Im Bild Gottes, nach seinem Gleichnis

1. Mose 1,26-27; 1. Mose 5,1

«Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen in unserem Bild, nach unserem Gleichnis … Und Gott schuf den Menschen in seinem Bild, im Bild Gottes schuf er ihn; Mann und Frau schuf er sie» (1. Mo 1,26.27).

«An dem Tag, als Gott Adam schuf, machte er ihn im Gleichnis Gottes» (1. Mo 5,1).

Es ist für den Menschen eine hohe Auszeichnung, dass Gott ihn in seinem Bild, nach seinem Gleichnis geschaffen hat. Von den Engeln lesen wir nichts dergleichen. Gott wollte in dem höchsten der erschaffenen irdischen Wesen zum Ausdruck bringen, wie Er selbst ist. Während Gott sonst sprach: Es werde, die Erde lasse hervorsprossen, ging die Gottheit mit sich zu Rat, als es sich um die Erschaffung des Menschen handelte, indem Gott sagte: Lasst uns Menschen machen. Dies zeigt uns schon, welche Bedeutung Gott dieser seiner Schöpfertat zumass.

Das Bild weist auf Darstellung, auf Stellvertretung hin. Der Mensch sollte der Vertreter Gottes auf der Erde sein und diese für Ihn, nach seinem Willen und zu seiner Ehre verwalten, das war seine Aufgabe. Diese hohe Stellung des Menschen ist mit entsprechender Verantwortung verbunden. Das Sich-untertan-Machen der Erde und das Herrschen über die Tiere sollte so geschehen, dass es das Wohlgefallen Gottes finden würde.

Der Mensch ist aber auch nach dem Gleichnis Gottes erschaffen. Dies deutet darauf hin, dass er in Wesen und Eigenschaften Gott ähnlich ist, dass er vieles hat, was auch in Gott zu finden ist, wenn auch selbstverständlich nur in schwachem Mass. Mit anderen Worten, «nach unserem Gleichnis» weist darauf hin, dass der Mensch die für die Erfüllung seiner Aufgaben notwendigen Fähigkeiten von Gott bekommen hat. Das lässt uns auch verstehen, dass sich Gott bei der Mitteilung seiner Gedanken «menschlicher» Eigenschaften bedient. Diese Eigenschaften und Wesenszüge sind eben in Gott vorhanden, nur in absoluter Vollkommenheit. Aber Gott hat diese Züge nicht von uns, sondern wir haben sie von Ihm. Der Herr Jesus war auf der Erde das Bild des unsichtbaren Gottes und im Blick auf seine Wesenszüge konnte der Herr sagen: «Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.»

Gott ist allwissend; der Mensch möchte gern alles wissen. Dieser Wesenszug ist nicht als aus verdorbenem Ursprung kommend zu betrachten, sondern er ist göttlichen Ursprungs und zeigt deutlich das Gleichnis Gottes im Menschen; Gott hatte ihm den Zug zum Forschen und Ergründen aller Dinge gegeben, um seine Aufgabe zur Beherrschung der Erde erfüllen zu können, während das Tier sich mit der Stillung seiner leiblichen Bedürfnisse zufrieden gibt. Da der Mensch leider in Übertretung gefallen ist, und sich von Gott abgewendet hat, ist er in Finsternis geraten und hat Dinge zu erforschen gesucht, die sein Erkenntnisvermögen überschreiten und in denen er auf die Offenbarung vonseiten Gottes angewiesen ist. Gottes Wort warnt die Gläubigen mit allem Nachdruck vor der Philosophie und ihrem eitlen Betrug, vor «der fälschlich sogenannten Kenntnis». Es ist finsterer Hochmut, wenn man meint, Dinge ergründen zu können, die ausserhalb von dem liegen, was Gott von sich offenbart hat. Hierbei lässt man auch die kostbare Offenbarung Gottes von sich selbst, sein Wort, völlig unbeachtet, so, als existierte es nicht. Dies zeigt uns das ganze Verderben des menschlichen Herzens in seiner Gottesferne.

In der Schöpfung gibt es von Gott Erkennbares, «denn das Unsichtbare von ihm wird geschaut, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, die von Erschaffung der Welt an in dem Gemachten wahrgenommen werden» (Röm 1,20). Auf diesem Feld seiner Forschungen hat der Mensch ausserordentliche Erfolge gehabt, aber leider muss man sagen, dass er dabei sich selbst rühmt und meistens Gott vergisst. Immerhin hat es auch grosse Naturforscher gegeben, die gläubig oder doch gottesfürchtig waren und Gott die Ehre gaben; aber diese Ausnahmen bestätigen nur die Regel, dass der Mensch sich selbst sucht und dass seine Beweggründe für solche Forschungen oft keine guten sind.

