Vielen macht es Mühe zu begreifen, dass die Gläubigen, die vor Pfingsten gelebt haben und auch die, die im Tausendjährigen Reich sein werden, nicht zur Versammlung gehören. Aber wenn die Versammlung erst beim Herabkommen des Heiligen Geistes zu bestehen anfing und beim Kommen des Herrn vollständig sein wird, so ist es offenbar, dass sowohl die einen als auch die anderen ausserhalb der Versammlung sind. Ich will mich bemühen, die Wahrheit dieser Behauptung bezüglich der Gläubigen des Alten Testaments besonders denen zu zeigen, die Mühe haben, es so zu sehen.
Jeder, der die Schrift kennt, weiss, dass sie klar bezeugt, dass Abraham, Isaak, Jakob und viele Heiligen der alten Heilszeit lebendige, treue und hingebende Knechte Gottes waren. Sie werden beim Kommen Christi an der ersten Auferstehung teilhaben, mit allen Gläubigen des gegenwärtigen Heilszeitalters. Aber wir dürfen nicht über das Wort hinausgehen, und wenn uns Gott bezüglich des Platzes, den diese hervorragenden Knechte in der Herrlichkeit einnehmen werden, in der Unwissenheit lässt, so haben wir uns darunter zu beugen und das Stillschweigen Gottes in seinem Wort anzunehmen. Auch scheint es uns, dass den Leiden Christi, der Gnade und dem Werk des Heiligen Geistes Abbruch getan wird durch die Behauptung, die Heiligen vor dem Erlösungswerk am Kreuz, in denen der Geist noch nicht wohnte, hätten die gleiche Stellung wie die, die jetzt leben. Die Heilige Schrift stellt ja den Unterschied zwischen diesen Gruppen fest, so dass nicht daran gezweifelt werden kann.
In Matthäus 11,11 lesen wir: «Unter den von Frauen Geborenen ist kein Grösserer aufgestanden als Johannes der Täufer; der Kleinste aber im Reich der Himmel ist grösser als er.» So hervorragend der Platz war, den Gott Johannes dem Täufer, als dem Vorläufer und Zeugen des kommenden Messias, eingeräumt hatte, so war doch der Kleinste im Reich der Himmel grösser als er. Worin auch immer der Unterschied bestehen mag – vor allem der Unterschied des Heilszeitalters – er ist da.
Zweitens lesen wir in Römer 3,24-26: «Alle … werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist; den Gott dargestellt hat als ein Sühnmittel durch den Glauben an sein Blut, zur Erweisung seiner Gerechtigkeit wegen des Hingehenlassens der vorher geschehenen Sünden unter der Nachsicht Gottes; zur Erweisung seiner Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit, dass er gerecht sei und den rechtfertige, der des Glaubens an Jesus ist.» Auch hier sehen wir den Gegensatz zwischen der Stellung der Gläubigen des Alten Testaments bezüglich der Vergebung der Sünden, und der Stellung der Gläubigen nach dem Tod Christi. Im ersten Fall liess Gott die Sünden in seiner Langmut hingehen; im zweiten Fall wird gesagt, dass Gott gerecht ist und den rechtfertigt, der des Glaubens an Jesus ist. Das zeigt deutlich den Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen; denn das Hingehenlassen der Sünden unter der Nachsicht Gottes wegen des kommenden Opfers Christi ist etwas ganz anderes als die Stellung derer, die auf dem Grundsatz des Glaubens gerechtfertigt worden sind und Frieden mit Gott haben durch unseren Herrn Jesus Christus «durch den wir mittels des Glaubens auch den Zugang haben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes» (Röm 5,1.2). Von diesen Letzteren wird gesagt, dass Gott sie mitauferweckt hat und sie mitsitzen lässt in den himmlischen Örtern in Christus Jesus (Eph 2,6); und von ihnen konnte der Apostel Johannes sagen: «Wie er ist, sind auch wir in dieser Welt» (1. Joh 4,17).
Im Hebräerbrief lesen wir die Worte: «Und diese alle, die durch den Glauben Zeugnis erlangten, haben die Verheissung nicht empfangen, da Gott für uns etwas Besseres vorgesehen hat, damit sie nicht ohne uns vollkommen gemacht würden» (Heb 11,39.40). Auch in dieser Stelle wird so klar wie möglich zum Ausdruck gebracht, dass die Gläubigen dieser Heilszeit «etwas Besseres» erlangen, etwas, was nach der souveränen Gnade Gottes den Gläubigen des Alten Testaments fehlt.
Betrachten wir jetzt andere Stellen, die uns zeigen, dass jene Heiligen wohl zur Vollendung gelangt sind, aber ausserhalb der Versammlung stehen. Erinnern wir uns an die unleugbare Tatsache, dass die Versammlung die Braut Christi ist. In Offenbarung 19,7.8 wird von der Frau des Lammes gesprochen, und im neunten Vers folgen die Worte: «Glückselig, die geladen sind zum Hochzeitsmahl des Lammes!» Da wird also von einer Klasse von Personen gesprochen, die eingeladen sind; damit ist nicht die Frau des Lammes selbst gemeint, sondern die zum Mahl Eingeladenen.
