Der andere Sachwalter (4)

Bis dahin befassten wir uns mit dem Herabkommen des Heiligen Geistes, des «anderen Sachwalters» auf die Erde, mit seiner Innewohnung in jedem einzelnen Erlösten und mit den praktischen Auswirkungen in deren Leben. Zum Schluss folgen nun noch einige Gedanken über die Bedeutung seiner Anwesenheit in der Versammlung Gottes.

Der Heilige Geist wohnt in der Versammlung Gottes auf der Erde

Der Apostel erinnerte die Gläubigen in Korinth zweimal an diese Tatsache. «Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?» (1. Kor 3,16) – «Ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott gesagt hat: ‹Ich will unter ihnen wohnen und wandeln, und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein›» (2. Kor 6,16).

Wie wir sahen, ist es überaus wichtig, dass sich der einzelne Erlöste ständig bewusst bleibt, dass sein Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist. Nur wenn er in Ihm wandelt, wird in seinem Leben die Frucht des Geistes zur Ehre Gottes und zum Segen der Menschen offenbar werden (Gal 5,22.23).

Ebenso wichtig ist aber festzuhalten, dass Gott durch seinen Geist auch in seiner Versammlung auf der Erde wohnt, als in seinem Tempel, und überall da, wo sich eine örtliche Darstellung von ihr findet. Nur wenn Gottes Geist ungehindert unter uns wirken kann, wird unser gemeinsames Zeugnis gesegnet sein.

Nicht nur heute, sondern auch damals schon, in der Versammlung in Korinth, wurde diese Wahrheit zu wenig beachtet, und wir sehen an ihrem Beispiel, wie dadurch die Erbauung der Versammlung gestört oder verhindert wird. Besonders die Kapitel 12 – 14 des ersten Briefes an die Korinther sind in dieser Beziehung aufschlussreich. Sie zeigen die Art und die Ziele der Tätigkeit des Geistes unter ihnen, aber auch ihr bezügliches Verhalten.

Geistliche Gnadengaben

Schon am Anfang seines Briefes dankt der Apostel seinem Gott dafür, dass die Korinther in Christus Jesus in allem reich gemacht worden waren, in allem Wort und aller Erkenntnis, und dass sie in keiner Gnadengabe Mangel hatten (1. Kor 1,4-7). Im zwölften Kapitel zählt er diese Gnadengaben auf und fügt hinzu: «Dies alles aber wirkt ein und derselbe Geist, einem jeden insbesondere austeilend, wie er will» (1. Kor 12,7-11). Das also ist eine der hauptsächlichen Wirkungen des Heiligen Geistes in der Versammlung: Er teilt unter die vielen Glieder mancherlei Gaben aus. Wer eine geistliche Gabe besitzt, ist befähigt und zugleich verantwortlich, den ihr entsprechenden Dienst «zum Nutzen» aller auszuüben.

Die Korinther handelten aber, als ob es nur zwei solcher Gnadengaben gäbe, die praktiziert werden sollten: das Reden in Sprachen und die Gabe der Heilungen. Denn diese zogen die Aufmerksamkeit auf die Person, die so redete oder Heilungen vollbrachte, als auf ein besonderes Werkzeug der göttlichen Macht. Sie suchten eben die eigene Ehre.

Das gibt dem Heiligen Geist hier Veranlassung, das zu betonen, was seine Gegenwart in der Versammlung kennzeichnet: «Es sind aber Verschiedenheiten von Gnadengaben, aber derselbe Geist» (1. Kor 12,4). Alle geistlichen Gaben, die Er austeilt, sollen in der Gemeinde zur Ausübung kommen, wenn sie den Charakter der Versammlung Gottes haben soll. Obwohl so verschiedenartig, ob in den Augen der Menschen gross oder gering, kommen sie doch alle aus derselben Quelle und haben Gott zum Urheber. Wir sollten daher auch die unscheinbarste geistliche Gabe als von Ihm kommend wertschätzen.