Gott ist allmächtig, und der Mensch will manchmal möglichst viel Macht in seiner Hand haben. Dadurch, dass er unter die Macht Satans gekommen ist, hat er die ihm anvertraute Gewalt und Machtbefugnis oftmals missbraucht und zum Schaden seiner Mitmenschen benutzt. Die Geschichte des Menschen ist mit Blut geschrieben, Kriege kennzeichnen sie, «Verwüstung und Elend ist auf ihren (das ist der Menschen) Wegen und den Weg des Friedens haben sie nicht erkannt» (Röm 3,16.17). Warum das alles? Mehr noch als Habgier ist Ehrgeiz und Machtgier die Ursache von Kriegen und Streitigkeiten aller Art gewesen. Im Blick auf die Regierung eines Volkes findet man selten, dass ein Herrscher seine Verantwortung vor Gott fühlt.

Ein kostbarer Wesenszug Gottes, über den sich der gläubige Christ je länger je mehr freut und Gott dafür preist, ist der, dass Er sich offenbart hat und offenbaren will. Wie einmal jemand gesagt hat: Gott offenbart sich, der Teufel verbirgt sich. Gott will gekannt sein und in seinen Gedanken und Absichten verstanden werden von den Menschen, denen Er dafür das nötige Rüstzeug, den Geist, gegeben hat. Von Gott kann der Mensch lernen, durch Ihn kann er seine Gedanken berichtigen, seine Geistes- und Verstandeskräfte bilden und in die richtigen Bahnen leiten lassen. Diese Gedanken kann er durch Wort und Schrift anderen mitteilen. Was diese Mitteilungsfähigkeit für eine wertvolle Gabe ist und welche weittragenden Wirkungen durch sie erreicht werden, sei es zum Guten oder zum Bösen, macht man sich meist nicht klar. Man sieht es schon bei kleinen Kindern, dass sie ihre Erlebnisse und Empfindungen mitteilen wollen; dies ist etwas ganz Natürliches, und Eltern sollten für die Worte ihrer Kinder stets ein offenes Ohr haben. Vor dem Sündenfall finden wir nur ein Wort Adams und die Unterredung der Frau mit der Schlange, die im Sündenfall endete. Alle übrigen von Menschen gesprochenen Worte gehören der Zeit an, in der er unter der Macht der Sünde und des Satans ist. Wie hat doch der Mensch die kostbare Gabe der Sprache, die ihn auch vom Tier wesentlich unterscheidet, so häufig missbraucht! Man kann sicher nicht sagen, dass alle gesprochenen Worte des Menschen böse sind und dass er nur verkehrte Gedanken äussert, aber sie sind doch immer wieder durchsetzt vom Bösen. Welch ein erschreckender Gedanke!

Der Mensch sollte seine Worte zur Ehre Gottes und zur Freude und zum Nutzen des Nächsten gebrauchen, stattdessen aber ist «ihr Schlund ein offenes Grab; mit ihren Zungen handelten sie trügerisch» (Röm 3,13). Die Lüge, dazu noch aus habsüchtigen Beweggründen ausgesprochen, ist weit verbreitet. Man lügt, wenn es einem gut erscheint, so dass die Gerichte die geladenen Zeugen vereidigen müssen, damit sie die Wahrheit sagen. «Schlangengift ist unter ihren Lippen.» Wie viel böse und giftige Worte schleudert man oft seinem Nächsten ins Gesicht, mit wie viel schmähenden Worten redet man den an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist! Und auch Gott gegenüber nimmt man sich nicht in Acht, man missbraucht seinen Namen, und Er muss klagen: «ihr Mund ist voll Fluchen und Bitterkeit». Wahrlich, welch ein kleines Glied ist die Zunge, und wie viel Schaden und Elend richtet sie an! Sie ist «ein unstetes Übel, voll von tödlichem Gift» (Jak 3,8)!

Der wiedergeborene Christ hat nötig, ermahnt zu werden, von der Sprache einen solchen Gebrauch zu machen, dass Gott verherrlicht wird oder dass der Nächste einen Nutzen davon hat. Von dem, was in ihm vorgeht oder was ihn beschäftigt, darf er anderen Mitteilung machen, denn dieser könnte es sonst nicht wissen. Es ist sicher etwas Grosses, jemand zu haben, dem man alle seine inneren Empfindungen mitteilen darf. Gott hat uns gegenüber auch so gehandelt, hat uns seine Pläne und Absichten, ja, sogar seine Empfindungen kundgetan. Wenn wir auch Weisheit benötigen, um uns jemandem gegenüber zu öffnen, so ist es Gott sicher nicht wohlgefällig, wenn man unter Brüdern und Schwestern verschlossen ist. In solchem Fall will man vielleicht etwas verbergen, und das ist gewiss nichts Gutes. Paulus schreibt den Korinthern: «Gott aber sind wir offenbar geworden; ich hoffe aber, auch in euren Gewissen offenbar geworden zu sein» (2. Kor 5,11). Nicht umsonst wird geschildert, dass das himmlische Jerusalem eine Strasse von reinem Gold habe, «wie durchsichtiges Glas». Im Himmel wird es keine Schatten geben, keinen Körper, der das Licht nicht durchlässt, sondern alles wird Licht und durchsichtig sein. Schon jetzt sollte es bei den Christen so sein.

