Im 1. Kapitel des Buches Ruth wird uns berichtet, wie Elimelech mit seiner Familie aus Bethlehem in Juda über den Jordan zieht, um sich in den Gebieten Moabs aufzuhalten. Warum tat er das? Oh, Gott hatte eine langandauernde Hungersnot über sein Volk gebracht, um es zu züchtigen, weil es immer wieder andern Göttern diente. Statt darüber Buße zu tun, entzog sich Elimelech auf diese Weise der Züchtigung. Das hatte schlimme Folgen für seine Familie. Er und auch seine beiden Söhne starben.
Nur Noomi blieb mit den beiden Schwiegertöchtern übrig. Sie ist ein Bild vom gläubigen Überrest aus den Juden, der sich in den kommenden Tagen der Drangsal bilden wird. Die Aussprüche Noomis: «Die Hand des HERRN ist gegen mich ausgegangen» … «der Allmächtige hat es mir sehr bitter gemacht» (Ruth 1,13 und 20) zeugen davon, dass sie die Wege der Trübsal als Züchtigung Gottes betrachtet und sich persönlich darunter stellt – so wie einst der Überrest sich unter die Drangsal als verdiente Züchtigung beugen wird.
Noomi hat gehört, «dass der HERR sich seinem Volk zugewandt habe, um ihnen Brot zu geben» (Ruth 1,6), und sie kehrt nach Bethlehem zurück. Von den beiden Schwiegertöchtern ist schliesslich nur Ruth bereit, sie zu begleiten. Aufgrund des Glaubens, der in ihr wohnt, weiss Ruth sich eins mit dem Land, mit dem Volk und dem Gott Noomis (Ruth 1,16). Sie suchte Zuflucht unter den Flügeln des Gottes Israels (Ruth 2,12).
Aber gab es zwei in sich selbst unwürdigere Personen, um Gegenstände der überströmenden Gnade zu sein, die sich nun in Bethlehem an ihnen offenbaren wollte? Noomi war mit ihrer Familie einen Weg des sündigen Eigenwillens und der Untreue gegangen, kehrte jedoch unter Beugung zurück. Ruth hatte kein Anrecht auf die Gnade Gottes, weil sie eine Moabiterin war (5. Mo 23,3).
Da ist es gut, wenn wir Erlösten alle uns bewusst bleiben, dass wir, nach Römer 5, ausnahmslos ebensolche Unwürdige sind. So werden wir die reichen Segnungen der überströmenden Gnade Gottes in Jesus Christus – auf dem Feld unseres «Boas» – immer wertschätzen und geniessen.
Was in menschlicher Meinung nach «Zufall» aussieht (Ruth 2,3), ist für den Glauben wunderbare Führung Gottes. Ruth will von der Gnade, die Gott durch eine reiche Gersten- und die darauffolgende Weizenernte zubereitet hat, durch Ährenlesen profitieren. Ihr Glaube führt sie dazu. Aber sie nimmt ihre Aufgabe in Abhängigkeit von Noomi in Angriff (V. 2), die die Gebote Gottes kennt. Gnade, Glaube und Gehorsam gehören zusammen.
Gott ist es also, der sie auf das Feld des Boas leitet. Der Name bedeutet «In ihm ist Stärke». Ohne vorheriges Wissen lernt sie den kennen, der Noomis Blutsverwandter ist und ihr Löser sein wird.
Boas ist
- in seiner Person,
- seinem Verhalten und
- seinem Handeln
ein schönes Vorbild auf den Herrn Jesus hin. Beim Sinnen über Kapitel 2 – 4 dieses Buches dürfen wir daher manche Anwendung auf uns machen, die wir Jesus Christus als unseren Erlöser kennen.
1. Seine Person
Boas war ein «vermögender» oder «mächtiger Mann an Reichtum» (Ruth 2,1), der Verarmte und an irdischen Gütern Nichtsbesitzende, wie Noomi und Ruth, unermesslich reich machen konnte. – Jetzt sind die Gläubigen, die «in Christus» sind, «gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern» (Eph 1,3).
2. Sein Verhalten
Boas begegnete Ruth – und damit auch Noomi – in unbegrenzter Gnade, ohne sich durch ihre unwürdige Vergangenheit hindern zu lassen. – Uns, die wir tot waren in Vergehungen und Sünden, hat Gott «zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade … begnadigt in dem Geliebten» (Eph 2,1 und 1,6).
3. Sein Handeln
Boas hat das nach dem Gesetz mögliche Recht des Lösers ausgeübt. Damit erwarb er sich aber nicht nur das Feld, das Elimelech gehörte, sondern hat sich damit auch Ruth zur Frau erkauft, um dem verstorbenen Sohn einen Nachkommen zu erwecken (Ruth 4). – Aufgrund des Gesetzes hätten wir von unserem sündigen Zustand nicht erlöst werden können, ob wir zum Volk Israel oder zu den Nationen gehörten. Aber Jesus Christus hat uns, von Gott gesandt, durch sein Opfer am Kreuz, vollkommene Erlösung gebracht. Auch für den gläubigen Überrest aus den Juden und schliesslich für ganz Israel wird sie volle Gültigkeit haben, so dass es in die herrlichen Segnungen des Friedensreiches eingeführt werden kann.
Auf dem Feld des Boas
Begleiten wir nun Ruth auf das Feld des Boas, auf dem sie sich jetzt aufhalten wird. Dieses Feld ist, wie wir noch sehen werden, für uns in mancher Hinsicht ein Bild der Versammlung Christi.
