Das Evangelium

Das Evangelium, Gottes frohe Botschaft, wurde nicht zu allen Zeiten in der gleichen Fülle und der gleichen Klasse von Menschen verkündigt. In vergangenen Tagen konnte man von einem Evangelium für die Erlösten Gottes sprechen. Während der Zeit, da der Herr auf der Erde war, konnte gepredigt werden: «Das Reich der Himmel ist nahe gekommen» (Mt 3,2; 4,17; 10,7), weil der König, der Messias, in ihrer Mitte lebte. Aber das Evangelium eines gestorbenen und auferstandenen Christus, verherrlicht zur Rechten Gottes, konnte nicht gepredigt werden, bis der wunderbare Tag der Gnade anbrach, der durch die Langmut des Herrn nun schon fast 2000 Jahre dauert.

Das Neue Testament unterscheidet klar verschiedene Evangelien. Das ist in keiner Weise in Widerspruch zu dem, was der Apostel in Galater 1,6-9 sagt. Dort handelt es sich um ein «anderes», d.h. um eine «andere Art» von Evangelium, um eine Vermischung von Gesetz und Gnade, von Beschneidung und Evangelium, durch die einige die Gläubigen verführten und ihnen den Frieden und die Freude raubten.

Lasst uns nun prüfen, was der Heilige Geist uns über das Evangelium der verschiedenen Zeiten und seines verschiedenen Inhalts lehrt.

Das Evangelium des Reiches

In Matthäus 4,23 lesen wir: «Jesus zog in ganz Galiläa umher, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium des Reiches.» In Matthäus 9,35 finden wir fast die gleichen Worte, nur wird Galiläa nicht erwähnt; es heisst dort: «Jesus zog umher durch alle Städte und Dörfer.» Anfangend in Galiläa ging der Herr Jesus von Ort zu Ort und predigte das Evangelium des Reiches in allen Städten und Dörfern des Landes Israel. Das dritte Mal kommt dieser Ausdruck in Matthäus 24,14 vor, wo wir lesen: «Und dieses Evangelium des Reiches wird auf dem ganzen Erdkreis gepredigt werden, allen Nationen zum Zeugnis, und dann wird das Ende kommen.» In diesem Abschnitt von Matthäus 24 spricht der Herr Jesus nicht von der Haushaltung, in der wir leben, sondern von der Endzeit.

Das Evangelium des Reiches wurde in der Vergangenheit während dreieinhalb Jahren gepredigt durch Johannes den Täufer, den Herrn selbst, die Zwölf und die Siebzig. Und in der Zukunft, nach der Entrückung der Kirche, wird es wieder während mehreren Jahren gepredigt werden, und zwar durch gläubige Juden, nicht nur im Land Israel, sondern auf der ganzen Erde und allen Völkern. Dies wird mit grosser Schnelligkeit und Kraft geschehen, und unter den schwierigsten Verhältnissen (Bedrängnis und Verfolgung).

Die Verkündigung des Evangeliums des Reiches hatte hauptsächlich zum Inhalt: «Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen.»

  • So sagte Johannes der Täufer (Mt 3,2).
  • So sprach auch Jesus (Mt 4,17).
  • So sagten die Jünger, die den Befehl bekommen hatten, zu predigen: «Das Reich der Himmel ist nahe gekommen» (Mt 10,7).

Den Inhalt dieser Verkündigung finden wir auch klar und deutlich in Markus 1,14.15: «Jesus kam nach Galiläa, predigte das Evangelium des Reiches Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe gekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium.»

Es gibt einen Ausdruck, der dreimal vorkommt und somit charakteristisch ist für das Evangelium des Reiches: «Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird errettet werden» (Mt 10,22; 24,13; Mk 13,13). Und ein anderer Ausdruck, der nur in Lukas vorkommt: «Gewinnt eure Seelen durch euer Ausharren» (Lk 21,19).

Obwohl diese Worte für alle Zeiten, und somit auch für uns, von tiefem Ernst und grosser Wichtigkeit sind, geht aus dem Zusammenhang, in dem sie stehen, klar hervor, dass sie sich direkt auf jene beziehen, die das Evangelium des Reiches während der Zeit der grossen Drangsal hören und glauben werden.