Wenn man sich unter Menschen offenbaren will, soll man über die Beweggründe seines Herzens wachen, dass sie nicht unlauter sind. Und wenn man solche Mitteilungen von Gleichgesinnten entgegennimmt, so sollte man wohl verstehen, in welch einer Gesinnung der andere sich aufschliesst. Muss dabei jedes Wort, wie man sagt, auf die Goldwaage gelegt werden, so ist ein wahrer Gedankenaustausch nicht möglich, weil es an Vertrauen und Liebe fehlt. Bei alledem müssen wir beachten, was uns Christen gesagt wird: «Redet Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten, denn wir sind Glieder voneinander» (Eph 4,25). Wenn sich wahre und treue Christen einander nicht aufschliessen können, wer sollte es dann tun?

Gott ist heilig. Er schuf den Menschen zwar nicht heilig, aber unschuldig. Die Kenntnis von Gut und Böse besitzt der Mensch erst seit seinem Fall im Paradies. Wenn das Gewissen nicht verbildet oder verhärtet ist, hat der natürliche Mensch ein gewisses Rechtsempfinden; Gott hat ihn aufrichtig geschaffen, der Mensch aber hat viele Ränke gesucht (Pred 7,29). Gott liebt die Wahrheit im Innern, und dazu gehört auch ein gerades, aufrichtiges Wesen. Dessen haben wir Kinder Gottes uns zu befleissigen, besonders in einer Zeit, da viele sittliche Werte umgestossen und das Wort Gottes so wenig anerkannt wird. Deswegen unterweist uns die Gnade Gottes, in dem jetzigen Zeitlauf besonnen und gerecht und gottselig zu leben.

Der Ausdruck «Bild» umfasst des Öftern sowohl die Seite der Stellvertretung als auch die der Darstellung des Wesens Gottes. In 1. Korinther 11,7 heisst es vom Mann, dass «er Gottes Bild und Herrlichkeit» sei, die Frau aber ist des Mannes Herrlichkeit. Der Mann hat also in dem Verhältnis der Geschlechter zueinander Gottes Gedanken zu vertreten und soll sein Wesen an den Tag legen. Er sorgt in der Familie mehr für die Aufrechterhaltung der Grundsätze, die er vom Herrn gelernt hat, denn «der Christus ist das Haupt eines jeden Mannes, der Frau Haupt aber der Mann». Die Aufrechterhaltung dieser von Gott gegebenen Ordnung, indem der Mann seine Stellung einnimmt, ist von überaus grosser Wichtigkeit, sowohl für die Familie als auch für das bürgerliche Leben, besonders aber für die Versammlung. Daher will Satan diese Ordnung umstossen und alles in Verwirrung bringen. Bei aller Schwachheit, die wir zu beklagen und deren wir uns zu schämen haben, möge der Herr den Brüdern Gnade schenken, ihrer Verantwortung im Haus und in der Versammlung nach den Gedanken Gottes nachzukommen!

Welch ein bewegender Gedanke ist es doch, dass der Mann Gottes Bild und Herrlichkeit ist, dass also ein Weniges von der Herrlichkeit Gottes durch den Mann offenbar wird! Der Mann ist somit dafür verantwortlich, die herrlichen Züge Gottes in all den Beziehungen kundzutun und so zu seiner Verherrlichung und Ehre beizutragen, und es ist beachtenswert, dass Gott im Blick auf diesen Punkt in der angeführten Stelle nicht die Vergangenheitsform (war), sondern die Gegenwartsform (ist) gebraucht, obgleich durch die Sünde vieles verdunkelt worden ist.

Dabei ist der Mann vor allem auch verpflichtet, Liebe, Geduld und Langmut zu offenbaren, wie sie Gott auch uns gegenüber in so herrlicher und oft dargestellter Weise getan hat. Es steht gerade einem Bruder gut an, gegen Irrende milde und gegen Schuldige langmütig zu sein. Einander zu lieben, ist das erste und grösste Gebot für alle Christen. Aber auf dem Mann als «Gottes Bild» liegt hierin noch eine besondere Verantwortung, oder besser gesagt, ein besonderes Vorrecht. Es wird ein Wunsch aller aufrichtigen Christen sein, dass Gottes Charakterzüge in dieser Welt durch seine Kinder noch zum Ausdruck kommen.

«Gott ist langmütig gegen euch.» Wenn auch alle dazu ermahnt werden, so soll doch besonders der Mann im Blick auf die Schwachheiten anderer langmütig sein. «Die Einsicht eines Menschen macht ihn langmütig, und sein Ruhm ist es, Vergehung zu übersehen» (Spr 19,11). Man ist Gott sicher nicht ähnlich, wenn man meint, Vergehungen nicht übersehen zu können, sondern bis zum letzten klarstellen zu müssen. Der Herr Jesus wohnte voller Gnade und Wahrheit unter seinem Volk. Möchten wir Ihm gleichen! Dann wird auch unser Wort allezeit in Gnade sein, mit Salz gewürzt, zu seiner Ehre.