Barnabas

Apostelgeschichte 4,36-37; Apostelgeschichte 9,26-30; Apostelgeschichte 11,19-30; Apostelgeschichte 13,1-14.28; Apostelgeschichte 15,25-26.35-39

Über diesen Mitarbeiter des Paulus, der den Apostel der Nationen auf seiner ersten Missionsreise begleitete, finden sich in der Apostelgeschichte und in den Briefen mancherlei Hinweise. Wenn wir sie zusammensetzen, entsteht das Bild eines gesegneten Mannes, der uns in vieler Hinsicht zum Vorbild sein kann. «Seht hin auf die, die so wandeln», sagt uns das Wort (Phil 3,17).

Ein Sohn des Trostes

Wir begegnen Barnabas zuerst in Apostelgeschichte 4, wo die ersten Tage der Versammlung, die der Herr zu bauen begonnen hatte, beschrieben sind. Die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. In ihrer «ersten Liebe» hatten sie alles gemeinsam; nicht einer sagte, dass etwas von seiner Habe sein eigen wäre. Mit grosser Kraft legten die Apostel das Zeugnis von der Auferstehung des Herrn Jesus ab. Grosse Gnade war auf ihnen allen.

Unter diesen ersten Christen wird hier besonders Joseph («Er füge hinzu») erwähnt. Das war der Name, den man ihm gab, als er als Levit und Zyprier geboren wurde. Aber nun war er «von neuem geboren», eine «neue Schöpfung», einer der Christen, denen Gott Gnade um Gnade hinzufügen konnte. Bei ihm war geistliches Wachstum vorhanden; alle konnten es wahrnehmen.

Bald wurde er von den Aposteln auch «Barnabas» genannt; denn er war unter der grossen Schar der Gläubigen ein wahrer «Sohn des Trostes» geworden. Jeder Bruder, der mit seinem Herrn wandelt, findet in Ihm einen «Trost der Liebe», hat im Wort und in den Verheissungen Gottes einen «starken Trost» und darf durch seine Treue auch für andere «ein Trost» sein (Phil 2,1; Heb 6,18; Kol 4,11). Barnabas aber war ganz besonders bestrebt, die Heiligen in Jerusalem in den beginnenden Verfolgungen und Drangsalen zu trösten; das kennzeichnete ihn. Aus 2. Korinther 1,3-7 wissen wir, dass, wer andere in allerlei Drangsal trösten will, selber in Drangsal und Leiden gewesen und darin vom «Vater der Erbarmungen und Gott allen Trostes» getröstet worden sein muss. Barnabas hatte für sich selbst von diesem Balsam gesammelt und wusste damit auch andere, verwundete Herzen zu heilen.

Da sein Herz bis obenan mit der Liebe des Christus erfüllt war, war er wie mehrere andere jener Geschwister bereit, sein Besitztum zu veräussern und den Erlös zu den Füssen der Apostel niederzulegen, damit diese jeden der Geschwister austeilen konnten, so wie einer irgend Bedarf hatte.

Dass er den einen Acker, den er besass, verkaufte, hatte vielleicht noch einen anderen Grund: Dieses Landstück richtig zu bebauen, hätte ihn viel Zeit gekostet, die er ganz im Dienst seines Herrn verwenden wollte, der ihn dazu berufen hatte. Geld und Zeit, alles, was er hatte, wollte er Ihm weihen.

Barnabas schlägt für Paulus eine Brücke

Die zweite Erwähnung des Barnabas findet sich in Apostelgeschichte 9,26-30. In der Zwischenzeit hatte die Versammlung in Jerusalem, wie wir wissen, viel Schweres durchgemacht: Stephanus war gesteinigt und damit das Zeugnis des Heiligen Geistes über die Verherrlichung Jesu zur Rechten Gottes verworfen worden. Als Folge davon «entstand aber an jenem Tag eine grosse Verfolgung gegen die Versammlung, die in Jerusalem war; und alle wurden in die Landschaften von Judäa und Samaria zerstreut, ausgenommen die Apostel» (Apg 8,1). Der «Jüngling» Saulus war dabei einer der Rädelsführer. Er «schnaubte Drohung und Mord gegen die Jünger des Herrn», sogar bis nach Damaskus hin. Doch auf dem Weg zu dieser Stadt trat ihm der verherrlichte Herr selbst entgegen und bewirkte in ihm eine totale Umkehr: Saulus selbst wurde ein Jünger des Herrn, ein wohl ausgerüstetes Werkzeug zur Auferbauung seiner Versammlung. Wie gross und anhaltend war jetzt sein Schmerz, dass er «zuvor ein Lästerer und Verfolger und Gewalttäter war»; noch viel später nannte er sich daher «der erste der Sünder» (1. Tim 1,13-15).

