Gott beurteilt die Dinge ganz anders als die Menschen. Was ihnen gross erscheint, ist für sein Auge oft das Ergebnis sündigen Hochmuts oder selbstsüchtigen Eigenwillens, die Er hasst. Dagegen ist für Gott das gross, was seine Gnade in denen hervorbringt, die Ihm leben, aber wissen, dass sie nur seine schwachen Gefässe sind. Auch wir Gläubige sollen alles im Urteil Gottes betrachten.
Zur Ermunterung seien hier aus seinem Wort einige Beispiele von Personen und kleinen Dingen angeführt, die von den Menschen gering geachtet waren, aber Gott wohlgefallen haben.
Der eine Übeltäter am Kreuz
Welch wüste Szene auf der Schädelstätte! Eine ganze Volksmenge war zum Schauspiel der Kreuzigung zusammengelaufen. Auch die Hohenpriester und Ältesten waren da. Sie wollten sich an dem Anblick des gekreuzigten «Nazareners Jesus» weiden. Sie meinten, ihr Ziel erreicht zu haben. Aber all die Schmach, die Schande, die unsäglichen Leiden, die Christus bis dahin zugefügt wurden und Ihn verzehrten, waren ihnen noch nicht genug. Oh, wie hassten sie Ihn, der immer wieder ihre religiöse Heuchelei aufdeckte, dagegen Gott seinen eigenen Vater nannte, der Ihn liebte! Sie wollten Ihn daher auch noch im tiefsten Herzen verletzen und riefen: «Er ist Israels König; so steige er jetzt vom Kreuz herab, und wir wollen an ihn glauben. Er vertraute auf Gott, der rette ihn jetzt, wenn er ihn begehrt; denn er sagte: Ich bin Gottes Sohn» (Mt 27,42.43). Wie musste dieser Hohn sein Herz brechen!
Da ertönt plötzlich eine andere Stimme. Der eine Übeltäter, der Ihn vorher auch geschmäht hat (Vers 44), aber in diesen Augenblicken ins göttliche Licht kommt und im Glauben Jesu Herrlichkeit erkennt, antwortet seinem Leidensgenossen am dritten Kreuz auf dessen Lästerung: «Auch du fürchtest Gott nicht? … Wir empfangen, was unsere Taten wert sind; dieser aber hat nichts Ungeziemendes getan. Und er sprach zu Jesus: Gedenke meiner, Herr, wenn du in deinem Reich kommst!» (Lk 23,40-42).
Wer sonst als dieser ehemalige Räuber hat auf Golgatha seine Stimme für Jesus Christus erhoben? Wer hat da sonst noch mit lauter Stimme bekannt, dass Er als der König Israels wiederkommen wird? Keiner als dieser Unwürdige, der wegen seiner früheren Verbrechen am Kreuz hing. Er ist jetzt im Paradies und wird bald reichen Lohn empfangen. – Ist er nicht auch für uns ein Ansporn, unseren Herrn Jesus da zu bekennen, wo Er geschmäht wird?
Die unbekannten Apostel
Unter den zwölf Aposteln, die der Herr Jesus aus den Jüngern erwählte (Mt 10,1-4; Lk 6,12-16), gibt es solche, von denen das Heer der Bibelleser nicht viel mehr als ihren Namen weiss. Weder in der Apostelgeschichte noch in den Briefen werden grosse Taten oder Worte von ihnen erwähnt. Wir wissen nur, dass auch sie Zeugen des Lebens und der Auferstehung des Herrn Jesus waren und in Jerusalem im Dienst des Wortes verharrten (Apg 1,21.22; 6,4). Aber mochten diese für uns wenig bekannten Apostel nach menschlichem Urteil unbedeutend sein, für den Herrn gehörten sie zu den Zwölfen, zu denen Er einmal gesagt hat: «Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auch ihr werdet in der Wiedergeburt, wenn der Sohn des Menschen auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen wird, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten» (Mt 19,28). Auch die Mauer vom neuen Jerusalem trägt die Namen aller zwölf Apostel (Off 21,14), jedoch ohne Judas.
Im Zusammenhang damit ermuntert der Herr Jesus aber auch alle anderen, die Ihm hier im Glauben nachfolgen, die deswegen vieles in dieser Welt aufgeben müssen und hier zu den «Letzten» zählen: «Jeder, der verlassen hat Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Frau oder Kinder oder Äcker um meines Namens willen, wird hundertfach empfangen und ewiges Leben erben. Aber viele Erste werden Letzte und Letzte Erste sein» (Mt 19,29.30).
