Teilhaber der göttlichen Natur

2. Petrus 1,3-8

«Da seine göttliche Kraft uns alles zum Leben und zur Gottseligkeit geschenkt hat durch die Erkenntnis dessen, der uns berufen hat durch Herrlichkeit und Tugend, durch die er uns die kostbaren und grössten Verheissungen geschenkt hat, damit ihr durch diese Teilhaber der göttlichen Natur werdet, die ihr dem Verderben entflohen seid, das in der Welt ist durch die Begierde, so wendet ebendeshalb aber auch allen Fleiss an, und reicht in eurem Glauben die Tugend dar, in der Tugend aber die Erkenntnis, in der Erkenntnis aber die Enthaltsamkeit, in der Enthaltsamkeit aber das Ausharren, in dem Ausharren aber die Gottseligkeit, in der Gottseligkeit aber die Bruderliebe, in der Bruderliebe aber die Liebe. Denn wenn diese Dinge bei euch vorhanden sind und zunehmen, so stellen sie euch nicht träge noch fruchtleer hin in Bezug auf die Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus» (2. Pet 1,3-8).

Als Hilfe zum Verständnis dieser Verse sei zunächst auf drei Punkte hingewiesen:

  1. Vers 3 und der erste Teil von Vers 4 sprechen von Dingen, die durch die Kraft Gottes jedem Gläubigen geschenkt sind.
  2. Der zweite Teil von Vers 4 gibt uns das Ziel, das Gott, durch das, was Er uns geschenkt, im Auge hat.
  3. Die Verse 5 bis 7 zeigen den Weg, auf dem wir verantwortlich sind, das, was wir empfangen haben, praktisch zu verwirklichen, damit das Ziel Gottes erreicht wird. Wir sollten durch Zunahme und Wachstum gekennzeichnet sein. Das, was die göttliche Kraft geschenkt hat, soll durch unseren Fleiss entfaltet werden.

Was hat die göttliche Kraft uns geschenkt? Alle Dinge, die sich auf das Leben und die Gottseligkeit beziehen. Wir haben nicht nur Leben empfangen, sondern mit ihm alle notwendigen Dinge, damit das neue Leben in der praktischen christlichen Lebensweise und im gottseligen Verhalten offenbar werde. Der Apostel bleibt nicht stehen, um uns die geschenkten Dinge einzeln aufzuführen. Er erinnert uns nur, dass wir Verheissungen von überragender Grösse und Kostbarkeit haben. Er verwendet tatsächlich den Superlativ «die grössten», denn es gibt nichts, was die Hoffnungen des Gläubigen, in deren Mittelpunkt das Kommen des Herrn steht, übertreffen könnte. Und doch mögen einige kurze Augenblicke des Nachdenkens dazu dienen, uns an einige der Gaben zu erinnern, die die göttliche Kraft uns verliehen hat:

  • der Heilige Geist, der in uns wohnt,
  • das Wort Gottes, das für uns geschrieben worden ist,
  • der Thron der Gnade, der uns offen steht,

um nur drei zu nennen.

Wir haben aber nicht nur einige Dinge bekommen, sondern alles, was mit Leben und Gottseligkeit zu tun hat. Wir sind also wohlausgerüstet. Von Gottes Seite fehlt nichts.

Alle diese Dinge sind uns durch die Erkenntnis Gottes geworden, als dem, der uns berufen hat «durch Herrlichkeit und Tugend». Natürlich sind wir auch zur Herrlichkeit berufen (1. Pet 5,10). Hier wird betont, dass unsere Berufung durch Herrlichkeit und Tugend charakterisiert ist. Wir sind berufen, in der Energie dieser Herrlichkeit, die unser Ziel und Ende ist, zu leben, und ebenso in der Kraft dieser Entschiedenheit oder dieses Mutes, die uns bis zum Ende hindurchbringen werden.