In Kapitel 21 wird uns das neue Jerusalem beschrieben: «Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, aus dem Himmel herabkommen von Gott, bereitet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut. Und ich hörte eine laute Stimme aus dem Thron sagen: Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen!» (Off 21,2.3). Im neunten Vers wird diese Stadt, das heilige Jerusalem «die Braut, die Frau des Lammes» genannt, aber in dieser Stelle wird sie auch beschrieben als die «Hütte Gottes», und diese Hütte ist bei den Menschen, so dass wir auch da Heilige in einem vollkommenen Zustand haben, aber ausserhalb der Versammlung.
Bezüglich der Heiligen des Tausendjährigen Reiches sei daran erinnert, dass das Kommen des Herrn vor diesem gesegneten Zeitalter stattfinden wird. Die Versammlung ist vollständig, wenn der Herr Jesus wiederkommt, um die Seinen zu sich zu nehmen, denn die Hochzeit des Lammes kommt vor der tausendjährigen Herrschaft. Deshalb gehören die Heiligen jener Zeitepoche, deren Menge nicht gezählt werden kann, nicht zur Versammlung.
Die Stellung und die Vorrechte der Versammlung festzuhalten, bedeutet weder für die Heiligen des Alten Testaments noch für die des Tausendjährigen Reiches eine Ungerechtigkeit.
Einige Stellen scheinen auf den ersten Blick eine andere Bedeutung zu haben. So lesen wir zum Beispiel in Matthäus 8,11.12: «Ich sage euch aber, dass viele von Osten und Westen kommen und mit Abraham und Isaak und Jakob zu Tisch liegen werden in dem Reich der Himmel, aber die Söhne des Reiches werden hinausgeworfen werden in die äusserste Finsternis.» Selbst wenn wir annehmen, dass sich diese Worte auf die Versammlung beziehen, so beweist das Sitzen mit den Patriarchen in dem Reich der Himmel noch nicht, dass die Patriarchen zur Versammlung gehören. Niemand zweifelt daran, dass die Gläubigen die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob in dem Reich sehen werden. Aber die Frage ist die: Sind sie von der Versammlung? Dass die Stelle nichts von der Versammlung sagt, ist offenbar. Denn wenn dies der Fall wäre, wie könnten dann die Kinder des Reiches hinausgeworfen werden? Nein, der Herr Jesus redet hier als Messias, und als solcher warnt Er die ungläubigen Juden, dass ihre Abkunft von den Patriarchen ihnen nichts nützen wird; obwohl sie die Kinder derer waren, denen die Verheissungen gegeben wurden, würden sie hinausgeworfen, wenn sie den Messias verwarfen. Und so wie der Hauptmann, dessen Knecht geheilt wurde durch Glauben in den Besitz der Segnung gelangte, so würden auch die vielen aus der Ferne in das Reich kommen, wenn es einmal aufgerichtet sein wird; sie werden durch Glauben die kostbaren Verheissungen erlangen, die die Juden damals verachteten.
Die einzige Stelle, die noch einige Schwierigkeiten bereiten dürfte, findet sich im Brief an die Galater: «Also werden die, die aus Glauben sind, mit dem gläubigen Abraham gesegnet» (Gal 3,9). In diesem Kapitel behandelt der Apostel die Rechtfertigung aus Glauben. Er zeigt zuerst, dass Abraham aus Glauben gerechtfertigt worden ist (Vers 6) und dann auch, dass derselbe Grundsatz im Evangelium besteht. Folglich wird jeder, der glaubt, mit dem gläubigen Abraham gesegnet (siehe auch Römer 4). Hier geht es um die Frage des Grundsatzes, auf dem Gott rechtfertigt und nicht um die Stellung, in die der versetzt wird, der gerechtfertigt ist. Diese Stelle geht also nicht über die Tatsache hinaus, dass die Glaubenden heute auf dieselbe Weise gerechtfertigt werden wie Abraham; sie bezieht sich also nicht auf die Frage der verschiedenen Heilszeiten.
Wir sehen somit, dass die Heilige Schrift die Gläubigen des Alten Testaments nirgendwo als zur Versammlung gehörend betrachtet. Sie stellt im Gegenteil einen deutlichen Unterschied zwischen den Gläubigen der beiden Epochen fest. Deshalb sagt auch Johannes der Täufer selbst: «Der die Braut hat, ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der dasteht und ihn hört, ist hocherfreut über die Stimme des Bräutigams; diese meine Freude nun ist erfüllt» (Joh 3,29). Man darf aber nicht vergessen, dass diese Gläubigen von damals, aus Gott geboren, durch Glauben lebendig gemacht in der Kraft des Heiligen Geistes, Christus angehören, obwohl sie nicht Glieder seines Leibes sind. Sie werden teilhaben an der ersten Auferstehung, so wie die Versammlung. Wir können nicht mehr sagen, weil die Schrift über den Platz, den sie in der Herrlichkeit einnehmen werden, schweigt.
Aber wenn sich der Zeitabschnitt der Kirche von Pfingsten bis zum Kommen des Herrn erstreckt, so wissen wir, dass die vorherigen Gläubigen, wie auch die, die nachher kommen, nicht dazu gehören und nicht Glieder am Leib des Christus sind. Ihr Platz und ihre Segnung in der Herrlichkeit werden dessen würdig sein, der sie für sich herausgerufen hat. Sie werden ihre Anbetung und ihr Lob emporsteigen lassen, wie auch wir, wenn sie die wunderbare Entfaltung der Reichtümer seiner Gnade zu ihrem Heil und zu ihrer ewigen Herrlichkeit betrachten.