Asaph war ein Leiter des Gesangs im Haus Gottes. In der Bibel sind ein Dutzend Psalmen mit seinem Namen überschrieben. Meistens haben sie die Stimme des Volkes im Lob Gottes, im Gebet und in der Klage über die Gottlosen zum Gegenstand.
Psalm 73 jedoch redet von einer persönlichen Erfahrung, die er gemacht hat. Er sah beim Überblicken des Volkes, wie Gott zwischen den Gottesfürchtigen und den Gottlosen in der Anwendung von Züchtigungen Unterschiede machte. Aber nicht, wie er erwartet hatte, zum äusseren Vorteil der Seinen, sondern, wie ihm schien, zu deren Nachteil. Er selbst konnte dies bezeugen: Er hatte «sein Herz gereinigt und seine Hände in Unschuld gewaschen», doch wurde er trotzdem «den ganzen Tag geplagt» und «jeden Morgen war seine Züchtigung da» (Verse 13 und 14).
Auch die Ungläubigen des Volkes konnten feststellen, dass Gott sie mit solchen Züchtigungen verschonte. Es gab Gottlose in Israel, die in Wohlfahrt lebten. Ihr Leib war wohlgenährt, und es mangelte ihnen nichts. Einige von ihnen hatten auch beim Tod keine Qualen. Die Umstände waren ihnen nicht entgegen. Da sie nicht durch Glauben lebten, wurden sie nicht verfolgt und «mit
den Menschen nicht geplagt». Ihre sündige menschliche Natur konnte sich ungehindert ausleben. Daher kennzeichnete sie grenzenloser Hochmut, Gewalttat und Bosheit.
Viele in Israel liessen sich beim Anblick von solch scheinbarem Wohlergehen zur gleichen Gottlosigkeit verleiten.
Asaph, der zur Zeit Davids lebte (1. Chr 16,7), beneidete eine Zeitlang diese «Übermütigen». Er vermochte das Handeln Gottes nicht zu begreifen, weil er wohl erwartete, Gott werde die Wege des Gottesfürchtigen vor allem mit Segen belohnen. Das Buch der Sprüche bestand noch nicht, worin er die Worte hätte finden können: «Mein Sohn, achte nicht gering des Herrn Züchtigung, noch ermatte, wenn du von ihm gestraft wirst. Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er; er geisselt aber jeden Sohn, den er aufnimmt» (Heb 12,5.6; Zitat aus Sprüche 3,11.12).
Der Apostel jedoch nimmt in Hebräer 12,4-11 auf diese Stelle Bezug und wendet sie auf uns an, die wir heute durch Glauben tatsächlich Kinder Gottes geworden sind. Er betont:
- dass es ein Beweis der Liebe Gottes zu seinem Kind ist, wenn Er es seiner Zucht oder Erziehung unterwirft;
- dass Er keine Ausnahme macht; Er geisselt jeden Sohn, den Er aufnimmt;
- dass Er zum Nutzen züchtigt, damit wir – praktisch – seiner Heiligkeit teilhaftig werden. Nur Heiligkeit ermöglicht unsere Gemeinschaft mit Ihm, aus der «die Frucht der Gerechtigkeit» hervorkommt.
- Keines seiner Kinder soll daher seine Züchtigung gering achten oder unter ihr ermatten, denn sie geht vonseiten Gottes immer aus Liebe, nicht aus Zorn hervor.
Obwohl sich Asaph nicht in unserer christlichen Stellung befand und Gott nicht als seinen Vater kannte, tat er doch das einzig Richtige: Er ging mit all seinen Fragen in die Heiligtümer Gottes hinein (Ps 73,17). Da zeigte sich ihm alles in einem ganz anderen Licht. Da sah er vor allem, was aus diesen Gottlosen und ihrer Wohlfahrt in der Zukunft werden würde:
- Ihr Leben auf der Erde kommt zu einem Ende (V.17);
- Gott stürzt sie hin zu Trümmern (V.18);
- sie hatten nur auf ihren Wohlstand gebaut und nur ihren Erfolg auf der Erde vor Augen. Dann aber sind sie plötzlich verwüstet und umgekommen durch Schrecknisse (V. 19).
- Ihr Traum von Grösse, Macht und Lebensgenuss ist dann aus. Sie sind sich dann bewusst, dass sie in erbärmlicher Blösse vor Gott stehen und Er sie endgültig verurteilen muss (V. 20).
Asaph, dessen Herz sich beim Anblick des Wohlergehens der Gottlosen erbittert hatte, hat jetzt seine Lektion gelernt (V. 21,22). Mochte sich auch in seinen Umständen und in Gottes Erziehungswegen mit ihm wenig geändert haben, so war er doch ganz auf Gottes Seite getreten. Sein Leben wird gegenüber dem der Gottlosen fortan ganz anders verlaufen.
Im Glauben weiss er, dass ihn der Herr bei seiner rechten Hand erfasst hat, um ihn durch seinen Rat – nicht durch seinen Griff – zu leiten. Abhängigkeit und Gehorsam werden von nun an, so schwach alles sein mag, seinen Weg bestimmen, der zur wunderbaren Herrlichkeit emporführt (V. 23,24).
Dort hinauf hält der Psalmist jetzt seine Blicke gerichtet und kann triumphierend fragen: «Wen habe ich im Himmel?» Die Antwort auf diese Frage ist ausschlaggebend. Seine Gemeinschaft mit Gott ist ihm so wirklich geworden, dass er bekennen kann: «Neben (oder getrennt von) dir habe ich an nichts Lust auf der Erde» (V. 25).
Sein Glaube ist so befestigt, dass er angesichts des Todes, der einmal kommen würde, sagen kann: «Vergeht mein Fleisch und mein Herz – der Fels meines Herzens und mein Teil ist Gott auf ewig» (V. 26). Sein grösster Besitz, den sein Herz kennt, kann ihm auch dann nicht genommen werden, weil sein Teil auf ewig in Gott verankert ist.
Wie viel können wir doch aus der Erfahrung dieses alttestamentlichen Gläubigen lernen, dem weniger Licht gegeben war als uns. Es blieb ihm eingeprägt «Ich aber, Gott zu nahen ist gut für mich; ich habe meine Zuversicht auf den Herrn, HERRN, gesetzt.» Dabei hat er aber jene nicht vergessen, «die treulos von Gott abwichen». Wenn jene ihm zuvor durch ihr böses Beispiel schadeten, so wollte er ihnen ein gutes Beispiel sein und alle Taten Gottes erzählen (V. 27,28). Möge er uns auch darin ein Ansporn sein.