Über das Schicksal des Menschen nach dem Tod herrschen heute in unseren christlichen Ländern ganz verschiedene Ansichten. Teils stützt man sich dabei auf kirchliche Traditionen, teils gibt man dem offenen Unglauben Ausdruck, der das christliche Gedankengut immer deutlicher übertönt Dabei gibt das Wort Gottes, die Bibel, klare und unmissverständliche Angaben über das, was mit dem Menschen nach seinem Ableben geschieht. Die Bibel stützt nur zum Teil die immer noch gängige Auffassung, dass die Verstorbenen «in den Himmel» kommen.
In Lukas 16,22-31 lüftet der Herr Jesus den Schleier, der über dem Jenseits hängt, und zeigt uns, dass das Leben der menschlichen Seele mit dem Tod nicht abgeschlossen ist. Doch gehen die Menschen keineswegs alle an den gleichen Ort, wie das auch schon behauptet wurde (vgl. Hiob 3,13-19). Der reiche Mann in der Erzählung des Herrn, der sein Leben lang nie Zeit gehabt hatte für das Wort Gottes und seine Gnade verschmähte, schlug seine Augen im Hades auf. Lazarus, im Leben arm und elend, aber gläubig an Gott (sein Name bedeutet «Gott hilft»), wurde von den Engeln in den Schoss Abrahams getragen.
Bevor wir uns ausführlich mit dem Aufenthaltsort der gläubigen Seele beschäftigen, wollen wir kurz betrachten, welches Schicksal die Ungläubigen trifft. Das Wort Gottes macht uns dazu einige wenige Angaben. Sie genügen aber, uns den ganzen Ernst der Zukunft derer zu zeigen, die sich in diesem Leben keine Zeit nehmen, Buße zu tun, ihre Sünden und ihr ganzes sündiges Leben ohne Gott Ihm zu bekennen und zum Herrn Jesus und seinem stellvertretenden Werk am Kreuz von Golgatha Zuflucht zu nehmen. Lukas 16,22.23 zeigt uns nicht die ewige Verdammnis, sondern was unmittelbar nach dem Tod geschieht.
Vom reichen Mann wird gesagt, dass er «in Qualen» war. Er selbst bezeugt, dass er Pein leide in dieser Flamme. Von einer seligen Ruhe oder einem Schlafen der Seele kann also keine Rede sein. Der reiche Mann bittet Abraham um Erleichterung, die ihm aber nicht gewährt werden kann. Auf den Gedanken, er könne jenen Ort verlassen kommt er schon gar nicht. Daraus geht eindeutig hervor, dass es im Jenseits keine Buße und Bekehrung, aber auch keine Veränderung des qualvollen Zustandes der Ungläubigen mehr geben wird. Auch wird dort das Evangelium der Gnade Gottes nicht mehr verkündigt, denn dort besteht eine grosse Kluft zwischen den Gläubigen, die heute dieses Evangelium zu verkündigen haben, und den Ungläubigen, «damit die, die von hier zu euch hinübergehen wollen, nicht können», wie Abraham sagt.
Die Ungläubigen werden jenen Ort der Qual erst dann verlassen, wenn sie vor den grossen weissen Thron treten, um dort von dem gerichtet zu werden, der hier auf dieser Erde ihr Retter sein wollte. Ihr Ende wird in dem Feuersee sein, dem zweiten Tod, dem Zustand der ewigen Gottferne (Off 20,11-15; 21,8).
Betrachten wir nun das Teil der entschlafenen Gläubigen, zu denen Lazarus gehört. Da der Herr Jesus in Lukas 16 zu einem jüdischen Publikum sprach, gebrauchte Er auch eine Bildersprache, die seine Zuhörer verstehen konnten. So wird der Aufenthaltsort des entschlafenen Lazarus der «Schoss Abrahams» genannt. Für den Juden war dieser Ausdruck der Inbegriff der Glücks und des Segens. Dieser Ort war sofort nach seinem leiblichen Tod das Teil des Lazarus.
Nebenbei bemerkt: Die Tatsache, dass Lazarus nach seinem Tod mit demselben Namen benannt wird, zeigt uns deutlich, dass er, obwohl ausserhalb des Leibes, immer noch dieselbe Person war. Er wird es auch nach seiner leiblichen Auferstehung und in alle Ewigkeit sein.
Lazarus wurde im Schoss Abrahams getröstet über alles, was er in seinem Leben zu leiden hatte. Auch erlaubte es Gott nicht, dass er nochmals auf diese Erde zurückkommen musste, um den Brüdern des reichen Mannes die Buße zu predigen.
In Lukas 23,43 zeigt uns der Herr Jesus noch viel klarer, wo die Seinen sind, die diese Erde verlassen haben. «Heute wirst du mit mir im Paradies sein», sagte Er zu einem, der in dem Gekreuzigten den Reinen und Unschuldigen erkannte. Zu Ihm nahm der gehenkte Übeltäter Zuflucht, indem er sich selbst verurteilte und Gott rechtfertigte. Aufgrund seines Werkes am Kreuz konnte ihm der Herr Jesus einen Ort verheissen, der den gleichen Namen trägt wie der Platz, den der erste Mensch einst durch seinen Unglauben und seinen Ungehorsam verwirkt hatte: das Paradies. Er sollte aber nicht allein dorthin gehen, nein, er durfte die Seele seines Herrn dorthin begleiten, und zwar als eine Frucht der Mühsal seiner Seele.
