Leere Gefässe, nimm nicht wenige

2. Könige 4,1-7

«Eine Frau von den Frauen der Söhne der Propheten schrie zu Elisa und sprach: Dein Knecht, mein Mann, ist gestorben, und du weisst ja, dass dein Knecht den HERRN fürchtete; und der Schuldherr ist gekommen, um sich meine beiden Knaben zu Knechten zu nehmen» (2. Kön 4,1).

Die Geschichte dieser Familie ist voller Belehrung und Ermunterung für uns, die wir oft geneigt sind, niederwärts statt aufwärts zu blicken.

Die Eltern waren gottesfürchtige Gläubige. Der Vater gehörte sogar zu den Söhnen der Propheten. Aber in diesem Haus war grosse Not eingekehrt. Nicht nur war der Vater, der Ernährer der Familie, gestorben, sie hatten auch bei einem habgierigen Mann Schulden gemacht. Und nun war dieser Schuldherr gekommen, um sich ihre beiden Knaben zu Knechten zu nehmen!

Auch heute gibt es in den Familien der Gläubigen mancherlei Schwierigkeiten, Probleme und Prüfungen. Gott erlaubt, dass da und dort Krankheit, Gebrechen, ja sogar frühzeitiger Tod bei ihnen einkehren.

Grosse Sorgen macht häufig die Erziehung der Kinder in dieser Christenheit, die sich immer mehr von der Wahrheit des Wortes Gottes abwendet und dem Abfall entgegensteuert. Wie viel Weisheit braucht es da, um die Söhne und Töchter richtig zu führen! Der Böse sucht die Kinder zu seinen Sklaven zu machen, damit sie, statt den schmalen Weg des Glaubens zu beschreiten, den breiten Weg der Welt gehen und in Sündenknechtschaft geraten.

Es ist ja immer eine unverdiente Gnade Gottes, wenn die Kinder der Erlösten früh zum Herrn Jesus als zu ihrem Heiland kommen. Aber wenn sie den Weg wählen, der zum Verderben führt, müssen die Eltern sich wohl fragen: sind nicht auch wir an diesem Zustand schuld? Sind wir von Anfang an dem Herrn treu nachgefolgt oder haben wir auf irgendeine Weise der Welt in unsere Häuser Eintritt gewährt?

Diese Frau wendet sich zum Propheten Elisa und erzählt ihm ihre ganze Geschichte. Sie verhehlt ihm nichts von ihrer Schuld und ihrer Not. – Im Gegensatz zu Elia, der den Auftrag hatte, das Volk Israel zum HERRN und zum Gesetz zurückzuführen, ist Elisa ein Bild von Christus, von dem in Johannes 1,16 gesagt wird: «Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade.»

Von Gottes Seite her ist in Christus Jesus überströmende Gnade da für alle unsere Bedürfnisse und Lebensumstände. Von unserer Seite her aber ist demütiges Vertrauen in Gott und ein kindlicher Glaube nötig, um diese Gnade zu suchen und in reichem Mass aufzunehmen. Das ist es, was Elisa diese Frau lehren will.

«Und Elisa sprach zu ihr: Was soll ich für dich tun? Sage mir, was du im Haus hast. Und sie sprach: Deine Magd hat gar nichts im Haus als nur einen Krug Öl» (Vers 2).

Als der blinde Bartimäus zum Herrn Jesus schrie: «Erbarme dich meiner!», da fragte ihn der Meister: «Was willst du, dass ich dir tun soll?» (Mk 10,48.51). Er wollte, dass Ihm Bartimäus seinen ganzen Zustand, seine Blindheit, bekannte. So nur konnte er durch Glauben errettet werden. Der Herr ist nicht zufrieden mit einem oberflächlichen Hilferuf. – In unserer Geschichte ist es ähnlich. Es lag ja auf der Hand, was die Frau nötig hatte. Aber der Prophet wollte, dass sie ihren ganzen Zustand bekannte: «Deine Magd hat gar nichts im Haus». Jedoch besass sie «einen Krug Öl», aus dem durch Gottes Gnade ein grosser Segen hervorfliessen sollte.

Wenn wir praktisch gesegnet werden wollen, ist es nötig, dass auch wir zur Erkenntnis kommen und darin bleiben, dass wir in uns selbst nichts haben und nichts sind. Anderseits aber ist uns im Bild gesprochen – «ein Krug Öl» geschenkt: das was wir in Christus besitzen und der Geist uns mitteilen will.