«Gering geachtet in der Versammlung»
(1. Korinther 6,4)
Zur Zeit der Versammlung in Korinth wurde in Griechenland von den Weisen in ihrem Volk und «der Weisheit der Welt» noch viel Aufhebens gemacht. Der Apostel musste daher am Anfang des 1. Korinther-Briefes vor diesem Einfluss warnen. Es scheint, dass Brüder, die von weltlicher Weisheit wenig Kenntnis hatten und sich auch nicht auffallender geistlicher Gaben rühmten, aber treu zum Herrn und seinem Wort standen, von den «Gebildeteren» unter ihnen gering geachtet wurden. Dabei waren es doch gerade diese Brüder, die durch ihre «Einfalt gegen den Christus» (2. Kor 11,3) denen, die diese Einfalt entbehrten und «Rechtshändel miteinander hatten», den rechten Rat geben konnten.
Lasst auch uns nie vergessen, dass die Furcht des Herrn der Weisheit Anfang ist. Sie führt dazu, dass wir mit grossem Verlangen «Weisheit Gottes» zu erwerben suchen (Spr 4,7). Petrus und Johannes hatten diese Weisheit kennengelernt und waren für unzählige Menschen Segenskanäle geworden, obwohl sie von den ungläubigen Juden als «ungelehrte und ungebildete Leute» taxiert wurden (Apg 4,13).
Nur eine junge Sklavin im Haus Naamans
Ihre Geschichte in 2. Könige 5 erstaunt uns immer wieder. Wie weitreichend waren die Folgen ihres Glaubens an den lebendigen Gott ihres Volkes!
Folgen für das junge Mädchen selbst
Es ist nicht verbittert über seine Verschleppung in Feindesland. Es lebt mit Gott und kann so im Haus des Heerobersten ein glaubhaftes Zeugnis für Ihn sein. Es hat Mitleid mit ihm. Es traut seinem Gott zu, dass Er den Syrer durch den Propheten heilen kann und will, obwohl es in Israel selbst noch keine Heilung eines Aussätzigen miterlebt hat (Lk 4,27).
Folgen für Naaman
Er vertraut der Botschaft seiner Sklavin. Er benachrichtigt seinen König, zieht mit dessen Empfehlung zum König von Israel, der im Unglauben an seinem Hof Alarm schlägt, so dass Elisa davon hört und den Heerobersten zu sich kommen lässt. Gott bewirkt nicht nur die körperliche Heilung Naamans, Er führt ihn auch zum Glauben an Ihn, den lebendigen Gott.
Das sind wohl besondere Wege, durch die Gott zu seinem widerspenstigen Volk und auch zu den Syrern reden wollte. Aber das nimmt von der Lieblichkeit der Werke des Glaubens dieser jungen Sklavin nichts weg. Gott möchte sie auch bei uns bewirken.
Drei Witwen
Witwen hatten unter den Nationen, ja selbst im Volk Israel, ein schweres Los. Sie waren einsam, kamen vielfach in materielle Not, wurden häufig ausgenützt und mussten von gewissenlosen Leuten Unrecht erleiden. – Aber Gott weiss das und sorgt in besonderer Weise für sie. Er gibt ihnen in seinem Wort kostbare Verheissungen (zum Beispiel Psalm 68,6; 146,9; Spr 15,25). Lasst uns beachten, wie drei Frauen, die in solchen Umständen waren, von diesen Verheissungen Gebrauch zu machen wussten.
Die Frau beim Schatzkasten (Mk 12,41-44)
Als der Herr Jesus einmal diesem Kasten im Tempel gegenübersass, machte Er verschiedene Beobachtungen. Da waren viele Reiche, die von ihrem Überfluss einlegten. Aber auch «eine arme Witwe» kam. Sie hatte zuvor überlegt: Gott sorgt Tag für Tag für mich. Ich habe es erlebt. Auch heute hatte ich genug zu essen. Zwei Scherflein (kleinste Kupfermünzen) sind noch übrig. Die will ich Ihm von Herzen opfern, zum Dank für alles, was Er an mir getan hat. – Aber gute Frau, denkst du denn nicht an deine kranken, an deine alten Tage? – Ja, hat denn der Meister nicht gesagt: «So seid nun nicht besorgt für den morgigen Tag, denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen» (Mt 6,34)?
