«Bittet, und es wird euch gegeben werden.» (Mt 7,7). Wir haben es mit einem Gott zu tun, der sich selbst als Geber offenbart. Er erwartet von uns, den Seinen, nur, dass wir im Glauben unsere Anliegen seinem mitleidvollen Herzen vorbringen, damit Er uns segnen kann, nach dem Reichtum seiner Gnade.
Nun gibt es aber fraglos Gebete, die nicht erfüllt wurden. Wir wollen vier Fälle untersuchen, wo Gott den Gebeten nicht entsprochen hat. Aber wir werden sehen, dass, obwohl Er das von Ihm Erbetene nicht sofort gewährte, Er doch Segnungen und Belohnungen bereithielt, die die Wünsche noch übertraten. Indem Er nicht dem Flehen entsprechend antwortete, zeigte Er in jedem Fall die Vortrefflichkeit seiner Weisheit.
Moses und der Eingang in das Land Kanaan (5. Mose 3,24-27)
Mose, der sanftmütige Diener Gottes, bat den HERRN beharrlich, es möge ihm gewährt werden, ins verheissene Land einzugehen. Nun, Mose war der Führer des Volkes Israel unter dem Gesetz. Aber er versagte in einer seiner Aufgaben (4. Mo 20,7-13) und wurde für immer vom Land ausgeschlossen. Daraus sehen wir, wie streng die Epoche des Gesetzes war, unter der sogar der beste Mensch wegen eines einzigen Fehlers seinen Platz der Segnung verlieren musste. Mose wird nicht erhört. Er darf nicht in das schöne Land eingehen, auf das er so lange gehofft und wofür er so viel gelitten hatte. Aber Gott vergass seinen armen Knecht nicht, und als der richtige Augenblick kam, liess Er ihn die Segnungen geniessen, die Er für ihn bereithielt. Auch wenn Gott ihm den Eintritt ins verheissene Land zusammen mit einem hartnäckigen Volk verweigerte, so liess Er ihn vor seinem Tod doch das ganze Land sehen (5. Mo 34,1-4). Auch führte Er ihn mit Elia auf den Berg der Verklärung (Mt 17,1-8). Da durfte er im Land, inmitten der Herrlichkeit, Zeuge der wunderbaren Ratschlüsse Gottes werden, dessen Verheissungen in Christus Jesus alle Ja und Amen sind.
Der lebensmüde Elia (1. Könige 19,4)
Ein zweites unerhörtes Gebet finden wir im Leben des späteren Gefährten Moses auf dem Berg. In 1. Könige 19 sehen wir Elia auf der Flucht vor Isebel, der gottlosen Frau des Königs Ahab. Ermüdet und ermattet von einem langen Dienst, der anscheinend fruchtlos war, bat er den Herrn, sein Leben auf dieser Erde zu beenden. Dieser grosse Mann wünschte in einem Augenblick übermässiger Not und tiefster Niedergeschlagenheit, die wir gut verstehen, unter einem Ginsterstrauch zu sterben. Aber Gott hatte ganz andere Gedanken. Unter einem Strauch zu sterben, wäre kein würdiges Ende eines so grossen Propheten gewesen. Deshalb liess Gott ihn in einem feurigen Wagen zum Himmel fahren. Wie der Himmel höher ist als die Erde, so sind Gottes Gedanken höher als die unseren. Anstatt erhört zu werden, wurde Elia gewürdigt, die Erde später in einem Triumphwagen zu verlassen, um danach mit Mose auf dem heiligen Berg zu erscheinen, umgeben von einer lichten Wolke, voll von Herrlichkeit.