Kaum ist Boas gekommen, gewahrt er Ruth, wie sie Ähren sammelt. Sofort interessiert er sich für sie und will ihre ganze Geschichte erfahren. Der Hauptknecht gibt ihm genaue Auskunft (Ruth 2,5-7). Er ist ein Vorbild auf den Heiligen Geist, der die Gläubigen hier auf der Erde in ihren Aufgaben leitet und ihre Kraft ist. Dabei ist es Boas besonders wichtig zu hören, was Ruth an ihrer Schwiegermutter getan, dass sie Moab verlassen hat und zum Volk Gottes gezogen ist. Vor allem freut es ihn, dass sie unter den Flügeln des Gottes Israels Zuflucht gesucht hat (V. 11-13).
Achten wir nun darauf, wie Boas die reichen Quellen der Gnade für eine solche Gläubige öffnet. Zuerst fordert er Ruth auf, nur auf seinem Feld aufzulesen, nicht anderswohin zu gehen und sich zu seinen Mägden zu halten (V. 8).
Wer heute zum Glauben kommt, tritt nicht nur in eine persönliche Beziehung zum Herrn Jesus. Er gehört nun auch zu seiner Versammlung und ist, wie die andern Gläubigen, ein Glied an seinem Leib. Der Herr will, dass er sich, nach Matthäus 18,20, zu seinem Namen hin versammelt. Da sind die «Schnitter», die das Korn mähen, das zur Nahrung der einzelnen dienen soll, das heisst, die Brüder, die nach der ihnen geschenkten Gnade das Wort zur Auferbauung der Versammlung austeilen. Christus ist das Haupt, «aus dem der ganze Leib, wohl zusammengefügt und verbunden durch jedes Gelenk der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Mass jedes einzelnen Teiles, für sich das Wachstum des Leibes bewirkt zu seiner Selbstauferbauung in Liebe.» (Eph 4,16).
Ruth hat bis jetzt nur auf dem Feld des Boas aufgelesen, aber es gab auch andere Felder, wo geerntet wurde. Oh, es war nötig, dass sie ihre Beziehung zu Boas immer besser kennenlernte und er ihr immer grösser wurde. Wie leicht konnte sie sonst auf einen anderen Acker geraten, wo nicht des Boas Ähren aufzulesen waren, wo «die Knaben sie antasten» konnten, oder wo sie in Gefahr stand, «den armen oder reichen Jünglingen nachzugehen» (Ruth 3,10). – Die Ermahnungen des Boas sind leicht auf uns zu übertragen, die wir auf das Feld der reichen Gnade unseres Herrn Jesus geführt worden sind. Einerseits ruft Er uns immer wieder zu: «Bleibt in mir und ich in euch» (Joh 15,4); dann werden wir auch das Verlangen haben, da zu sein, wo Er seine Gegenwart verheissen hat. Anderseits mahnt uns das Wort: «Liebt nicht die Welt, noch was in der Welt ist …» (1. Joh 2,15-17).
Weil sich Ruth bewusst bleibt, dass sie eine Fremde ist und sich darin von den anderen Mägden unterscheidet (V. 10 und 13), ist sie von der Gnade, die Boas ihr erweist, ganz überwältigt, und sie fällt vor ihm zur Erde nieder. Doch sie merkt, dass sie aus dieser Quelle noch weitere und grössere Erquickung erwarten kann, und sie sagt: «Möge ich Gnade finden in deinen Augen, mein Herr!» – Wäre doch diese demütige Gesinnung auch bei uns Gläubigen von heute mehr zu finden! …
Bevor Ruth etwas von Hunger und Durst sagt, lädt Boas sie zur Zeit des Essens ein herzuzutreten, um von seinem Brot zu essen und von seinem Getränk zu trinken. Er gab ihr auch geröstete Körner. Sie wurde satt und liess übrig. Sie konnte auch ihrer Schwiegermutter davon mitteilen (V. 14 und 18). – Die grosse Fürsorge unseres Herrn geht auch dahin, dass wir, durch sein Wort genährt und erquickt, andern davon weitergeben können.
Ruth durfte zwischen den Garben auflesen, wo so manche Ähren lagen, die man sonst beim Sammeln der Garben zusammenrechte. Ja, Boas gebot seinen Helfern sogar, dass sie aus den Bündeln Ähren herausziehen und sie für Ruth liegenlassen sollten (V. 15,16). Bei all der überströmenden Gnade ihr gegenüber, wollte ihr Boas das mühsame sich Bücken nach jeder Ähre nicht ersparen. – Auch unser Herr sieht es gern, wenn wir in gebeugter, demütiger Haltung und in Ehrfurcht vor Ihm und seinem Wort mit Eifer daraus Ähren lesen. So dürfen wir in der Erkenntnis seiner wunderbaren Person und der unerforschlichen Gedanken Gottes zunehmen. In dieser Gesinnung ist es eine Erkenntnis, die nicht aufbläht, sondern ein Besitz des Herzens wird, das sich über das gewonnene Epha freut.
Ruth ist also in der Gunst des Boas gestanden und hat im Erfassen seiner Gnade beständig Fortschritte gemacht. So stehen auch wir in der Gnade Gottes (Röm 5,2; 1. Pet 5,12), und der Apostel Petrus mahnt uns: «Wachst aber in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus. Ihm sei die Herrlichkeit, sowohl jetzt als auch auf den Tag der Ewigkeit! Amen (2. Pet 3,18).