Als sich Paulus nach drei Jahren (Gal 1,17.18; Apg 9,26-27) den Jüngern in Jerusalem anzuschliessen versuchte, fürchteten sich alle vor ihm und glaubten nicht, dass er ein Jünger sei, da sie ihn nur von früher her in Erinnerung hatten und von den inzwischen vorgefallenen Begebenheiten anscheinend keine Kenntnis hauen. Das musste Paulus erneut tief niedergebeugt und daran erinnert haben, wie er hier in Jerusalem in Unwissenheit und blindem Eifer gewütet hatte! Wenn die Brüder ihm nicht vertrauten, wie konnte er da jemals frei dem Herrn dienen?

Barnabas aber ging ihm nach, sprach sich mit ihm aus und brachte ihn zu den Aposteln. Er konnte ihnen erzählen, wie Saulus bekehrt worden war und in Damaskus freimütig in dem Namen Jesu gesprochen hatte. Barnabas traute der Gnade Gottes Grosses zu und war völlig überzeugt, dass sie aus einem Saulus einen Paulus machen konnte.

Dieser wurde nun von den Brüdern in Jerusalem aufgenommen, und wie muss Paulus dem Barnabas für diesen Dienst der Liebe zeitlebens dankbar geblieben sein!

Ein guter Mann, voll Heiligen Geistes und Glaubens

Die Verfolgung unter den Gläubigen in Jerusalem hatte sich als eine nützliche Bombe ausgewirkt: die Gläubigen wurden in die Landschaft zerstreut. Und statt in Furcht und Angst von dem grossen Heil in Christus zu schweigen, gingen die Zerstreuten umher und verkündigten das Wort (Apg 8,4). In Apostelgeschichte 11,19-26 wird sogar berichtet, dass sie bis nach Phönizien und Zypern und Antiochien hindurchzogen.

Befangen in jüdischen Vorurteilen, verkündigten die meisten von ihnen das Evangelium von dem Herrn Jesus nur unter den Juden, einige von ihnen redeten auch zu den Griechen. Und die Hand des Herrn war mit diesen, und eine grosse Zahl glaubte und bekehrte sich zum Herrn; denn nun wollte Er sich ja zu den Nationen wenden.

Als die Versammlung in Jerusalem dies hörte, sandten sie Barnabas aus, dass auch er hindurchzöge bis nach Antiochien. Denn diese Neubekehrten hatten alle besondere Pflege und Belehrung nötig, und die Brüder in Jerusalem, die Barnabas kannten, waren der Überzeugung, dass gerade er das rechte Werkzeug zu einem solchen Dienst sei. Denn er hatte sich unter ihnen erwiesen als «ein guter Mann und voll Heiligen Geistes und Glaubens». Was bedeutet dies?

Ein guter Mann

Er war «ein guter Mann», ein «Sohn des Trostes» für andere, einer der in Güte an das Wohl der anderen dachte. «Einander lieben» ist zwar das Kennzeichen aller, die aus Gott geboren sind, und wir alle sollen «gegeneinander gütig» sein (1. Joh 4,7; Eph 4,32), doch hatte Barnabas wohl eine besondere Gnadengabe empfangen, die ihn zu diesem Dienst unter den «Kindern in Christus» befähigte.

Voll Heiligen Geistes

Er war voll Heiligen Geistes, die Person des Heiligen Geistes wohnte in ihm, wie nun auch in uns, aber Er wurde im gottesfürchtigen und gottseligen Barnabas weder durch fleischliche Regungen noch durch eine weltliche Gesinnung in seiner Wirksamkeit gehindert, sondern konnte seine Frucht völlig offenbaren: «Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit». Welch einen Wohlgeruch Christi muss er um sich her verbreitet haben!

Voll Glauben

Die Beispiele in Hebräer 11 zeigen uns das Leben derer, die «voll Glaubens» sind: Sie sind überzeugt von den Dingen, die man nicht sieht. Sie wandeln vor dem Unsichtbaren, stützen sich auf seine Verheissungen und gehorchen Ihm. Ihr Glaube überwindet die Welt und ihre Feindschaft; sie triumphieren über die Schwierigkeiten; denn für ihren Gott ist kein Ding unmöglich. Sie sind ein leuchtendes Zeugnis in dieser Welt und gehen in einer lebendigen Hoffnung dem himmlischen «Vaterland», der von Gott bereiteten «Stadt» entgegen. – Ein solcher Mann des Glaubens war also auch Barnabas. Wie mochte sein Beispiel jenen Gläubigen, die eben zum Glauben gekommen waren, zum Ansporn und zur Hilfe sein! Seine Ermahnung, «mit Herzensentschluss bei dem Herrn zu verharren», sahen sie in ihm verwirklicht.

