Verharren

Apostelgeschichte 1,14; Apostelgeschichte 2,42.46; Apostelgeschichte 6,4; Apostelgeschichte 11,23; Apostelgeschichte 13,43; Apostelgeschichte 14,22

In Verbindung mit den Aposteln, den ersten Christen und den ersten Versammlungen kommt in der Apostelgeschichte an verschiedenen Stellen der Ausdruck «verharren» vor. Er bedeutet: in etwas bleiben oder darin fortfahren. Damit wird einerseits das Verhalten der Apostel und der ersten Christen bezeichnet. Anderseits finden wir diesen Ausdruck in Form einer Aufforderung, die an die Neubekehrten und die eben entstandenen Versammlungen gerichtet ist.

Die ersten Christen können uns dabei in mancher Hinsicht eine Ermunterung sein für unser praktisches Christentum. Sie lebten keineswegs in besseren Umständen als wir. Ihre Umgebung war zum grössten Teil heidnisch, vom Götzendienst geprägt. Sie selbst kamen ja aus diesen Dingen (1. Kor 6,11). Von aussen gab es wahrlich keine Unterstützung, um an allem festzuhalten, was mit der christlichen Lehre zusammenhing. Im Gegenteil! An manchen Orten wurden die Christen schlimm verfolgt. Aber sie hatten die Ermunterung vonseiten des Herrn, und die haben wir auch.

Wir leben in einer Zeit, da die Menschen im Allgemeinen keine Gottesfurcht mehr kennen. Dafür sind die Ohren und Herzen offen für jede menschliche Religion, hinter der sich Satan verbirgt. Viele Menschen in unseren Ländern verhalten sich heute nicht mehr viel anders als jene, die Gott und die Bibel überhaupt nicht kennen.

Vielleicht sind wir angesichts solcher Zustände um uns her entmutigt. Wir sind geneigt, verschiedene Dinge zu vernachlässigen, sie nur noch gelegentlich zu tun oder ganz aufzugeben. Mögen uns die Worte Gottes aus der Apostelgeschichte zur Ermutigung und das Verhalten der ersten Christen zur Glaubensstärkung dienen.

Zunächst einige Stellen, die uns zeigen, worin sie verharrten:

Im Gebet

«Diese alle verharrten einmütig im Gebet» (Apg 1,14).

Nachdem der Herr Jesus von ihnen weg in den Himmel gefahren war, blieben die Jünger in Jerusalem, wo sie die Verheissung des Vaters, das Herabkommen des Heiligen Geistes, erwarteten. In dieser Wartezeit verharrten sie im Gebet – Wir warten auch. Wir schauen aus nach dem Herrn, der jeden Augenblick kommen kann, um uns für immer zu sich zu nehmen. Wollen wir nicht, während wir warten, im gemeinsamen Gebet verharren? Damals taten es alle. Und heute? Sind wir in der Gebetsversammlung alle da, um zu den Anliegen Amen sagen zu können und so die Gebete mitzutragen?

«Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten» (Apg 2,42).

Damit eine örtliche Versammlung lebensfähig ist und bleibt, sind die vier Stücke, die in diesem Vers aufgezählt werden, unbedingt erforderlich. Ist es nicht unser Anliegen, dass das örtliche Zeugnis, zu dem wir gehören, gesund erhalten bleibt bis der Herr kommt? Dann gilt es aber auch, alle diese Dinge festzuhalten und darin zu verharren.

In der Lehre der Apostel

Die Lehre der Apostel bedeutet für uns die Lehre des Neuen Testaments. In der örtlichen Versammlung wird sie besonders in den Zusammenkünften zur Wortverkündigung und Wortbetrachtung weitergegeben. Verharren wir praktisch in dieser Lehre? Bevor wir mit ja antworten, ist es vielleicht gut, das 12. und 14. Kapitel des 1. Korinther-Briefes zu lesen. Wie weit geht unser Verharren darin,

  • dass wir auf die Leitung des Heiligen Geistes und nicht auf einen Bruder warten?
  • dass die Erbauung der Versammlung unser erstes Anliegen ist?
  • dass jeder von uns im Bewusstsein seiner Mitverantwortung zu den Zusammenkünften kommt? (Zum Tragen der Mitverantwortung gehört nicht nur das Reden in der Versammlung, sondern auch das Vorschlagen von Liedern, das öffentliche Gebet und nicht zuletzt auch das stille Gebet für den Dienst am Wort und den Diener).
  • dass die ganze Lehre des Neuen Testaments und nicht nur einige bevorzugte Teile davon verkündigt werden?