In der Vergangenheit war diese Verkündigung ausschliesslich an die Juden gerichtet.

«Geht nicht auf einen Weg der Nationen, und geht nicht in eine Stadt der Samariter; geht aber vielmehr zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel» (Mt 10,5.6). Aber das Haus Israel nahm dieses Evangelium nicht an, obwohl die Verkündigung von Zeichen und Wundern begleitet war, so dass die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet wurden, der Lahme sprang wie ein Hirsch, und die Zunge des Stummen jauchzte auf (Jes 35,5.6). Die Botschaft wurde nicht geglaubt. Der König wurde verworfen. Und die in ihrer Mitte offenbarte Kraft wurde dem Teufel zugeschrieben. Nun ist Israel beiseitegesetzt, aber nicht für immer. Noch einmal wird der Gott Jakobs, der sich nie ändert, in seiner grossen Barmherzigkeit sein Evangelium, sein Heil bekanntmachen, aber nicht nur den Juden, sondern «allen Nationen zum Zeugnis» (Mt 24,14).

In Offenbarung 7 sehen wir, welch reiche Frucht die Verkündigung des Evangeliums des Reiches im kurzen Zeitraum von einigen Jahren hervorbringen wird: Aus Israel 144'000 (eine symbolische Zahl) und aus allen Nationen, besonders aus den Heiden (nicht aus dem sogenannten Christentum), eine grosse Volksmenge, die niemand zählen kann.

Wir können daher in das Lob in Offenbarung 7,12 einstimmen: «Amen! Die Segnung und die Herrlichkeit und die Weisheit und die Danksagung und die Ehre und die Macht und die Stärke sei unserem Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.»

Das Evangelium der Gnade

Wir finden den Befehl, dieses Evangelium zu verkündigen, in Matthäus 28,19; Markus 16,15.16 und Lukas 24,47.

Der aus den Toten auferstandene Herr steht vor uns. Das Werk, das grosse Werk der Erlösung und der Rettung ist vollbracht. Bevor Er die Erde verlässt, hat Er noch einen Auftrag an die Seinen. Es tönt in unseren Ohren: «Geht hin!» Ja, die Diener des Herrn müssen hingehen, andere müssen ihnen helfen, alle müssen darin Gemeinschaft haben. Keiner von denen, die Jesus kennen und lieben, soll müssig sein. Alle sollen im Werk des Herrn überströmen, denn die Arbeit ist gross. Nicht nur einige, sondern alle Nationen sollen es hören. «Geht hin in die ganze Welt.» Dies bezieht sich auf alle Geschöpfe, Juden, Samariter, Heiden, auf «alle Nationen», «die ganze Welt», «die ganze Schöpfung, die unter dem Himmel ist» (Kol 1,6.23), auf «jede Kreatur», weiss und braun und gelb und schwarz. Das Evangelium der Gnade Gottes kommt zu allen: wer irgend an den Namen des Herrn Jesus Christus glaubt, wird errettet werden. In seinem Namen muss Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden, unter allen Nationen, anfangend in Jerusalem.

In Apostelgeschichte 20,24 nennt der grosse Apostel Paulus das jetzige Evangelium «Das Evangelium der Gnade Gottes». Wie wir sehen werden, gibt es noch viele andere schöne Namen für dieses Evangelium. Aber dieser Name sagt uns einfach und klar, was dieses Evangelium wirklich ist: eine gute Nachricht von Gott, der dem schuldigsten Sünder Gnade erweisen will. Der Mann, der sich selbst der erste der Sünder nennt, spricht in dieser Weise davon, weil er selbst Gnade erfahren hat.

Er predigte auch das Reich Gottes (Apg 20,25 und 28,31), aber nicht das Evangelium des Reiches; diese Zeit war vorbei. Es gibt immer noch ein Reich Gottes auf der Erde, aber der König ist verworfen und abwesend, und das Reich ist unterdrückt (Off 1,9). Wir beschäftigen uns deshalb nicht mit dem Charakter des Reiches während der Abwesenheit des Königs – unser jetziger Gegenstand ist das Evangelium der Gnade Gottes.