Alle diese Dinge sind zusammen unser Teil, damit wir durch sie «Teilhaber der göttlichen Natur» sein möchten. Jeder wahre Gläubige ist «aus Gott geboren», und in diesem Sinn hat er Teil an der göttlichen Natur (1. Joh 3,9); deshalb tut er die Gerechtigkeit und wandelt in Liebe (1. Joh 2,29; 3,10). Die Bedeutung unserer Stelle ist aber nicht, dass wir durch diese uns geschenkten Dinge wiedergeboren werden möchten; denn Petrus richtet sich an solche, die schon «wiedergeboren» waren (1. Pet 1,23). Es geht vielmehr darum, dass wir durch diese Dinge in ein praktisches, erfahrungsmässiges Teilhaben der göttlichen Natur geführt werden möchten. Mit einem Wort, Liebe ist die göttliche Natur, und daher schildern die Verse 5-7 das Wachstum des Gläubigen, das in der Liebe gipfelt. Liebe, die göttliche Natur, ist das Höchste. Der Gläubige, dessen Herz voll von der Liebe Gottes ist, der ist, im Sinn dieser Stelle, in Wahrheit ein Teilhaber der göttlichen Natur.

Alles Verderben in dieser Welt ist eine Frucht der Begierde. Das Wort «Begierde» umfasst alle Wünsche, die der gefallenen Natur des Menschen entspringen. Das Gesetz Moses wurde gegeben und legte den sündigen Wünschen des Menschen seine Beschränkungen auf. Aber statt dass die Einschränkungen des Gesetzes die Begierde zurückhielten, durchbrach diese die gegebene Schranke und fuhr fort, ihr Verderben weiter auszubreiten. Alles Verderben in der Welt hat seinen Ursprung in der gefallenen Natur des Menschen. Wir, die Gläubigen, sind dahin gebracht, an der göttlichen Natur teilzuhaben, woraus die Heiligkeit entspringt, und deshalb sind wir dem Verderben entflohen. In der Kraft dessen, was göttlich ist, sind wir dem, was uns als Sünder natürlich ist, enthoben. Es gibt keinen anderen Fluchtweg als diesen.

Fleiss

Der 5. Vers beginnt mit dem Wörtchen «ebendeshalb». Das heisst, neben all dem, was uns durch seine göttliche Kraft geschenkt ist, ist auch auf unserer Seite etwas nötig. Dieses Etwas ist «aller Fleiss».

Das Werk in unseren Herzen und Leben als Gläubige ist alles das Werk Gottes. Doch dürfen wir deshalb nicht in einen Fatalismus verfallen, als ob es für uns nichts mehr zu tun gäbe. Wir müssen uns vielmehr erinnern, dass es Gott gefällt, vielfach menschliche Mittel in Verbindung mit seinem Werk zu verwenden. Wir wollen nicht vergessen, dass es seine Anordnung ist, dass der Weg zu geistlichem Wachstum jedes einzelnen Gläubigen über seinen eigenen geistlichen Fleiss führt. Das ist nicht erstaunlich, denn es ist ganz in Übereinstimmung mit dem, was wir in den natürlichen Dingen sehen. Im Buch der Sprüche finden wir göttliche Weisheit auf natürliche Dinge angewandt, und dort lesen wir: «Siehst du einen Mann, der gewandt ist in seinem Geschäft – vor Königen wird er stehen, er wird nicht vor Niedrigen stehen» (Spr 22,29).

Tugend

Deshalb sollen wir allen Fleiss anwenden, um unserem Glauben die Tugend und alle in den Versen 5 bis 7 aufgezählten Dinge anzufügen. Die Formulierung «in eurem Glauben die Tugend, in der Tugend aber …» beinhaltet den Gedanken von Wachstum. Die Knospe des Apfelbaums im Frühling trägt schon den Keim des köstlichen Apfels in sich, der zur Herbstzeit an der gleichen Stelle hängt. Aber in der Bildung des Apfels haben viele Dinge ihr Teil beigetragen, der Sonnenschein und der Regen, die Lebenskraft des Baumes, die es ihm ermöglichte, die nötigen Nährstoffe und die Feuchtigkeit aus dem Erdboden zu ziehen. Ohne die Lebensenergie des Baumes wäre alle Mühe zur Erzeugung eines Apfels vergeblich gewesen.

