Gott anerkannte damit die besondere Treue, die dieser Stamm damals am Sinai bewiesen hatte (2. Mo 32,26).
Kapitel 3 zeigt die unterschiedlichen Funktionen der Söhne Levis in Verbindung mit der Stiftshütte während der Wüstenwanderung. – Hier könnte man fragen: Kennst du deine besondere Gabe? Vielleicht ist es nur ein kleiner Dienst, eine Hilfeleistung, und doch, wie nötig ist es, dass wir an unserem Platz stehen. Jeder der drei Söhne Levis und ihre Familien hatten einen anderen Teil der Stiftshütte abzubrechen, zu transportieren und wieder aufzurichten. Wenn es um Dinge Christi geht, hat jeder von uns eine heilige Verantwortung, seinen Dienst in Treue auszufüllen. Keiner ist ohne Aufgabe, aber keiner kann sich seinen Dienst selber aussuchen.
In Kapitel 6 handelt es sich nicht um eine Verpflichtung, auch nicht um etwas, das Gott uns zuteilt, sondern um das, was dem Herrn freiwillig aus unseren Herzen zukommt. Jeder wahre Israelit, ob Mann oder Frau, und unabhängig, zu welchem Stamm er oder sie gehörte, konnte den Wunsch haben, sich für den Herrn abzusondern. Längst nicht alle Israeliten waren Nasiräer. Es werden in der Schrift eigentlich nur sehr wenige erwähnt. Im Neuen Testament hingegen wird der Wunsch, in Liebe ganz für den Herrn zu leben, als «unser vernünftiger Dienst» bezeichnet (Röm 12,1). Trotzdem ist dieser «Dienst» freiwillig; aber der Herr sieht und anerkennt eine solche Hingabe an Ihn.
Im Gegensatz zur Zeit damals unter dem Gesetz Moses werden wir Christen ermahnt, keine Gelübde oder Versprechen einzugehen. Wenn wir uns nur ein wenig kennen, wird es uns sicher klar, dass wir das, was wir so leicht versprechen, gar nicht halten können. In der Anwendung von 4. Mose 6 auf unsere Zeit geht es daher nicht um Gelübde oder Versprechen unsererseits, sondern um wahre Hingabe an unseren Herrn.
Ein Nasir war also ein Abgesonderter für den Herrn. Das einzige vollkommene Beispiel einer solchen Person ist unser Herr selbst. Möchten wir mehr über Ihn nachdenken und Ihn nachahmen! Zu unserer Ermunterung wird in unserem Kapitel auch der Fall der Verunreinigung des Nasirs während der Zeit seiner Weihe und die gottgemässe Wiederherstellung behandelt. Deshalb sollten wir vor einer ganzen Hingabe an unseren Herrn keineswegs zurückschrecken, auch wenn wir unsere eigene Schwachheit mit Recht empfinden.
Diese Art von Weihe für den Herrn ist freiwillig und ganz persönlich. Die Worte wurden aber allen vorgelegt. Die Herausforderung betraf alle. Denken wir noch einmal an die Ausdrücke «heilig, abgesondert für den Herrn». Beachte das Wörtchen für. Im ganzen Kapitel wird die positive Absonderung, also die Heiligung für den Herrn, mindestens sechsmal erwähnt. Die Trennung von gewissen Dingen, d.h. das Wegreinigen hingegen, finden wir nur zweimal. Das steht im Gegensatz zu unseren natürlichen Ideen über Absonderung. «Tu nicht» ist nicht der Hauptgrundsatz eines abgesonderten Lebens. Er lautet vielmehr: Tu das, wozu die Liebe zum Herrn dich drängt, um Ihm wohlzugefallen. Ein wahrhaft geistliches Leben ist ein Leben, das vom Heiligen Geist, der uns zum Herrn hinführt, beeinflusst und gelenkt wird. Eine solche vom Geist geprägte Gesinnung ist nicht Gesetzlichkeit. Tatsächlich trägt Gesetzlichkeit sehr oft einen Hauch von Stolz, indem ich das betone, was ich nicht tue. Gesetzlichkeit tut alles in Übereinstimmung mit äusserlichen Regeln, wobei der innere geistliche Zustand oft sehr vernachlässigt wird.
Bei einem Nasir ist die Absonderung umfassend. Von Wein und starkem Getränk musste er sich enthalten. Den geistlichen Grundsatz finden wir in Epheser 5,18: «Berauscht euch nicht mit Wein … sondern werdet mit dem Geist erfüllt.» Wir denken hier nicht in erster Linie an sündige Dinge, die gemieden werden sollen, sondern um rechtmässige Dinge, die aber zu einem Hindernis werden können. Der Nasir verzichtet darauf, weil er ein positiveres Ziel anstrebt. Die Bereitschaft, auf Dinge, die an sich nicht falsch sind, für Ihn, unseren Herrn, zu verzichten, das ist das Kennzeichen wahrer Hingabe. Sieht man bei uns etwas davon? Es ist nicht unsere Sache, andere zu kritisieren in dem, was sie sich vor den Augen des Herrn erlauben. Es ist sehr leicht, sich über andere Gläubige zu stellen. Ich muss gegen mich selbst, nicht gegen andere, streng sein. Der Apostel Paulus spricht in Philipper 3 über Vorzüge seines vergangenen Lebens, die er nun «wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu» als Verlust achtete. Gesetzlichkeit war ihm völlig fremd. Das, was er früher wertgeschätzt hatte, wurde durch etwas viel Vorzüglicheres in den Schatten gestellt.
Ein wahrer Nasir offenbart also keinerlei Gesetzlichkeit. Wahre Hingabe hat nichts mit Askese zu tun, bei der das, worauf wir verzichten, als Verdienst betrachtet wird.