In Römer 1,1-4 nennt es der Apostel: «Das Evangelium Gottes über seinen Sohn, Jesus Christus, unseren Herrn.» Es kommt also von Gott und hat seinen Ursprung im Herzen Gottes. «Nach seinem eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben», lesen wir in 2. Tim 1,9. Aber es ist auch durch Jesus Christus, unseren Herrn. Nur durch Ihn wird das Heil unser Teil. Deshalb wird es in Römer 1,9 «das Evangelium seines Sohnes» genannt. Der Sohn Gottes brachte dieses Evangelium, weil Er die Sünder liebt und sie retten will. «Das Evangelium ist Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden» (Röm 1,15.16). Es ist auch «das Evangelium Gottes» (Röm 15,16).

Angesichts der Fülle dessen, was uns über dieses Evangelium gesagt wird, können wir unmöglich auf alles eingehen, aber wir fühlen etwas von dessen Reichtum und Herrlichkeit, die aus diesen Versen hervorleuchten.

Im zweiten Brief an die Korinther spricht der Apostel vom «Evangelium des Christus» und dem «Evangelium der Herrlichkeit des Christus» (2. Kor 10,14; 4,4). Auf dem Weg nach Damaskus sah Paulus Christus in Herrlichkeit; ein Licht, das den Glanz der Sonne übertraf, umstrahlte ihn und die mit ihm waren. Dieser verherrlichte Christus sendet das Licht des Evangeliums seiner Herrlichkeit, um arme Sünder aus der Finsternis in das Licht zu bringen, und Er will sein Licht in ihre Herzen scheinen lassen.

Es wird auch das «Evangelium der Beschneidung und der Nichtbeschneidung» genannt (Gal 2,7), nicht als ob zwischen den beiden ein Unterschied bestünde, sondern um zu betonen, dass das Evangelium alle betrifft. Das Evangelium richtet sich an Juden und Heiden; Gottes wunderbare Gnade kommt zu allen.

Ferner lesen wir von dem «Evangelium eures Heils» (Eph 1,13) und dem «Evangelium des Friedens» (Eph 6,15), weil Christus unser Friede ist; Er, der Frieden machte und Frieden verkündigte (Eph 2,14.16.17).

Der herrlichste und erhabenste Name des Evangeliums scheint uns der in 1. Tim 1,11 zu sein: «Das Evangelium der Herrlichkeit des seligen Gottes.»

Wunderbares, herrliches Evangelium, durch das ein verlorener Sünder nicht nur vom ewigen Verderben befreit wird, sondern auch teilhat an der Herrlichkeit und der ewigen Glückseligkeit, die ihn mit Christus in Herrlichkeit verbindet, um bald für immer bei Ihm zu sein.

Weil dieses Evangelium besonders dem Apostel Paulus anvertraut war, kann er von «unserem» und von «meinem» Evangelium sprechen (Röm 2,16; 16,25; 2. Kor 4,3; 2. Tim 2,8 usw.). «Das Wort ist gewiss und aller Annahme wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, um Sünder zu erretten … Dem König der Zeitalter aber, dem unvergänglichen, unsichtbaren, alleinigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen» (1. Tim 1,15.17).

Das ewige Evangelium

So wird das Evangelium in der Heiligen Schrift nur einmal genannt, in Off 14,6.7: «Und ich sah einen anderen Engel inmitten des Himmels fliegen, der das ewige Evangelium hatte, um es denen zu verkündigen, die auf der Erde ansässig sind, und jeder Nation und jedem Stamm und jeder Sprache und jedem Volk, indem er mit lauter Stimme sprach: Fürchtet Gott und gebt ihm Ehre, denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen; und betet den an, der den Himmel und die Erde gemacht hat und das Meer und die Wasserquellen.»