Jetzt sollten wir von einem solchen Fleiss und einer derartigen Energie gekennzeichnet sein. Die schönen Züge des christlichen Charakters, die in jedem Gläubigen im Keim vorhanden sind, sollten sich in uns entfalten damit in unserem Glauben die Tugend oder der Glaubensmut gefunden wird. Wenn es an der geistlichen Energie fehlt, die uns befähigt, klar und deutlich von der Welt abzustehen, wird unser Glaube selbst ein sehr kränkliches Ding.

Erkenntnis

«In der Tugend aber die Erkenntnis.» Die Tugend oder geistliche Energie verleiht uns als Christen grosse Kraft. Aber wenn die Kraft nicht gemäss der Erkenntnis, und zwar der höchsten und besten – der Erkenntnis Gottes und seines Willens – eingesetzt wird, kann sie gefährlich werden.

Enthaltsamkeit

«In der Erkenntnis aber die Enthaltsamkeit» (oder Selbstbeherrschung). Wenn wir nur durch die Erkenntnis beherrscht werden, können wir leicht zu Extremisten werden. Der Gläubige, der eine grosse intellektuelle Klarheit besitzt, könnte leicht so handeln, dass er das Wohlergehen seiner weniger scharfsinnigen Brüder gefährdet, wie Römer 14 und 1. Korinther 8 es uns zeigen. Deshalb die Notwendigkeit der Selbstbeherrschung.

Ausharren

«In der Enthaltsamkeit aber das Ausharren» (oder die Geduld). Es ist nötig, dass wir versucht und geprüft werden. Aber der Gläubige, der ausharrt, überwindet.

Gottseligkeit

«In dem Ausharren aber die Gottseligkeit.» Wir lernen, im Bewusstsein der Gegenwart Gottes zu leben. Wir sehen Gott in unseren Umständen und handeln als solche, die sich unter seinem Auge befinden.

Bruderliebe

«In der Gottseligkeit aber die Bruderliebe»; denn jetzt sind wir in der Lage, uns unseren Mitgläubigen gegenüber passend zu verhalten. Wir sehen sie jetzt auch in ihrer Beziehung zu Christus und als aus Gott geboren, und nicht gemäss unseren Launen und Fantasien, unserer Voreingenommenheit, unserer Zu- oder Abneigungen.

Liebe

«In der Bruderliebe aber die Liebe.» Das ist die göttliche Liebe, eine Liebe, die den von Natur aus nicht Liebenswürdigen liebt; denn diese Liebe hat ihre Quelle in sich selbst. Daher muss sie nicht durch die äussere Erscheinung, die einem persönlich zusagen mag, angeregt werden. Der Gläubige, der durch fleissiges geistliches Wachstum in dieser Weise liebt, ist in ganz praktischer Art ein Teilhaber der göttlichen Natur und fruchttragend, wie der 8. Vers es klar erklärt.

Haben wir uns gemerkt, dass diese Dinge bei oder in uns und reichlich vorhanden sein sollen? Wir haben sie nicht wie ein Kleid an uns zu tragen, denn dann könnten wir sie bei Gelegenheit wieder ablegen. Wie eine Frucht sind sie das Produkt und die Entfaltung des inneren göttlichen Lebens. Wenn sie reichlich bei uns vorhanden sind, bestätigen sie, dass wir weder «träge noch fruchtleer sind in Bezug auf die Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus».

Trägheit ist das Gegenteil von Fleiss. Was sind wir, träge oder fleissig? Da gibt es Christen, die sehr fleissig sind, wenn es ums Geldverdienen geht, oder fleissig, sich das Leben angenehm zu machen, aber träge in den Dingen des Herrn. Wundert es uns da, wenn sie geistlich darniederliegen? Andere sind fleissig in den Dingen des Herrn, ohne zu vergessen, ihrer täglichen Arbeit die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Niemand braucht dann erstaunt zu sein, dass diese geistlich gedeihen und blühen. Zu welchen gehöre ich, gehörst du?