In der Gemeinschaft

In der Gemeinschaft verharren, oder in der Gemeinschaft der Apostel, wie die Fussnote sagt. Wenn wir als Versammlung zusammenkommen, bringen wir die Einheit des Leibes Christi zum Ausdruck. Dieser eine Leib besteht, und alle wahren Gläubigen gehören dazu, wie die Glieder an einem menschlichen Körper. Aber die praktische Darstellung davon sehen wir heute nur noch da, wo Gläubige in einer Ortschaft diesen Grundsatz der Einheit zu verwirklichen trachten. Auch jene, die der Herr als Führer begabt und beauftragt hat (damals die Apostel) dürfen keine unabhängige Gruppe, einen sogenannten Klerus bilden. Anderseits soll die Gemeinschaft mit einem Bruder, den der Herr mit Autorität ausgerüstet hat, nicht weniger herzlich sein, als mit den anderen (1. Thes 5,12.13). In der Gemeinschaft verharren heisst, dass keine gegenseitige Vernachlässigung auftreten darf, etwa im Sinn, dass jeder nur auf das Seine sieht.

Im Brechen des Brotes

Die Feier des Abendmahls ist untrennbar mit der gemeinsamen Anbetung verbunden. Würde dies nur noch gelegentlich gefeiert, dann ginge auch die wahre Anbetung verloren. Das, wovon das Brot und der Kelch reden, würde aus dem Blickfeld gerückt und der Anbetung die Grundlage entzogen. «Das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus? Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen, denn wir alle nehmen teil an dem einen Brot.» – «Dass der Herr Jesus in der Nacht, in der er überliefert wurde, Brot nahm, und als er gedankt hatte, es brach und sprach: Dies ist mein Leib, der für euch ist; dies tut zu meinem Gedächtnis» (1. Kor 10,16.17; 11,23.24).

In den Gebeten

Im Zusammenhang dieses Verses ist hier das gemeinsame Gebet, die Gebetsversammlung, gemeint. Wir wollen diese Zusammenkunft nicht versäumen, aber auch nie ohne ein Anliegen auf dem Herzen zu dieser Stunde kommen. Wenn wir uns kurz fassen, wird es bestimmt möglich sein, dass die meisten Brüder beten können. Warum sollte einer stumm bleiben? «Sie verharrten … in den Gebeten.»

In der Gegenwart Gottes

«Während sie täglich einmütig im Tempel verharrten …» (Apg 2,46).

Am Anfang waren die Christen noch eng mit dem Judentum, aus dem sie kamen, verbunden. Für sie war der Tempel immer noch der Inbegriff für die Gegenwart Gottes. Und da wollten sie sich aufhalten. – Und wir? Wir kennen auch den Ort, wo der Herr Jesus seine Gegenwart verheissen hat. Er ist da, wo die zwei oder drei sich in seinem Namen versammeln. Verlangt uns auch so sehr nach diesem Ort, weil Er da ist, oder gehen wir aus anderen Gründen zu den Zusammenkünften? Erwarten wir alles von Ihm, oder schauen wir mehr auf die Brüder? Dass doch unser praktisches Verhalten etwas von diesem Verharren in der Gegenwart des Herrn offenbare!

Im Gebet

«Wir aber werden im Gebet und im Dienst des Wortes verharren» (Apg 6,4).

Durch die Zunahme der Zahl der Jünger bestand die Gefahr, dass die Apostel ihren eigentlichen Dienst verliessen und, um den Bedürfnissen der momentanen Situation zu begegnen, eine andere Arbeit taten. Das war nicht gut. So kam es zur Einsetzung der Diakone für die Betreuung der Bedürftigen.

Sind die Apostel uns nicht ein schönes Vorbild? Ihr Dienst am Wort war eng mit dem Gebet verbunden. Wie nötig ist doch das persönliche Gebet, das jedem öffentlichen Dienst vorangehen sollte. Dass wir doch in diesem Gebet verharren möchten, nicht nur am Anfang unseres Lebens des Dienstes, wenn wir die nötige Abhängigkeit vom Herrn besonders empfinden, sondern auch dann, wenn die Gefahr besteht, in eine Routine zu kommen.

Im Dienst

Das Verharren bezieht sich auch auf den Dienst, in den der Herr uns gestellt hat (1. Kor 7,24; Kol 4,17). Wir wollen uns durch die Umstände (z.B. weil zu wenig Arbeiter vorhanden sind) nicht ablenken lassen und einen Dienst übernehmen, zu dem wir weder begabt noch berufen sind. Lasst uns in dem verharren, was wir vom Herrn empfangen haben!

Wir wissen von den ersten Christen nicht nur, worin sie verharrten; wir lesen auch, wozu sie ermuntert wurden.

Bei dem Herrn

«Barnabas, als er hingekommen war und die Gnade Gottes sah, freute sich und ermahnte alle, mit Herzensentschluss bei dem Herrn zu verharren» (Apg 11,23).