Noch etwas hatten die Korinther vergessen: «Und es sind Verschiedenheiten von Diensten, und derselbe Herr» (1. Kor 12,5). Der Besitz einer Gnadengabe gibt dem Gläubigen nicht das Recht, als sein eigener Meister damit zu wirken; sie macht ihn vielmehr verantwortlich, dem Herrn, in seiner Abhängigkeit, damit zu dienen. Auch soll jeder Dienst zur Ehre Gottes sein, denn Er ist es ja, der ihm Wirksamkeit verleiht (1. Kor 12,6).

Viele Glieder – ein Leib

Um diese Wahrheiten zu illustrieren und zu unterstreichen, dass wir, je nachdem jeder eine Gnadengabe empfangen hat, einander damit dienen sollen (1. Pet 4,10), kommt Paulus jetzt auf den geistlichen Leib des Christus zu sprechen, der aus allen Erlösten auf der Erde besteht: «Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt worden» (1. Kor 12,13). Der Herr betrachtet die Gläubigen als durch den Geist so eng miteinander und mit Ihm, dem Haupt verbunden, wie es die Glieder eines menschlichen Körpers sind, wo alle dieselbe Sorge füreinander haben (1. Kor 12,14-27). Der Apostel hebt noch hervor, dass es im menschlichen Leib Organe gibt – wie zum Beispiel Herz oder Lunge – die zwar verborgen sind, aber grössere Bedeutung haben können als ein sichtbares Glied, wie Auge oder Hand. So gibt es auch im Leib Christi verborgene Glieder mit einem Dienst, der nicht in die Augen fällt, aber überaus wichtig ist. Mit diesem Vergleich tadelt er die Eitelkeit derer, die sich immer ins Rampenlicht stellen wollten, und andere Gaben am Dienst hinderten. – Lasst auch uns dies beachten!

Der wahre Beweggrund zur Ausübung der Gaben (1. Kor 13)

Das 13. Kapitel ist nicht etwa ein Unterbruch im Thema über die geistlichen Gaben und deren Dienst, wovon das 12. und 14. Kapitel reden. Vielmehr zeigt es uns auf eindringliche Weise, was uns zum Handeln bewegen soll. Manche der Korinther hatten um Geistesgaben geeifert, um dadurch selbst in den Vordergrund zu kommen. Doch hätten sie vor allem danach streben sollen, dass die göttliche Liebe, die ja durch den Heiligen Geist in ihre Herzen ausgegossen war (Röm 5,5), sie erfüllen und ihr ganzes Tun und Lassen beherrschen möge. Selbst wenn ich die glänzendsten geistlichen Gaben besässe – zu denen sie das Zungenreden zählten –, sagt hier der Apostel, aber nicht die Liebe es ist, die mich antreibt, sie zu verwenden, so bin ich nichts. Ich bin dann so wenig zum Nutzen, wie ein tönendes Erz oder eine schallende Zimbel – eine wichtige Feststellung, die auch wir wohl beachten sollten. Der Geist ist es, durch den die Gaben ausgeteilt werden, und durch Ihn, den Geist der Liebe, sollen sie zur Ausübung kommen (2. Tim 1,7).

So ist also dieses Kapitel wohl geeignet, uns im Dienst in der rechten Spur zu leiten. Es deckt die falschen Beweggründe auf und ermuntert zu völliger Hingabe, auch wenn dies manche Widerwärtigkeiten und Leiden einbringt.

«Alles geschehe zur Erbauung»

Erbauung der Versammlung ist das, was der Heilige Geist anstrebt. Im 14. Kapitel wird immer wieder darauf hingewiesen – siehe die Verse 3, 5, 12, 17, 26. Auch das wollen wir uns vor Augen halten. Wenn die Korinther dies erwogen, so konnten sie nicht länger die damalige Gabe, «in einer Sprache zu reden», in den Vordergrund rücken. Besonders, wenn kein Ausleger da war, konnte das Zungenreden weder Gläubigen noch Ungläubigen zum Segen sein. Die Gabe der Weissagung hingegen diente viel mehr zur Auferbauung, die Gabe also, das Wort Gottes durch den Geist auf Herz und Gewissen, entsprechend den vorliegenden Bedürfnissen anzuwenden, wodurch die Seelen ins Licht Gottes gestellt wurden und seine Gedanken erkannten.