Damit wird auch gleich klar, dass die Seele unseres Herrn in der Zeit, als sein heiliger Leib im Grab lag, keineswegs in der Hölle war. Denn das würde ja bedeuten, dass das Paradies in der Hölle sei. Gewiss lesen wir in Apostelgeschichte 2,27.31, dass vom Herrn Jesus prophetisch gesagt ist, dass Gott seine Seele nicht im Hades lassen würde. Dieser scheinbare Widerspruch lässt sich aber leicht lösen, wenn wir den Ausdruck «Hades» nicht als eine Ortsbezeichnung auffassen, sondern vielmehr als den Zustand der Seele, die von ihrem Leib getrennt ist. Dieser Zustand ist Gläubigen und Ungläubigen gemein, was aber noch lange nicht heisst, dass sich ihre Seelen am selben Ort befinden.
Vielmehr sagt uns Gottes Wort selbst, wo sich das Paradies befindet, wo der Herr Jesus nach seiner Kreuzigung war und wo auch die Seinen sind, die bis zum Tag des Kommens des Herrn zur Entrückung der Seinen durch den Tod gehen. In 2. Korinther 12,24 erzählt uns der Apostel Paulus, wie er bis in den dritten Himmel, in das Paradies, entrückt wurde. Das Paradies, dieser Ort unaussprechlicher Glückseligkeit, die der Mensch auf dieser Erde gar nicht ertragen könnte, befindet sich also im ungeschaffenen Himmel (im Gegensatz zur Erdatmosphäre und zum Weltall). Paulus wusste nicht, ob er im Leib oder ausser dem Leib dort gewesen war. Daraus scheint zu folgen, dass der Besitz des Leibes für den Aufenthalt an jenem Ort keine notwendige Voraussetzung ist. So ist auch das Argument ungültig, das besagt, der Herr könne nicht in jenem himmlischen Paradies gewesen sein, da Er ja erst später in den Himmel aufgefahren sei. Er war eben im Geist dort (Lk 23,46). Später aber ist Er als der Auferstandene mit einem verherrlichten, menschlichen Leib in den Himmel aufgefahren.
Das Paradies wird auch noch in Offenbarung 2,7 erwähnt, wo der Herr Jesus verheisst: «Dem, der überwindet, dem werde ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, der in dem Paradies Gottes ist.» Das Paradies bleibt also auch dann bestehen, wenn der Tod und der Hades in dem Feuersee ein Ende genommen haben werden. Beide, Tod und Hades, sind Folgen der Sünde: der Tod, der den Leib fordert, der Hades als Zustand der vom Leib getrennten Seele. Die, die dem Evangelium Gottes nicht gehorcht haben, werden zum Gericht auferstanden sein (Joh 5,29) und ihren ewigen Aufenthalt im Feuersee gefunden haben, wo auch der Teufel und seine Engel sind (Mt 25,41).
Die Erlösten werden dann auferstanden oder verwandelt sein und, mit einem Herrlichkeitsleib bekleidet, in die glückselige Gegenwart des Herrn eingetreten sein, bei dem sie für immer bleiben werden (1. Thes 4,17). Doch auch die schon entschlafenen Gläubigen sind jetzt beim Herrn, bei Christus, wo es weit besser ist (Phil 1,23) und wo sie wie wir, die lebenden Gläubigen, das Kommen des Herrn Jesus Christus erwarten, «der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit» (Phil 3,21). Dann werden auch wir, die wir noch hier sind, das erfahren, was die Entschlafenen jetzt schon geniessen, dass das schnell vorübergehende Leichte unserer Drangsal uns ein über jedes Mass hinausgehendes, ewiges Gewicht von Herrlichkeit bewirkt (2. Kor 4,17), und «dass die Leiden der Jetztzeit nicht wert sind, verglichen zu werden mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll» (Röm 8,18).
Wie ernst und tröstlich spricht doch das Wort Gottes zu uns! Ernst zu allen denen, die bis jetzt noch nicht mit ihrer Schuld und ihrem sündigen Leben zum Herrn Jesus gekommen sind. Er, der «die Schlüssel des Todes und des Hades» hat (Off 1,18), wird sie einst aus den Gräbern rufen, nachdem ihre Seelen schon in Pein gewesen sind. Sie werden vor Ihm als dem Richter erscheinen müssen, und keiner wird seiner gerechten Strafe entgehen. Heute ruft der Herr Jesus noch jeden auf, mit einem rückhaltlosen Bekenntnis seiner Schuld zu Ihm zu kommen, um Vergebung und ewiges Leben zu empfangen.
Ewigen Trost und Hoffnung, die nicht trügen kann, flösst das zuverlässige Wort Gottes allen denen ein, die dem Herrn Jesus geglaubt haben. Ja, der Herr will nicht, dass sie sich beim Heimgang eines ihrer Lieben betrüben, «wie auch die Übrigen, die keine Hoffnung haben» (1. Thes 4,13). «So ermuntert nun einander mit diesen Worten» (1. Thes 4,18).