In Antiochien geschah ein wunderbares Werk der Gnade Gottes: «eine grosse Zahl glaubte und bekehrte sich zu dem Herrn». Darunter gab es neben ehemaligen Juden auch Griechen, die sich aus dem Heidentum zu dem Herrn bekehrt hatten. Nun wird Barnabas von der Versammlung in Jerusalem dahin gesandt; vielleicht um sich von der Echtheit der Sache zu überzeugen, und um die Gemeinschaft mit der Versammlung in Jerusalem zum Ausdruck zu bringen. Mit Staunen sieht er, was Gott gewirkt hat. Er freut sich darüber und fordert die Jungbekehrten auf, sich von ganzem Herzen am Herrn festzuhalten.

Haben jene Gläubigen diesen Rat befolgt? Gewiss! In dieser Stadt werden die Jünger zum ersten Mal Christen genannt. Ihre Herzensverbindung mit ihrem Herrn Jesus konnte der Welt nicht verborgen bleiben. Es trat offen zutage, wem sie angehörten. Sieht unsere Umgebung auch, dass wir mit ganzem Herzen bei dem Herrn verharren?

In der Gnade

«Paulus und Barnabas, die zu ihnen sprachen und ihnen zuredeten, in der Gnade Gottes zu verharren» (Apg 13,43)

Paulus hatte in der Synagoge von Antiochien in Pisidien eine eindrückliche Rede gehalten (Apg 13,13-41). Die Folge war, dass viele Zuhörer noch mehr wissen wollten. Nun redeten die beiden Missionare ihnen zu, in der Gnade Gottes zu verharren.

In seiner Botschaft verkündigte Paulus keine Gesetzes-Gerechtigkeit mehr (Vers 39), sondern die Gnade (Vers 34). Sie wird dem zuteil, der dem Wort Gottes glaubt (Vers 39). Warum müssen wir aber in der Gnade verharren? Weil wir uns so leicht von gesetzlichen Ideen verführen lassen. Was war mit den Galatern geschehen, nachdem sie das Evangelium der Gnade Gottes angenommen hatten? Sie hörten auf die jüdischen Verführer, so dass der Apostel ihnen schreiben musste: «Ihr seid aus der Gnade gefallen» (Gal 5,4).

«In der Gnade verharren» kann auch auf das praktische Leben übertragen werden. Wir sollten jeden Tag mit dem Bewusstsein beginnen: Ohne seine Gnade geht es nicht. Möchten wir diesen Platz der Abhängigkeit nie verlassen, und uns stets auf Gott und den Reichtum seiner Gnade stützen (Heb 4,16).

Im Glauben

«Sie befestigten die Seelen der Jünger und ermahnten sie, im Glauben zu verharren, und dass wir durch viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen müssen (Apg 14,22).

Paulus und Barnabas besuchten auf ihrer Rückreise nach Antiochien die neuentstandenen Versammlungen in Kleinasien, um die Jünger zu befestigen. Sie ermahnten sie, im Glauben zu verharren.

Glaube war der Ausgangspunkt ihres neuen Lebens. Sie hatten Gott geglaubt, der sagt, dass alle Menschen gesündigt und sein heiliges und gerechtes Gericht verdient haben, und dass es nur einen einzigen Weg der Erlösung gibt: über das Kreuz von Golgatha, wo sein Sohn für fremde Schuld gestorben ist.

Aber das war nur der Anfang. Ihr weiteres Leben auf dieser Erde würde ein Leben des Glaubens sein, wo sie sich nicht am Sichtbaren festhalten konnten. Ihre Berufung war himmlisch. Es war ihnen kein angenehmes Leben inmitten sichtbarer irdischer Segnungen verheissen. Im Gegenteil! Der Weg des Gläubigen ist oft mühsam und gefahrvoll. Er ist alles andere als gemütlich. Gott weiss, wie oft uns der Glaubensblick nach oben fehlt, auf die Fürsorge unseres himmlischen Vaters, und wie leicht wir auf die Umstände und zu Boden schauen, statt im Glauben vorauszublicken an das herrliche Ziel.

An manchen Stellen des Neuen Testaments ist mit «Glaube» das ganze Glaubensgut, die Verheissungen und Lehre, auf die sich der Glaube stützt, gemeint. «Sofern ihr in dem Glauben gegründet und fest bleibt und nicht abbewegt werdet von der Hoffnung des Evangeliums» (Kol 1,23; siehe auch Kol 2,7; 1. Tim 1,19; 3,9; 6,20.21). Auch in diesem Sinn sollen wir im Glauben verharren, da die Gefahr besteht, dieses Glaubensgut zu verlieren. Das Wort benützt dafür sehr ernste Ausdrücke: «was den Glauben betrifft, Schiffbruch erleiden», «vom Glauben abirren» oder «hinsichtlich des Glaubens das Ziel verfehlen»

So ist die Aufforderung, im Glauben zu verharren, bestimmt auch für uns geschrieben!