Der Herr Jesus in Gethsemane (Markus 14,35)
Dieses Gebet, das nicht erhört werden konnte, verlangt unsere besondere Aufmerksamkeit und tiefe Ehrfurcht. Wir haben hier weder einen Mann, der versagt hat, noch einen Propheten, der sich von der Welt überwinden liess, sondern den Sohn des Menschen vor uns, den vollkommenen Menschen, der in Angst und Bestürzung war, weil Er den ganzen Schrecken des Todes fühlte, der auf seine Seele drückte. Deshalb bat Er, «wenn es möglich wäre», dass dieses Gewicht von Ihm genommen würde. Lasst uns mit ehrfürchtigem Herzen zum Garten Gethsemane gehen und den Herrn Jesus betrachten (Lk 22,39-46), wie Er vor dem Vater kniet und fortfährt, zu Ihm zu beten, dass, wenn es möglich wäre, dieser Kelch an Ihm vorüber gehe. Beim Beschäftigtsein mit diesen Tiefen seiner Not wird die Anbetung in unseren Herzen nicht ausbleiben. Wenn schon Mose die Schuhe ausziehen musste, als er sich dem brennenden Dornbusch näherte, wie viel mehr Ehrfurcht geziemt uns, wenn wir uns im Geist diesem dunklen Garten nahen. Dort hören wir einen Mann in ernstem Gebet: «Abba Vater … nimm diesen Kelch von mir weg; doch nicht was ich will, sondern was du willst!»
Diesem vollkommenen Menschen, der seine Zuflucht nie vergeblich zu Gott nahm, wurde dieser Wunsch nicht erfüllt. O Tiefe der Gnade zu uns, deren Lage sonst unverändert trostlos geblieben wäre! Gott hat seinen Sohn nicht geschont. Ja – wir wollen es mit aller Ehrfurcht sagen – Er konnte den Kelch nicht von dem wegnehmen, der das Sündopfer werden sollte. Und wo wären wir, o Freund, wenn unser Herr Jesus den Kelch nicht getrunken hätte? Wir alle wären für ewig verloren gegangen!
Anderseits sehen wir, wie Gott Freuden ohne Ende für den gehorsamen Menschen bereithielt (Ps 16,10.11). Obwohl der vollkommene Knecht Gottes in Gethsemane nicht erhört worden ist, wird Er die Frucht der Mühsal seiner Seele völlig geniessen und mit Freuden ganz gesättigt werden (Jes 53,11). Wer kann sich die Freude vorstellen, die der empfinden wird, der den ganzen Kelch des Zorns Gottes geleert hat, wenn Er seine Erlösten in der Herrlichkeit um sich geschart sieht? Können wir nicht sagen, wenn wir unseren Herrn als wahren Menschen betrachten, dass Gott, indem Er Ihn wohl erhörte (Heb 5,7), aber seinen Wunsch in Gethsemane nicht erfüllte, etwas überaus Kostbares für Ihn bereithielt? Lasst uns hinschauen «auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der, die Schande nicht achtend, für die vor ihm liegende Freude das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes» (Heb 12,2). Er ist der Einzige, dem eine so erhabene Stellung gebührt.
Paulus und sein Dorn für das Fleisch (2. Korinther 12,7-9)
Auch das vierte Gebet, das nicht erfüllt wurde, blieb nicht ohne Antwort. Dreimal betete Paulus vergeblich zum Herrn, damit Er ihm den Dorn für das Fleisch, den Engel Satans, unter dem er so viel zu leiden hatte, wegnehmen möchte. Doch auch hier hatte Gott in seinem Ratschluss etwas Grösseres für seinen armen Diener im Auge. Wie sein Herr in Gethsemane, so bat Paulus dreimal, dass dieser Dorn von ihm genommen würde. Dann hörte er die ermunternde Antwort des Herrn: «Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht.» Welch eine Ähnlichkeit sehen wir nachher zwischen Christus und Paulus! Der Dorn war alles andere als angenehm für Saulus von Tarsus. Aber Paulus, der wohl schwerlich verstand, dass er in seiner Schwachheit und den Leiden ein geeigneteres Gefäss für die Offenbarung der Kraft des Christus sein konnte, schweigt und ergibt sich freudig dem Willen dessen, der fähig ist, sich alles zu unterwerfen.
Welch eine schöne Vorschau von Herrlichkeit entfaltet sich vor den Augen des treuen Apostels, als er das Wort des Herrn empfängt, dass er ein Gefäss sein werde, das besonders erfüllt ist von der Kraft des Christus! Er ist ein sehr schönes Vorbild von Unterordnung für uns alle.
Mögen wir aus diesen Beispielen Gott als den kennengelernt haben, der, wenn Er auch nicht jedes Gebet erfüllt, dafür stets grössere Segnungen bereithält, entsprechend seinem Ratschluss. Möchten wir dies besser verstehen lernen und Vertrauen haben in die Gnade und die Weisheit dessen, der sich uns als Belohner derer offenbart, die Ihn suchen.