Barnabas in Antiochien

Im Zusammenhang mit seinem Dienst in Antiochien wird uns mitgeteilt: «Eine zahlreiche Menge wurde dem Herrn hinzugetan» (Vers 24). Er zog die Menschen nicht hinter sich her, sondern führte sie zum Herrn. Es ging ihm auch nicht darum, den ersten Platz unter ihnen einzunehmen. Als er sah, wie sich das Werk in jener Gegend ausbreitete und wie die Gläubigen Unterweisung in der gesunden Lehre benötigten, da sah er sich nach dem Werkzeug um, das der Herr, wie er wusste, besonders zu diesem Dienst ausgerüstet hatte: Er zog nach Tarsus, um Saulus aufzusuchen, und brachte ihn nach Antiochien. Ein ganzes Jahr kamen sie nun in der Versammlung zusammen und lehrten mit noch anderen Brüdern eine zahlreiche Menge. Wie gesegnet müssen diese Monate gewesen sein! Unter den dortigen Propheten und Lehrern wird Barnabas in Apostelgeschichte 13,1 zuerst und Saulus zuletzt genannt. Er hatte durch seine Treue unter den Brüdern grosses Vertrauen gewonnen.

In diesen Tagen zeigte ihnen Agabus, ein Prophet aus Jerusalem, durch den Geist eine grosse Hungersnot an, die über den ganzen Erdkreis, also auch über die Gläubigen in Judäa kommen sollte, die als «Zerstreute» ganz besonders in Not kommen mussten. Als diese Hungersnot dann eintrat, wurde wiederum Barnabas und auch Saulus damit betraut, die in Antiochien gesammelte Gabe als Ausdruck der Mitverbundenheit und Liebe nach Judäa hinaufzubringen (Apg 11,27-30). Nachdem dieser Dienst erfüllt war, kehrten Barnabas und Saulus von Jerusalem zurück und nahmen auch Johannes mit, der Markus genannt wurde (Apg 12,25).

Barnabas mit Paulus auf seiner ersten Missionsreise

Die Gläubigen in Antiochien waren in einem guten geistlichen Zustand. Dies zeigte sich unter anderem auch darin, dass sie darauf sannen, wie das Evangelium unter den Nationen ausgebreitet werden könnte. Es sollte aber in Abhängigkeit vom Herrn geschehen, und sie suchten unter Fasten seinen Willen zu erkennen. Da «sprach der Heilige Geist: Sondert mir nun Barnabas und Saulus zu dem Werk aus, zu dem ich sie berufen habe. Da entliessen sie sie, nachdem sie gefastet und gebetet und ihnen die Hände aufgelegt hatten. Sie nun, ausgesandt von dem Heiligen Geist, gingen …» (Apg 13,2-4). Der Herr ist es, der seine Diener aussenden will.

Wir sind gewohnt, von den Missionsreisen des Paulus zu reden, und seine Begleiter im Schatten dieses grossen Apostels der Nationen zu sehen. Aber beachten wir, dieses grosse Werk begann mit dem göttlichen Auftrag: «Sondert mir nun Barnabas und Saulus zu dem Werk aus.» Sowohl der erste wie der zweite hatte also das Rüstzeug zu diesem Dienst, der so grosse Anforderungen stellte, und beide waren in einem solchen geistlichen Zustand, dass der Herr sie gebrauchen konnte. Wie Paulus wurde auch Barnabas durch die Liebe des Christus gedrängt, den Menschen zu predigen: Lasst euch versöhnen mit Gott. So wenig wie Paulus liess sich Barnabas durch die mit diesem Dienst verbundenen Mühen, Ängste und Nöte, Drangsale und Verfolgungen zurückschrecken, die in 2. Korinther 6 aufgezählt sind. Dieselbe überströmende Gnade, die Paulus dazu befähigte, ruhte auch auf ihm.

Immerhin fällt uns beim Lesen von Apostelgeschichte 13 und 14 auf, dass der Apostel Paulus immer mehr in den Vordergrund kam und zum Wortführer wurde. In der Praxis des Dienstes wurde jedem klar, welcher Platz ihnen zugewiesen war, und jeder nahm den seinen durch die Gnade in Demut ein. Bei beiden war eine geistliche Gesinnung vorhanden.