Die Leitung des Geistes in den Zusammenkünften

Über diesen wichtigen Punkt seien hier nur einige Gedanken geäussert: die örtliche Versammlung setzt sich aus so und so vielen einzelnen Gläubigen zusammen. Wenn nun jene, die «als Versammlung zusammenkommen», schon in ihrem persönlichen Leben im Geist wandeln und sich üben, sich seiner Leitung zu unterstellen, so ist auch in den Zusammenkünften, im Gottesdienst, in den Gebeten und im Dienst des Wortes die Voraussetzung gegeben, dass Er sie leiten kann.

Manche der Korinther meinten, wenn jemand durch den Heiligen Geist rede, dann sei er gezwungen, dies zu tun. Nein, sagt der Apostel: «die Geister der Propheten sind den Propheten untertan» (1. Kor 14,32). Der Dienende ist völlig frei, seine Gabe so anzuwenden und so zu dienen, wie er es vor dem Herrn, dem gegenüber er in seinem Dienst verantwortlich ist, als richtig erkennt. Er wird dabei überlegen: Ist es Liebe, die nicht das Ihre sucht, sondern das Wohl der anderen, die mich zum Handeln veranlasst? Mag mein Wirken, mag das Wort, das ich auf dem Herzen habe, zum Nutzen, zur Auferbauung aller sein? Ist vielleicht «einem anderen, der dasitzt» ein Wort der Weissagung gegeben? (1. Kor 14,30), einem jüngeren Bruder eventuell, der noch nicht so geübt ist, eine empfangene Gabe zu gebrauchen, aber den der Herr benutzen will?

In Korinth waren viele Brüder, mit manchen geistlichen Gaben. Wenn sie zusammenkamen, hatte «jeder einen Psalm, eine Lehre», usw. Der Apostel musste sie zurückhalten, damit nicht zwei zugleich oder zu viele nacheinander dienten (1. Kor 14,26-33). Heute ist es eher so, dass manche, die der Herr brauchen möchte, durch starke Inanspruchnahme bei der täglichen Arbeit oder andere Dinge, nicht zum Dienst bereit sind und ihn gern immer denselben Brüdern überlassen. Da ist wohl mehr die Ermahnung am Platz, die der Apostel dem Archippus gegeben hat: «Sieh auf den Dienst, den du im Herrn empfangen hast, dass du ihn erfüllst» (Kol 4,17).

Hindernisse für die Wirksamkeit des Geistes

Dass der Heilige Geist in der Versammlung Gottes auf der Erde wohnt, zeigt sich also darin, dass in Ihm alle erlösten und wiedergeborenen Christen zu einem geistlichen Leib getauft sind, wovon Christus das verherrlichte Haupt ist. Jeder besitzt dasselbe Heil in Christus und ist mit Ihm eins gemacht; doch ist jeder auch durch den Geist mit allen übrigen Gliedern eng verbunden. Wie wir uns jetzt daran erinnert haben, sind zudem durch den Geist der Versammlung geistliche Gaben zu deren Auferbauung ausgeteilt worden, und Er ist auch die Kraft, um sie in Weisheit und Liebe im Dienst des verherrlichten Herrn, dem der Leib unterworfen ist, auszuüben. Nur da, wo man diese Wahrheiten anerkennt und befolgt, kann die Versammlung ihrem Charakter gemäss dargestellt werden.

Im Gegensatz zum unreinen Geist von unten, kann der Heilige Geist auch in der Versammlung nur da seine volle Tätigkeit entfalten, wo Ihm nicht durch fleischliche Gesinnung, fremde Lehren und Sünde Hindernisse in den Weg gelegt werden. In Korinth waren solche Hindernisse vorhanden, und sie sollen uns zur Warnung dienen.