Unser Herr warf dieser Frau nicht mangelnde Vorsicht vor. Im Gegenteil, vor Freude über ihr starkes Vertrauen auf Gott rief Er seine Jünger herzu und machte sie darauf aufmerksam – Möchten doch auch wir mehr und mehr lernen, in Hingabe und Vertrauen mit unserem Gott zu wandeln. Er will uns führen durch unsere Umstände, die anders sein mögen, als die von dieser Witwe, besonders wenn noch andere von unseren Mitteln abhängig sind. Beachten wir auch 1. Timotheus 6,6-12.
Die Witwe und der ungerechte Richter (Lk 18,1-8)
Dieses Gleichnis steht besonders mit den Nöten des gläubigen Überrestes in der Drangsalszeit in Beziehung. Doch hat es auch uns etwas zu sagen, die wir in der gleichen Welt leben, worin das Böse jenem Endzustand entgegengeht. Der Herr redet da von einer Person, die missachtet und schutzlos der Ungerechtigkeit und Bosheit preisgegeben ist, die in dieser Welt herrschen: von einer Witwe. Da sind nicht einmal Freunde, die sich für sie einsetzen. Aber sie hat ein Hilfsmittel, das sie aus der Not errettet: Jeden Tag, «unaufhörlich», kommt sie zum ungerechten Richter mit ihrer eindringlichen Bitte, bis er ihr Recht verschafft. – Wie viel weniger muss ein Kind Gottes hier auf der Erde verzagen. Es soll «allezeit beten und nicht ermatten». Jene arme Witwe musste sich an einen gottlosen Menschen wenden. Wir aber haben durch unseren Herrn Jesus offenen Zugang zu dem allmächtigen Gott, der «für uns ist» und seinen eigenen Sohn für uns alle hingegeben hat. «Wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken?» (Röm 8,31.32) Einzelstehende sind sich oft wenig bewusst, wie gerade ihre gläubige Fürbitte für andere und für das Werk des Herrn so nötig ist und den Arm Gottes bewegen kann.
Die Witwe, die von «Ihm» redet (Lk 2,36-38)
Anna, die Tochter Phanuels, hatte kein leichtes Los. Als junges Mädchen heiratete sie. Aber schon nach sieben Jahren starb ihr Mann. Wohl mehr als fünfzig Jahre war sie dann allein. Wir lesen nicht, dass sie Kinder hatte. War sie eine klagende Witwe? O nein, ihr Leben hatte einen reichen Inhalt. Sie «wich nicht von dem Tempel, indem sie Nacht und Tag mit Fasten und Flehen diente». Das tat sie nicht aus fleischlich-religiösem Eifer, sondern weil der Geist Gottes sie mit dem kommenden Christus beschäftigte. Jetzt war Er geboren. Als die Eltern das Kind Jesus hereinbrachten, trat sie hinzu und erkannte Ihn als den Herrn. Voll Freude ging sie hin und redete von Ihm zu allen, die auf Erlösung warteten in Jerusalem. Oh, wie glücklich war diese Frau! Aus der Fülle des Herzens redet der Mund.
Gewiss, Anna war eine Prophetin. Der Geist Christi, der in ihr war, redete von Ihm (1. Pet 1,10). Aber wohnt der Heilige Geist heute nicht in allen wahrhaft Gläubigen? Auch in uns will Er den Herrn Jesus verherrlichen (Joh 16,14). Lasst uns Ihn in keiner Weise daran hindern.
So sind denn einige Personen vor unserem Auge vorübergegangen, die nach weltlicher und ungeistlicher Einschätzung von geringer Bedeutung waren. Gehören eigentlich nicht alle Gläubigen zu dieser Gruppe, wenn sie ihrem Herrn auf seinen Wegen in Treue nachfolgen? Für die Menschen der Welt sind wir kleine Leute, die sich mit unwichtigen Dingen beschäftigen. Wenn wir das Evangelium verbreiten und das Zeugnis der Versammlung Gottes in dieser Christenheit festhalten, schmückt man uns nicht mit Lorbeeren. Auch im Vergleich mit dem, was in früheren Zeiten geschah, mag das, was wir in unserer «kleinen Kraft» tun, «wie nichts sein in unseren Augen» (Off 3,8; Hag 2,3). Aber welche Ermunterung zu wissen, dass unsere Treue im Kleinen Gott wohlgefällig ist und Er von allem Kenntnis nimmt, was seine Gnade in uns wirken kann.