Bei ihrer Rückkehr von dieser ersten Missionsreise, die wohl drei Jahre gedauert haben mochte, erzählten sie der Versammlung, was Gott mit ihnen getan, und dass Er den Nationen eine Tür des Glaubens aufgetan habe. Sie schrieben alles Ihm zu.

Barnabas trennt sich von Paulus

Noch im 15. Kapitel, worin uns mitgeteilt wird, wie die wichtige Frage – «Müssen die Gläubigen aus den Nationen nach der Weise Moses beschnitten werden?» – zwischen den Versammlungen in Antiochien und Jerusalem abgeklärt wurde, sehen wir die beiden treuen Diener Seite an Seite für die Wahrheit kämpfen. Das Zeugnis dieser «Geliebten, Barnabas und Paulus, … die ihr Leben hingegeben haben für den Namen unseres Herrn Jesu Christi» (Verse 25 und 26), hatte dabei grosses Gewicht. Nicht nur Paulus, auch Barnabas hatte deutlich erkannt, dass sowohl Juden als Griechen dem Gesetz getötet worden sind durch den Leib des Christus (Röm 7,4).

Aber nun fallen Schatten auf den Pfad des Barnabas, dieses so gesegneten Knechtes des Herrn.

Nachdem sich Paulus und Barnabas wieder längere Zeit in Antiochien aufgehalten hatten, machte Paulus seinem vertrauten Mitarbeiter den Vorschlag, in alle die Städte zurückzukehren, in denen sie das Wort des Herrn verkündigt hatten, um dort die Brüder zu besuchen und zu sehen, wie es ihnen geht. Der Apostel Paulus war es, der hier die Initiative ergriff; von Anfang seines Dienstes an kennzeichnete ihn das Interesse für das Wohlergehen der Brüder an allen Orten; allezeit begleitete ihn «die Sorge um alle Versammlungen» (2. Kor 11,28).

Dass dies auch die grosse Sorge des Barnabas war, wird hier nicht erwähnt; es scheint fast, als ob sein früherer Eifer in diesem Augenblick nachgelassen hätte. Er war bereit, eine zweite Missionsreise mit Paulus zu unternehmen, doch wichtiger noch als mit diesem gesegneten Apostel in den Kampf des Evangeliums zu ziehen, der unter den Nationen wieder viel Frucht für die Ewigkeit hervorbringen würde, war für ihn, dass sein «Neffe» Johannes Markus sie begleitete. Hatte er vergessen, dass dieser schon am Anfang ihrer ersten Missionsreise von ihnen gewichen und nicht mit ihnen gegangen war zum Werk, dass er sich also im Dienst nicht bewährt hatte? Erst viele Jahre später konnte der klarsehende Apostel seine Meinung über Markus ändern (Kol 4,10; 2. Tim 2,21) und bezeugen: «Er ist mir nützlich zum Dienst.» Bei Barnabas aber hatten jetzt die natürlichen Bindungen mehr Gewicht als geistliche Erwägungen. Es entstand eine Erbitterung. Barnabas trennte sich von Paulus und zog mit Markus nach seinem Heimatland Zypern.

Wenn schon ein Barnabas, der unter den Gläubigen und unter den Nationen so manche Jahre in aussergewöhnlichem Segen wirkte, für eine Zeit nicht mehr auf der Höhe seines Glaubens und seiner Hingebung war, wie viel mehr haben dann wir Ursache, zu wachen und zu beten, dass wir auf dem Weg der Nachfolge des Herrn nicht Rückschritte machen oder gar davon abgleiten!

In der Apostelgeschichte wird von da an nichts mehr von Barnabas berichtet. Nur in den Briefen des Paulus wird er noch einige Mal erwähnt, und aus jenen kurzen Stellen geht hervor, dass die Erbitterung nicht angedauert hat. Besonders aus 1. Korinther 9,6 wird deutlich, dass Barnabas auch in späteren Jahren ein weit herum bekannter und angesehener Diener des Herrn war.

Wir wollen also nicht bei den Schatten stehen bleiben, die vorübergehend auf seinen Pfad fielen. Möge vielmehr das Beispiel dieses treuen Bruders und hingebungsvollen Dieners, so wie der Heilige Geist ihn bis zum 15. Kapitel der Apostelgeschichte beschreibt, uns zum Ansporn sein.