Der Zorn eines Gläubigen

Epheser 4,26-27

«Zürnt, und sündigt nicht. Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn, und gebt nicht Raum dem Teufel.» (Eph 4,26.27)

Über diese Worte besteht bei vielen Gläubigen Unklarheit und Verwirrung; denn sie meinen, dass Zorn immer etwas Böses und daher für den Gläubigen nicht geziemend sei. Doch diese Ansicht trifft nicht in jeder Hinsicht zu, und wir glauben, dass manchmal das Fehlen von Zorn Sünde und eines Gläubigen, der Christus liebt und für seine Ehre eifert, nicht würdig ist.

Es ist natürlich wichtig, über den wahren Beweggrund zu unserem Zorn zu wachen. Denn wenn uns etwas erzürnt, weil es unsere eigene Ehre verletzt, so ist dies nicht der gerechte Zorn, vielmehr müssen wir gerade hier die Worte des Apostels Jakobus anwenden: «Denn eines Mannes Zorn wirkt nicht Gottes Gerechtigkeit» (Jak 1,20).

Doch gibt es Zorn, der in Übereinstimmung ist mit Gottes Willen. Wir sehen dies z.B. bei dem Herrn Jesus selbst, denn wir lesen von Ihm: «Und er blickte auf sie umher mit Zorn, betrübt über die Verstocktheit ihres Herzens» (Mk 3,5).

Der Zorn des Herrn bei manchen Gelegenheiten war völlig angemessen; es war nie Sünde in seinem Zorn. Es missfiel Ihm, als Er sah, dass man das Haus seines Vaters zu einem Kaufhaus machte. «Und er machte eine Geissel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus» (Joh 2,15). Er sprach auch die ernsten «Wehe» über die heuchlerischen Schriftgelehrten und Pharisäer aus, denn sie verschlangen die Häuser der Witwen und hielten zum Schein lange Gebete (siehe Mt 23,13 ff.).

Wenn ich etwas sehe oder höre, was die herrliche Person des Herrn Jesus beleidigt, und ich bleibe kalt, mein Geist bleibt dabei unerregt, so bin ich bestimmt nicht in dem Zustand, in dem ich als wahrer Christ sein sollte, der seinen Herrn liebt und für die Ehre und Verherrlichung Christi besorgt ist. Das Fehlen von Zorn würde in solch einem Fall einen ernsten Mangel an Wertschätzung der Herrlichkeit und Ehre unseres teuren und anbetungswürdigen Herrn offenbaren.

Dies festzustellen, ist sehr wichtig, weil es solche gibt, die meinen, dass solch ein Geist in Widerspruch zur Liebe stehe. Aber diese Auffassung hat keine schriftgemässe Grundlage. Im Gegenteil finden wir, dass die Liebe, die wirklich für die Wahrheit eifert, das Böse nicht verharmlost; es heisst von der Liebe in 1. Kor 13,6: «Sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit der Wahrheit.»

Es ist daher widersinnig, Liebe auf Kosten der Wahrheit Gottes aufrechterhalten zu wollen, denn das wäre keine wahre Liebe, sondern Heuchelei.

Es gibt jedoch eine Gefahr, der wir leicht erliegen, und das ist Zorn, der schon an Sünde grenzt. Deswegen warnt uns hier der Heilige Geist: «Zürnt, und sündigt nicht.» Das göttliche Schutzmittel gegen diese Art Sünde ist, sich in der Gegenwart Gottes zu fragen, ob wir wirklich um der Ehre Gottes willen zornig sind; wenn nicht, dann sollten wir davon ablassen und dem Zorn keinen Raum geben. Aus diesem Grund sagt hier der Apostel: «Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn»; denn wenn solch ein Zorn oder Ärger in der Seele verblieb, so war dies das untrügliche Zeichen, dass er nicht von Gott war.

Wenn die Sonne untergeht, sollte ich in einem Zustand vollkommenen Friedens und glücklicher Gemeinschaft mit dem Herrn sein. Bin ich aber erregt und der Freude der Gemeinschaft mit Ihm beraubt, sollte ich nicht eher schlafen gehen, als bis ich meinem Bruder, über den ich zornig war, meine Sünde bekannt und dann vor dem Herrn meine Knie gebeugt habe, um auch vor Ihm meine Sünde zu bekennen. Tun wir dies nicht, so geben wir dem Teufel Raum. Sollte sich irgendein Gefühl des Grolls oder Ärgers in unserem Herzen einnisten, so geben wir dem Feind Gelegenheit, in unser Leben einzutreten.

Seien wir daher wachsam und sorgfältig auf der Hut, dass der Böse nicht unser Leben zu beeinflussen und uns unsere geistliche Freude und die glückliche Gemeinschaft mit unserem Herrn und Meister zu rauben vermag. Lasst uns allezeit schnell bereit sein zu vergeben, «damit wir nicht vom Satan übervorteilt werden; denn seine Gedanken sind uns nicht unbekannt» (2. Kor 2,11).