Mit der Weihe als Nasir war Schmach verbunden, denn 1. Korinther 11,14 sagt: «Lehrt euch nicht auch die Natur selbst, dass, wenn ein Mann langes Haar hat, es eine Unehre für ihn ist?» So wird es in Verbindung mit einer entschiedenen Absonderung für den Herrn und einer zielbewussten Hingabe an Ihn ein gewisses Mass an Schmach geben. Wir können uns nicht dem Herrn weihen, ohne dass die Besonderheit unseres Lebens sichtbar wird. Wir werden vielleicht als extrem belächelt. Aber besser so, als wenn manchmal die Ungläubigen nicht einmal merken, dass wir gläubige Christen sind. Wenn wir wirklich dem Herrn angehören, werden wir so etwas sicher nicht erwarten und auch nicht wünschen. Sind das nicht ernste Lektionen für uns?
An dem Tag, da sein Meister Elia von ihm weg in den Himmel genommen wurde, begehrte Elisa etwas Schweres. Er bat um ein zweifaches Teil vom Geist Elias. Da er Elia wirklich sah, als er von ihm schied, durfte er sein Gebet als erhört betrachten (2. Kön 2). Als die Söhne der Propheten ihn zurückkehren sahen, war es offensichtlich, dass Gott seine Bitte erhört hatte. Sie sprachen: «Der Geist des Elia ruht auf Elisa!» Können solche, die uns beobachten, äusserlich etwas von unserer Herzenseinstellung wahrnehmen? Wird unsere aufrichtige und rückhaltlose Hingabe an den Herrn Jesus in der Art und Weise, wie wir leben, sichtbar?
Ein Nasir gibt seine Würde und seine Rechte auf. Er verzichtet auf vieles für Christus. Wie viel ihn dies selbst kostet, daran denkt er wenig. – Der Nasir bewegt sich in einer Umgebung, die vom Tod geprägt ist und wo die verunreinigenden Einflüsse vorherrschend sind. Soweit es ihn betrifft, geht er ihnen aus dem Weg. Aber so, wie der Rauch an den Kleidern eines Nichtrauchers hängt, wenn er einen Ort verlässt, wo geraucht wurde, und man dies auch merkt, so hängt die Unreinheit an Menschen und beeinflusst sie. Zuweilen ist eine Verunreinigung unvermeidbar, – wenn z.B. im Haus eines Nasirs jemand unversehens starb. Niemals aber sollten wir uns bewusst in Gefahr begeben. Wir benötigen Feingefühl für das, was dem Herrn missfällt, und wir brauchen Reinigung, wenn wir der Unreinheit zu nahe kommen.
Von Vers 9 an geht es um Versagen und Wiederherstellung. Wie schlimm stände es um uns, wenn keine Wiederherstellung möglich wäre. Aber Gott hat in seiner Gnade Vorsorge getroffen. Versagen kommt leider vor. Wir müssen jedoch auf der Hut sein, damit wir nicht unnötig in Schwierigkeiten kommen. Aber wenn wir versagt haben, was dann? Lies die Verse 9 und 10. Sowohl am siebten wie am achten Tag musste etwas unternommen werden. Warum die Verzögerung bis zum siebten Tag? Nach der Verunreinigung ist eine Wartezeit nötig. Es wäre verkehrt, wenn eine schnelle Wiederherstellung dazu führen würde, es mit der Sünde leicht zu nehmen. In Gottes Augen ist Sünde etwas Schwerwiegendes. Wir brauchen Zeit, um das auch so zu fühlen. Aber eine volle Wiederherstellung und ein Neubeginn sind möglich. Das kann «am achten Tag» erfolgen, nachdem der Fehltritt wirklich erkannt und bekannt worden ist. Wie gnädig ist Gott! Micha 7,8 drückt dieses Vertrauen zu Ihm wie folgt aus: «Denn bin ich gefallen, so stehe ich wieder auf.»
Im Neuen Testament finden wir in Johannes Markus ein treffendes Beispiel eines Dieners, der versagt hat und wiederhergestellt worden ist. Es gab eine Zeit, da er sich vom Dienst zurückzog (Apg 13,13; 15,38). Später wurde er wiederhergestellt, so dass Paulus ihn einen Mitarbeiter nennen konnte. Am Ende seines Lebens bat Paulus den Timotheus dringend: «Nimm Markus und bring ihn mit dir, denn er ist mir nützlich zum Dienst» (2. Tim 4,11). Lasst uns zudem daran denken, dass Markus, der einst so versagt hatte, das Evangelium von dem wahrhaft gottgeweihten und unfehlbaren Diener schreiben durfte.
Was musste der Nasir am achten Tag tun, am Tag, da er seine Weihe neu beginnen konnte? Er hatte gewisse Opfer zu bringen, und zwar in aller Öffentlichkeit (an den Eingang des Zeltes der Zusammenkunft). So mag es Versagen im Leben geben; aber ein Leben, das wiederhergestellt und von neuem dem Herrn geweiht wird, kann einen segnenden Einfluss auf alle ausüben, die es sehen.
Erstaunlicherweise kann Gott die Verfehlungen, wenn sie bekannt und verurteilt werden, zum Segen wenden, so dass alles zu seiner Ehre ausschlägt. Die Grundlage zu einer neuen entschiedenen Hingabe an den Herrn ist das Opfer des Herrn selbst. Dabei spricht das Sündopfer von Sühnung, die infolge der Verunreinigung nötig ist, und das Brandopfer redet von der Vorzüglichkeit dessen, der Gott in allem wohlgefallen hat.