Auf dem alten Tempelplatz in Jerusalem ist emsiges Treiben. Tausende von Männern sind am Werk, den Schutt wegzuräumen; denn das Haus des HERRN, das so viele Jahre verwüstet lag, soll wieder aufgebaut werden. Gott hat sie zu diesem Zweck aus der babylonischen Gefangenschaft befreit und ihren Geist für diese Aufgabe erweckt (Esra 1,5).
Es ist ein herrliches Werk, zu dem Gott sie jetzt benützen will. Man denke sich: Gott beabsichtigt nun wieder in der Mitte des zurückgekehrten Überrestes seines Volkes zu wohnen! Es gibt nun wieder einen Ort, wo man sich zu Ihm hin versammeln kann! Der Altar soll nun wieder an seiner Stätte aufgerichtet werden, als Zeuge der Einheit des Volkes Gottes, und sofort wird dann der Gottesdienst wieder aufgenommen werden können! (Esra 3,3-6). Und dann wieder einen Tempel zu haben! – Die Leviten führen Aufsicht über das Werk des Hauses des HERRN, damit ja alles nach den Anordnungen Gottes geschieht, die in seinem Wort geschrieben sind (Esra 3,8-9).
Je mehr sich die Bauleute in diese Gedanken vertiefen, desto frischer geht ihre Arbeit vonstatten. Und während sie den Grund zum Tempel des HERRN legen, kommen die Priester und Leviten und heben einen Wechselgesang an mit Lob und Dank dem HERRN, in den schliesslich das ganze Volk mit grossem Jubelgeschrei einstimmt. –
Aber einige Zeit später ist der Tempelplatz leer! Quadersteine und Balken liegen verlassen da! Vom Lobgesang ist nichts mehr zu hören. – Ach, die Feinde sind da gewesen und haben es durch Gewalt fertiggebracht, den Bau am Haus Gottes stillzulegen. Und den Bauleuten hat der Glaube gefehlt, im Vertrauen auf Gott weiterzubauen (Esra 4). Wie traurig!
Mit der Zeit fanden sich die Bauleute damit ab. So fanden sie nun wenigstens Zeit, sich ihren eigenen Häusern zu widmen. Diese mussten auch renoviert werden. Sie mussten ja auch säen und ernten und um Lohn arbeiten. Je mehr sie sich zu Hause umsahen, desto mehr Grund und Ursache fanden sie, hierzubleiben. Schliesslich sagten sie sich ganz offen: «Die Zeit ist nicht gekommen, die Zeit, dass das Haus des HERRN gebaut werde» (Hag 1,2). Vielleicht später einmal!
Was sagt Gott dazu? – Eines Tages erscheint bei den Verantwortlichen des Volkes ein ernster Mann. Es ist Haggai, der Prophet. Er kommt mit einer Botschaft des HERRN: «Dieses Volk spricht: Die Zeit ist nicht gekommen, die Zeit, dass das Haus des HERRN gebaut werde … Ist es für euch selbst Zeit, in euren getäfelten Häusern zu wohnen, während dieses Haus wüst liegt? … Richtet euer Herz auf eure Wege! Ihr habt viel gesät und wenig eingebracht; ihr esst, aber nicht zur Sättigung; ihr trinkt, aber nicht zur Genüge; ihr kleidet euch, aber es wird keinem warm; und der Lohnarbeiter erwirbt Lohn für einen durchlöcherten Beutel. So spricht der HERR der Heerscharen: Richtet euer Herz auf eure Wege! Steigt auf das Gebirge und bringt Holz herbei und baut das Haus, so werde ich Wohlgefallen daran haben und verherrlicht werden, spricht der HERR» (Hag 1,2-11).
Heute gibt es auf der ganzen Erde kein einziges Haus von Holz oder Stein, von dem Gott sagen könnte: Das ist mein Haus. Nicht in den Domen und Kirchen, auch nicht in den Kapellen und Versammlungsräumen hat Er seine Wohnung aufgeschlagen, wenn vor der Türe ein noch so grosses Schild angeheftet wäre. Er wohnt da, wo Er will, nicht wo wir Menschen wollen.