«Und der Prophet sprach: Geh hin, erbitte dir Gefässe von draussen, von allen deinen Nachbarn, leere Gefässe, nimm nicht wenige; und geh hinein und schliesse die Tür hinter dir und hinter deinen Söhnen zu und giesse in alle diese Gefässe; und was voll ist, setze beiseite» (Verse 3,4).

Alles dreht sich nun um diesen Krug Öl. Diese Frau besass in ihm, ohne es zu wissen, einen grossen Schatz. Für sie war es bisher «nur ein Krug Öl» gewesen, ihre letzte Reserve. Aber Gott wollte ihr jetzt durch diesen zeigen, wie unbegrenzt seine Gnade und wie unendlich seine Segnungen und Reichtümer sind.

Sie sollte «nicht wenige Gefässe» sammeln, damit sich die Worte des Propheten erfüllen konnten, die ihrem menschlichen Verstand so unmöglich erscheinen mussten.

Dann schloss sie, wie Elisa sie geheissen hatte, hinter sich und ihren Söhnen die Tür zu (Vers 5). Ihr Glaube hatte es jetzt ausschliesslich mit Gott, dem Unsichtbaren zu tun. Ihr Blick war auf Ihn gerichtet und durfte nicht abgelenkt werden. (Vergleiche 2. Könige 4,33 und Matthäus 6,5.6).

Nun geschah es. Sie nahm ihren Krug und goss ein – einmal, zweimal und immer wieder. Wie musste ihr Herz warm geworden sein, als sich die Güte Gottes auf diese Weise vor ihren Augen ausbreitete und ihr Inneres durchflutete!

Ihre miteingeschlossenen Söhne reichten ihr die Gefässe und waren Zeugen der Gnade des Herrn, die sich durch den Glauben ihrer Mutter offenbaren konnte. So wie sie vorher unter der Einwirkung der Schuld und Not in der Familie gestanden hatten, so redete jetzt dies zu ihren Herzen.

«Und es geschah, als die Gefässe voll waren, da sprach sie zu ihrem Sohn: Reiche mir noch ein Gefäss. Aber er sprach zu ihr: Es ist kein Gefäss mehr da. Und das Öl stand» (Vers 6).

Gott wäre bereit gewesen, noch ungezählte weitere Gefässe zu füllen. Nicht Er war es, der den Segen begrenzte. Das Öl stand, weil kein Gefäss mehr da war, weil der Glaube der Frau hier haltgemacht hatte.

«Und sie kam und berichtete es dem Mann Gottes; und er sprach: Geh hin, verkaufe das Öl und bezahle deine Schuld; du aber und deine Söhne, lebt vom Übrigen» (Vers 7).

Die göttliche Hilfe übertraf alle Erwartungen. Nicht nur war es jetzt möglich, die Schuld zu begleichen und für die Knaben die Drohung der Knechtschaft abzuwenden. Die kleine Familie durfte fortan auch von dem «Übrigen» leben, von dem, was die Gnade Gottes ihnen beschieden hatte.

In dieser Begebenheit ging es um materiellen Beistand in irdischer Not. Wenn wir auch als Christen zum himmlischen Volk gehören, so leben wir doch noch auf der Erde und haben ähnliche Bedürfnisse und Nöte, die wir im Glauben vor den Herrn bringen dürfen. Er ruft uns zu: «Tu deinen Mund weit auf, und ich will ihn füllen» (Ps 81,11).

Der «Krug Öl» in dieser Geschichte ist nicht nur ein Bild von der Vergebung der Schuld in Christus Jesus, die dem Gläubigen zuteilgeworden ist. Er enthält auch «das Übrige»: alle die geistlichen und unerschöpflichen Segnungen in Ihm (Eph 1,3).

O lasst uns dieses «Übrige» nicht vergessen! denn davon dürfen und sollen wir «leben». Wir wollen immer wieder leere Gefässe bereitstellen, um anstelle dessen, «was in der Welt ist», diesen unendlichen Segen aufzufangen und zu geniessen. Von wie vielen Schwierigkeiten und Problemen werden wir dadurch gelöst! Wie viel göttliche Weisheit wird uns da für dieses Leben zuteil! So können wir in Gottes Nähe leben, und da werden selbst grosse Prüfungen zu Gelegenheiten, seine reiche Barmherzigkeit und Güte fortgesetzt zu erfahren. «Leere Gefässe, nimm nicht wenige … und giesse in alle diese Gefässe!»