Unter ihnen waren Spaltungen (1. Kor 1-3)

Sie «redeten nicht alle dasselbe», und sie fanden das ganz in Ordnung (1. Kor 1,10). Wie die Schüler der Philosophen sich zu ihren Meistern bekannten, so sagten auch sie: «Ich bin des Paulus, ich aber des Apollos, ich aber des Kephas, ich aber des Christus» (1. Kor 1,10). Sie liessen sich von den Verstandes-Überlegungen des natürlichen Menschen (1. Kor 2,14), also von der Weisheit der Welt beeindrucken. Statt dass jeder in Einfalt und Demut des Herzens die göttlichen Offenbarungen festhielt, die ihnen der Apostel durch den Heiligen Geist gegeben hatte, waren sie also «Fleischliche» geblieben, Unmündige in Christus, im geistlichen Wachstum gehindert (1. Kor 3,1-3).

Wie wurde die Wirksamkeit des Geistes Gottes dadurch gestört! Paulus trat daher dieser Gefahr mit grosser Überzeugung und Entschiedenheit entgegen. «Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht»? (1. Kor 1,20), fragte er sie. Das hatte er längst eingesehen. Er war daher nicht in menschlicher Redeweisheit zu ihnen gekommen; seine Verkündigung hatte einen anderen Ursprung: «Christus hat mich … ausgesandt … das Evangelium zu verkündigen; nicht in Redeweisheit, damit nicht das Kreuz Christi zunichtegemacht werde. Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die wir errettet werden, ist es Gottes Kraft» (1. Kor 1,17.18).

Auch wir haben uns vor dieser Gefahr zu hüten. Der Geist ist gehemmt, wenn uns Menschenweisheit hindert, auf seine Belehrungen im Wort Gottes zu hören.

Sie duldeten Böses in ihrer Mitte (1. Kor 5 – 6)

Korinth war Umschlagplatz des internationalen Handels, ein Wohnort reicher Kaufleute und zugleich eine Stadt sprichwörtlicher Sittenlosigkeit. Aus dieser Stadt, aus einer solchen «gegenwärtigen bösen Welt» hatte sich der Herr Jesus «ein grosses Volk» (Apg 18,10) als «die Versammlung Gottes in Korinth» herausgenommen. Einige von ihnen waren Mitläufer desselben Treibens der Ausschweifung gewesen, aber in Christus waren sie vor Gott abgewaschen, geheiligt und gerechtfertigt (1. Kor 6,11). Doch hatte der Geist Gottes grosse Mühe, bei ihnen allen auch eine praktische Erneuerung ihres Sinnes herbeizuführen (Röm 12,2). Der Einfluss früherer Gewohnheiten und Anschauungen, in denen die Mitbewohner der Stadt so selbstverständlich weiterlebten, war stark. Deswegen hatten sie auch über den Fall von Hurerei in ihrer Mitte nicht leidgetragen und den Bösen nicht hinausgetan (1. Kor 5,13).

Wie sehr wurde der Heilige Geist durch dieses Böse in ihrer Mitte betrübt! Welch grosse Wachsamkeit und Gnade haben auch wir nötig, um den gleichen Einflüssen um uns her dauernd zu widerstehen und in der Versammlung Zucht zu üben.

Über diese grosse Wahrheit, dass der Heilige Geist herabgekommen ist, um sowohl im einzelnen Gläubigen als auch in der Versammlung Gottes, dem Leib Christi auf der Erde, zu wohnen und «als der andere Sachwalter» zu wirken, wäre noch vieles zu sagen. Vor allem aber lasst uns viel darüber nachdenken und durch Selbstgericht alles beiseite räumen, was seiner überaus gesegneten Tätigkeit unter uns im Weg stehen mag. Gott gebe uns zu seiner Ehre in diesen letzten Tagen des christlichen Zeugnisses Gnade dazu.