Seit bald zweitausend Jahren besitzt Er einen Tempel eigener Art hier auf der Erde. Es ist eine Behausung Gottes im Geist. Jesus Christus ist der Eckstein, auf dem dieses ganze Gebäude ruht, und wir Kinder Gottes aller Rassen und Sprachen sind das Material, aus dem der ganze Bau zusammengefügt wird (Eph 2,19-22). Wir werden als lebendige Steine aufgebaut zu einem geistlichen Haus (1. Pet 2,4.5). Nicht wir Menschen haben diesen Bau geplant und ausgeführt; es sind Gottes Gedanken und Gottes Geist, die ihn zustande gebracht haben. Wir sind Gottes Bau (1. Kor 3,9).
Aber Gott will uns brauchen, an seinem Bau mitzuhelfen. Er weist jedem von uns eine Aufgabe zu, und wäre es nur ein Handlangerdienst. Da ist kein Kind Gottes, das sagen könnte: Ich bin dienstfrei in seinem Haus. Doch sei es gleich vorweg gesagt: «Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut» (1. Kor 3,10). Jene Bauleute sind Ihm nützlich, die sich bei der Arbeit genau an seine Pläne halten und sich immer wieder fragen: Stimmt mein Dienst in allem mit Gottes Wort und Willen überein? Es sind seine Gedanken, die Er verwirklicht haben will, nicht unsere Gedanken und Gefühle.
Stellen wir uns einmal die Lage eines Bauherrn vor, dessen Bauleute sich weder um seine Pläne noch um seinen Willen kümmern! Die Fuhrleute bringen die falschen Backsteine, die Handlanger tragen statt Mörtel Wasser herzu, und die Maurer bauen die Mauern ganz nach ihrem Gutdünken auf! Was nützt es dem Bauherrn, wenn sie es dabei alle gut meinen? Er will und darf verlangen, dass jeder, der an seinem Haus arbeitet, sich genau an seine Pläne hält.
So dürfen wir Evangelisten sein, die Baumaterial herbeibringen, oder Hirten und Lehrer, die für das Wohlergehen und den Aufbau des einzelnen wie auch des ganzen Hauses Gottes bemüht sind, gemäss der uns verliehenen Gnadengabe, entsprechend den Anordnungen Gottes. Nicht an irgendeinem menschlichen religiösen System wollen wir mitbauen, sondern am Haus Gottes.
Auch wir Bauleute am heutigen Hause Gottes müssen es offen zugeben: Der Feind ist da gewesen. Viele von uns haben aufgehört zu bauen. Auf dem vom Wort Gottes bezeichneten Bauplatz ist es so still!
Wenn ein Haggai zu uns gesandt wäre, würde er wohl auch auf unsere Häuser hindeuten und ausrufen: Ihr lauft jeder für sein eigenes Haus, während das Haus Gottes wüst liegt? (1,9). Das wäre aber schlimm! Mahnt uns doch der Herr Jesus selbst so sanft und eindringlich: «Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, und dies alles (Nahrung und Kleidung und was irgend ihr und euer Haus zum Leben braucht) wird euch hinzugefügt werden» (Mt 6,33). Das ist seine Verheissung!
Wenn wir nicht mehr oder nicht mehr so fleissig am Haus Gottes bauen, so hat das aber noch einen anderen Grund. Es fehlt uns dann auch am Glauben. Die Schwierigkeiten sind uns zu zahlreich. Der Widerstand des Feindes ist uns zu stark. Viele alte, treue Diener werden heimgerufen und die Zurückgebliebenen erschlaffen. Und wenn ein anderer seine Schaufel wegwirft, werde auch ich entmutigt und lege meine Kelle weg. Es ist so schmerzlich, allein zu sein. Und wer nur nach Gottes Plänen bauen will, fühlt sich oft allein.
Wie aber können wir den Glauben wieder finden zu dem Werk, das Gott den Seinen aufgetragen hat?
- Abrahams Glaube erstarkte, weil er auf Gottes Stimme hörte und ihr gehorchte.
- Mose war standhaft, weil sein Auge nicht auf die Menschen, sondern auf den Unsichtbaren gerichtet war.
- David besiegte Goliath, weil er im Namen des HERRN gegen ihn kämpfte.
Der Glaube hat es nur mit Gott zu tun und gehorcht Ihm.