Im ernsten Flehen für andere vor Gott zu sein, ist ein Liebesdienst, den jeder Gläubige ausüben kann; ihn aber mit geistlicher Kraft und mit Erfolg auszuüben, erfordert einen treuen Wandel mit Gott und Absonderung von der Welt, wie wir dies an dem Beispiel von Abraham und Lot sehen. Niemand kann einen anderen aus einem Sumpf herausziehen, wenn er selbst darin steckt. Abraham war ausserhalb von Sodom in Gemeinschaft mit Gott, Lot war in Sodom, aber ohne Gemeinschaft mit Ihm.
Sodom wird in der Schrift als ein Bild der Welt gebraucht, der das Gericht droht, ja, über die es jeden Augenblick hereinbrechen könnte, obwohl die Barmherzigkeit Gottes bis jetzt damit noch gezögert hat.
In Abraham sehen wir einen seiner Berufung treuen Gläubigen, einen, der im Geist ausserhalb dieser Welt lebt, einen Bürger des Himmels, der auf der Erde ein Pilger und Fremdling ist, dessen Herz droben weilt, wo seine Heimat und sein Teil ist.
Lot stellt auch einen Gläubigen dar. Die Gnade Gottes bemühte sich um ihn und errettete ihn von dem Gericht, das Sodom traf, gerade wie jetzt jeder Gläubige von dem Gericht über diese Welt errettet werden wird (1. Kor 11,32).
Doch ist das nicht alles, was Gott mit uns will. Wir lesen in Galater 1,4, dass der Herr Jesus Christus «sich selbst für unsere Sünden gegeben hat, damit er uns herausnehme aus der gegenwärtigen bösen Welt, nach dem Willen unseres Gottes und Vaters». Wir sollen deshalb nicht zufrieden bei der Erkenntnis stehenbleiben, dass wir nie ins Gericht kommen werden (Joh 5,24), so herrlich dies auch ist, sondern schon jetzt in Denkweise und äusserem Benehmen von der Welt verschieden sein, und von dem, was sie uns bieten kann, nicht geblendet oder angezogen werden. «Liebt nicht die Welt noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt liebt, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm; denn alles, was in der Welt ist, die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens, ist nicht von dem Vater, sondern ist von der Welt» (1. Joh 2,15.16). Die Liebe zur Welt raubt dem Kind Gottes den Genuss der Liebe des Vaters, sie raubt ihm die Fähigkeit, ein Zeugnis für Christus zu sein, und auch in geistlicher Kraft für andere zu bitten. Und wodurch könnte es für einen solchen Verlust schadlos gehalten werden?
Die Lichtseiten, die Lots Geschichte noch aufweist, hängen mit der unwandelbaren Gnade und Treue Gottes zusammen, der «kennt, die sein sind» (2. Tim 2,19), und der «die Gottseligen aus der Versuchung zu retten weiss, die Ungerechten aber aufzubewahren auf den Tag des Gerichts, damit sie bestraft werden» (2. Pet 2,9). Doch als welch ein Krüppel in moralischer Beziehung zeigt sich uns Lot überall auf der Seite der Verantwortlichkeit. Anders als Abraham, der sich von Sodom fernhielt, ging Lot dahin, wo kein Friede für ihn zu finden war, noch Kraft, um wirksam gegen das Böse zu zeugen, durch das seine gerechte Seele Tag für Tag gequält wurde. So kam es, dass, als er zuletzt gezwungen war, in Bezug auf das kommende Gericht die warnende Stimme zu erheben, seine Schwiegersöhne meinten, als triebe er Scherz! Oh, wie ernst ist dies und welch eine Warnung für alle, die den Namen des Herrn nennen. Möge doch jedes von uns frei zu werden suchen von allem, was unsere Gemeinschaft mit Gott hindert, uns zu seinem Dienst untauglich und unsere Ohren taub macht für den Ruf: «Siehe, der Bräutigam! Geht aus, ihm entgegen!»
Lot wurde durch die «Lust der Augen» nach Sodom gezogen und musste von dort wieder herausgezogen werden durch die Hand der Engel, die Gott auf Abrahams Gebet sandte. Und bald nachdem Abrahams Fürbitte aufgehört und Lot die Stadt verlassen hatte, kam Feuer vom Himmel und zerstörte sie samt ihren schuldigen Einwohnern. Ein Beispiel jenes schrecklichen, ewigen Gerichts, das alle erreichen wird, die dem Evangelium unseres Herrn Jesus Christus nicht gehorchen (Judas 7; 2. Thes 1,8).
Wenig wissen die Tausende von Unbekehrten um uns her, wie vieles sie dem Flehen und der Fürbitte der Kinder Gottes zu verdanken haben, wenn Gott noch immer seine Barmherzigkeit walten lässt, den Tag der Gnade für sie verlängert und ihnen auch im Zeitlichen viel Gutes schenkt, das sie erfreut, obwohl sie leider dabei vergessen, wessen Gabe alles ist (1. Tim 2,1; Jak 1,17).
Doch wie bald, wie bald wird es mit diesem allem vorbei sein, denn der Tag der Gnade, der geöffneten Tür, der Fürbitte der Heiligen – alles das geht zu Ende und sie selbst werden von der Erde abberufen, um beim Herrn zu sein. Wie Abraham, der vom Platz aus, wo er vor dem Herrn gestanden, den Rauch der Städte aufsteigen sah, so werden auch die Gläubigen es einst sehen, wenn ein Gericht nach dem andern über die verlorene Welt hereinbrechen wird. Wie viele Menschen werden an jenem Tag aufwachen, wenn es zu spät ist, und den Bergen zurufen, über sie zu fallen und sie zu verbergen vor dem Angesicht dessen, der auf dem Thron sitzt und vor dem Zorn des Lammes!
Liebe Miterlöste, bedenken wir es doch, dass jetzt die Zeit ist, da Sünder errettet werden können, jetzt die Zeit, für sie zu bitten. Einmal wird sie aufhören. Der Mann, der so ernst für Sodom und Gomorra flehte, hörte doch zuletzt in seiner Fürbitte auf, und dann nahm das Gericht seinen Lauf, während er selbst sich in Ruhe und Sicherheit befand. Hier unten ist der Ort, Tränen zu vergiessen über Sünder, die in ihr Verderben rennen, hier der Ort, inbrünstig für sie zu beten. Droben wird das alles vorüber sein, der Tag der Tränen und der Fürbitte. Möchte doch jeder Errettete sehnlich danach verlangen, andere dem Verderben zu entreissen, und um ihre Errettung zu Gott rufen. Wenn auch wir leider oft so gleichgültig darüber sind, so liegt sie Ihm doch am Herzen. Er will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Möge sich doch kein Hindernis bei uns finden, dass wir nicht inbrünstig im Glauben für sie beten, und dann auch das rechte, eindringliche Wort zur rechten Zeit zu ihnen sprechen können!