«Die Zwölf aber … sprachen: … Wir aber werden im Gebet und im Dienst des Wortes verharren» (Apg 6,4).
Gebet ist selbstverständlich für jede Form des Dienstes für den Herrn nötig, aber der öffentliche Dienst ist das Thema, den wir jetzt betrachten wollen, als eine Aktivität, zu der Abhängigkeit von Gott im Gebet besonders nötig ist. Das Gebet muss im Leben des Dieners, der das Wort verkündigt, in seinem Privatzimmer, vor seinem Schreibtisch, hauptsächlich die treibende Kraft und das wichtigste Element sein. Es darf nicht auf einen nebensächlichen Platz verwiesen werden. Man darf es nicht als eine Art äussere Tünche verwenden. Geht man zu weit, wenn von einem solchen Diener erwartet wird, dass er mit seinem Herrn manchmal «die ganze Nacht im Gebet verharrt»?
Auf alle Fälle möge er sich in einer selbstverleugnenden Art des Gebetes üben. Er sollte seinen Meister betrachten, von dem Markus berichtet: «Frühmorgens, als es noch sehr dunkel war, stand er auf und ging hinaus; und er ging hin an einen öden Ort und betete dort» (Mk 1,36). Das Zimmer des Dieners sollte sein «öder Ort», sein Bethel, sein Altar, seine «Jakobsleiter» sein. Da sollte jeder seiner Gedanken himmelwärts steigen, bevor sein Dienst menschenwärts gerichtet ist. Ist Gott im Studierzimmer, werden die Gedanken gereinigt und geheiligt für die öffentliche Plattform.
Keine der alten Dampfmaschinen setzte sich in Bewegung, bevor das Feuer entflammt war und den Kessel mit Dampf erfüllte. Und das Predigen – so vollendet die Beredsamkeit sein mag – ist geistlich tot, wenn nicht das Gebet Feuer und Wärme vom Himmel hineinbringt. Das Angesicht des Stephanus, das wie eines Engels Angesicht war, als er zum Synedrium redete, war nicht der Ausdruck einer augenblicklichen inneren Bewegung bei dieser Gelegenheit. Es war der Ausdruck seines persönlichen Umgangs mit Gott in seinem Wandel. Stephanus war «voll Heiligen Geistes und Weisheit», «voll Gnade und Kraft».
Das persönliche Gebet des Dieners soll nicht formell oder unbestimmt, sondern wahrhaftig, aufrichtig und ernsthaft sein. Der ganze innere Mensch muss daran beteiligt sein. Es muss geäussert werden in der Gewissheit des Einsseins mit Christus und der Annahme in seinem Namen. Es soll der mächtigen Kraft des Geistes, einem Eifer für die Herrlichkeit Gottes entspringen, begleitet von einem Bewusstsein der eigenen Wertlosigkeit und Hilflosigkeit.
Es ist wahr, leider wahr, dass auch mit wenig oder sogar ohne Gebet eine volkstümliche, angenehme und anziehende Wortverkündigung möglich ist, voll intellektueller, gebildeter und geistreicher Gedanken, die ein gewisses Mass von «Gutem» bewirkt. Aber dem Predigen, das die Seelen der Erlösten nährt, die Gewissen der Unerretteten durchbohrt, gehen die Gebete des Predigers voraus; das Dienen geschieht in der Kraft und dem Geist des Gebets, und es folgen ihm die anhaltenden Gebete des Dieners nach.
Es gibt viele Ansprachen, die angenehm empfunden werden, da sie lieblich sind für das Ohr; aber ihre Auswirkungen sind so kurzlebig wie der Morgentau. Der Redner hat nicht im Verborgenen vor dem Gnadenthron gestanden. Das Leben ist kein Picknick, sondern ein Stehen an der Front. Die Lenden müssen für den Kampf, der keinen Waffenstillstand kennt, umgürtet sein.
Nur auf seinen Knien, in der Gegenwart Gottes verwirklicht der Diener, dass der grosse Feldzug gegen die Kräfte des Bösen in den himmlischen Örtern ausgetragen wird. Wir kämpfen nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Fürstentümer und Mächte in der unsichtbaren Welt. Angesichts solcher Gegner muss der, der den Dienst des Wortes ausübt, die Notwendigkeit spüren, «mit allem Gebet und Flehen in dem Geist» zu beten.
Die Diener des Herrn, die die grössten Erfolge in ihrem Dienst für Gott erzielen, sind Männer des Gebets. Bevor sie es wagen, mit ihren Mitmenschen zu reden, suchen sie durch ihr Flehen zu Gott den Sieg zu erringen. Die in ihrem Zimmer mit Gott am mächtigsten sind, sind auch die wirkungsvollsten in ihrem Dienst unter den Menschen.
Beten ist schwere geistliche Arbeit und ein demütigendes Werk. Intellektueller Stolz, Selbstvertrauen und Eitelkeit ersticken im Gebet. Es ist leichter, nicht zu beten als zu beten. Darum ist das schreiende Übel dieser Tage und vielleicht aller Zeiten dies: wenig oder kein Gebet vor und nach dem Rednerpult.
Der geringe Wert, den manche Verkündiger des Wortes dem Gebet beimessen, zeigt sich in der kurzen Zeit, die sie ihm widmen. Die Gebetszeit zählt in ihrem täglichen Stundenplan kaum als wichtiges Traktandum. Nur allzu oft erfolgt ihr Gebet nur am Bett im Nachtgewand, wenn sie froh sind, bald schlafen zu können. Vielleicht bringen sie auch am Morgen einige hastige Bitten vor den Herrn. Kurze Gebete mit langen Zwischenräumen ist oft die Regel für die, die mit ihren Freunden endlos reden können über die Theorien des Gebets und die Methoden des Predigens.
Möchten doch alle, die sich am Dienst des Wortes beteiligen, daran denken, dass das Gebet ihre Hauptaufgabe ist, und ihm in dem Mass Zeit widmen, wie sie dessen hohe Bedeutung einschätzen. Intensives Gebetsleben ist das Zeichen und das Siegel der gesegneten Diener Gottes, auf denen grosse Gnade und grosse Kraft ruhte, zum Segen für viele.
Die Aufgabe des Dieners des Herrn besteht sowohl im Beten als auch im Predigen, und sein Dienst ist unvollkommen, wenn er nicht in beiden eifrig und treu ist. Ein Prediger mag mit der ganzen Beredsamkeit der Menschen und der Engel reden; wenn er aber nicht mit einem Glauben beten kann, der die Kraft des Himmels zu seiner Hilfe herabzieht, so wird sein Reden nur wie «ein tönendes Erz oder eine schallende Zimbel» sein, was die Verherrlichung Gottes, die Auferbauung der Gläubigen und die Errettung von Seelen anbetrifft.
Daher sollen die Worte jedes Dieners, obgleich einfach und schlicht, so wie auch sein tägliches Leben, mit Glauben bewaffnet und durch das Gebet beflügelt sein. Gott wird dann zu seiner eigenen Verherrlichung und zum Segen der Menschen mitwirken, und Er, der die Verheissung gegeben hat, ist treu.