Wir haben bereits erwähnt, dass bald nach der Entrückung der Kirche das Evangelium des Reiches gepredigt werden wird, und dass viele zur Buße und zum Glauben gebracht werden. Die grosse Masse der Menschheit wird jedoch in Unglauben und Rebellion verharren, weshalb geschrieben steht: «Wird wohl der Sohn des Menschen, wenn er kommt, den Glauben finden auf der Erde?» (Lk 18,8). Und im Buch der Offenbarung lesen wir: «Sie taten nicht Buße» (Off 9,20.21). Das Gericht kann deshalb nicht mehr länger hinausgeschoben werden.

«Die Stunde seines Gerichts ist gekommen», ruft der Engel (Off 14,7). Ein zweiter Engel verkündet das Gericht über Babylon, die bekennende Christenheit (Vers 8). Ein dritter Engel verkündet das schreckliche Gericht über alle, die das Tier und sein Bild anbeten und sein Malzeichen an ihrer Stirne und ihrer rechten Hand tragen (Verse 9-12). In der Tat, der allgemeine Zustand auf der Erde wird so schrecklich werden, dass es für die Gläubigen, die noch auf der Erde übrigbleiben, besser ist zu sterben als zu leben (Vers 13).

Wir sind hier bei dem Augenblick angekommen, in dem der Sohn des Menschen eine scharfe Sichel schicken wird und die grosse Kelter des Grimmes Gottes ausserhalb der Stadt getreten wird, so dass Blut aus der Kelter hervorgeht bis an die Gebisse der Pferde, 1600 Stadien weit (Verse 14-20).

Aber gerade vor diesen schrecklichen Ereignissen sendet Gott noch ein Evangelium. Welch ein Gott! Er hat kein Wohlgefallen am Tod des Gottlosen. Nachdem das Evangelium der Gnade viele Jahrhunderte lang gepredigt worden ist, wird noch einmal das Evangelium des Reiches verkündigt, aber die Menschheit nimmt im Grossen ganzen weder das eine noch das andere an. Schwierigkeiten, Katastrophen und Gefahren; Kriege, Hungersnot und Pest; Erdbeben und schreckliche Dinge haben den Menschen nicht zur Umkehr gebracht; deshalb ist kein Aufschub mehr möglich. Aber auch dann noch schickt Gott einen Engel, um das Evangelium zu predigen.

Beachte, «ein Engel!» In unserer Zeit der Gnade benützt Gott keine Engel, sondern erlöste Sünder, um das Evangelium zu predigen. Aber dann schickt Gott einen Engel. Der Engel verkündigt das ewige Evangelium. In dieser Botschaft hören wir nichts von Vergebung der Sünden. Sie steht in Beziehung zu Gott, dem Schöpfer aller Dinge.

Das ist der Inhalt dieser Predigt. Und Engel können davon sprechen. Ein Engel also predigt das ewige Evangelium. Das ist ein Evangelium für alle Zeiten: von der Schöpfung bis zur neuen Schöpfung!

«Fürchtet Gott und gebt ihm Ehre.» So wird «mit lauter Stimme» verkündigt. «Betet den an, der den Himmel und die Erde gemacht hat und das Meer und die Wasserquellen.» Der Engel predigt das ewige Evangelium denen, die dann auf der Erde ansässig sein werden, die zu der kommenden römischen Herrschaft gehören und zu jeder Nation und Stamm und Sprache und Volk.

Das Wort «verkündigen» bedeutet hier wörtlich: evangelisieren, das Evangelium bringen. Das Ziel davon ist, dass die Menschen den Antichristen ablehnen und sich nicht vor ihm, sondern vor dem Gott des Himmels niederwerfen, um sich vor den kommenden schrecklichen Gerichten zu retten. Und die, die davon verschont bleiben, werden später vor dem Thron der Herrlichkeit des Sohnes des Menschen stehen (Mt 25,31-46). Die Schafe werden dann das Reich erben, das ihnen bereitet ist von Grundlegung der Welt an.

Nach dem wir das alles betrachtet haben, können wir in der Tat mit dem Apostel ausrufen: «O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unerforschlich sind seine Gerichte und unergründlich seine Wege!» … «Denn von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge; ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen» (Röm 11,33.36).