Was die Pilgerschaft des Christen hier auf der Erde kennzeichnet, ist ein Zelt, das von Tag zu Tag in der Wüste aufgerichtet ist. In dieser Hinsicht genügt uns ein Zelt, wie einst den Patriarchen. Es ist nicht dauerhaft. Es kann von einem Augenblick zum anderen zerstört werden. Aber dies beunruhigt uns nicht, denn wir wissen, dass uns jetzt schon ein ewiger Wohnsitz bereitet ist in den Himmeln, in der Person eines auferstandenen Menschen, der sich als solcher zur Rechten Gottes gesetzt hat.
Die drei Wohnungen, von denen wir etwas sagen möchten, sind etwas ganz anderes. Während der Christ durch diese Welt schreitet, hat er einen Zufluchtsort, einen Ruheort und einen Ort der Wonne. Diese Orte liegen völlig ausserhalb der Grenzen dieser Schöpfung und sind daher himmlisch.
Der Zufluchtsort
Von diesem redet der 71. Psalm. Wie der Gläubige in diesem Psalm, sind auch wir Christen während der Wüstenreise von Gefahren aller Art umringt. Satan ruft sie hervor; er sucht uns durch sie zu verderben. Sie sind jeden Augenblick eine Bedrohung für unser geistliches Leben. Von aussen umgeben uns Feinde, bereit, uns anzufallen: Hass, Drangsale, Hindernisse. Von innen bedrängen uns andere Gegner: alles das, was uns die Welt mittels der Begierden anbietet, um uns zu Fall zu bringen. Diese Feinde alle umlauern uns unaufhörlich. Wie können wir ihnen entfliehen?
«Geh hin, mein Volk, tritt ein in deine Gemächer und schliess deine Tür hinter dir zu; verbirg dich einen kleinen Augenblick» (Jesaja 26,20). Wir brauchen einen sicheren Zufluchtsort vor der Gefahr. Diese Zuflucht ist Gott selbst. Der Psalmist ruft aus:
«Sei mir ein Fels zur Wohnung, zu dem ich stets gehen kann! Du hast geboten, mich zu retten, denn du bist mein Fels und meine Burg.» Welche Sicherheit! Vom Augenblick an, wo wir uns in diese Festung flüchten, können wir mit Sicherheit damit rechnen, einen Befehl zu unserer Rettung, eine Befreiung, ein unerschütterliches Heil vorzufinden. Dieser Fels bietet uns eine Wohnung an; wir sollen «stets dahin gehen». Sobald eine Gefahr auftaucht, müssen wir zu Gott selbst, zu unserer Zuflucht hinlaufen. Diese Zuflucht behält ihren Wert; von unserer geistlichen Geburt an, durch unsere ganze Jugend und die Zeit des Alters hindurch steht sie uns zur Verfügung (Verse 5.17.18).
Gewiss, es gibt ausser diesem Zufluchtsort, den wir allezeit aufsuchen sollen, auch einen Kampf unter offenem Himmel auszufechten, für den wir die ganze Waffenrüstung Gottes anziehen sollen. Aber wir reden hier von Feinden im Hinterhalt, die darauf ausgehen, uns hinterrücks durch Versuchungen in die Grube zu werfen, und nicht um einen Kampf in offenem Gelände. Widerstehen wir dem Feind, wenn er sich entlarvt, aber fliehen wir vor den Feinden im Hinterhalt, um uns in Gott zu bergen in der Festung, die uns unbedingte Sicherheit bietet. Ist die Gefahr vorüber, können wir daraus hervorkommen, um uns anderen Aufgaben zuzuwenden; aber möglicherweise müssen wir schon einen Augenblick später zu demselben Felsen zurückeilen. Wird uns nicht gesagt: «zu dem ich stets gehen kann»? Dieser Zugang ist für uns das Vertrauen in Gott, das Gebet, die beständige Inanspruchnahme dessen, der unser Hüter und unsere Kraft ist.
Der Zufluchtsort bietet uns also für jeden Augenblick Sicherheit an.
Der Ruheort
Im 84. Psalm finden wir die zweite Wohnung. Es ist nicht mehr eine Festung, ein Zufluchtsort, sondern der Tempel, ein Ruheort, nach dem sich die arme, ängstliche Seele sehnt, die vom schwächsten Windhauch beunruhigt wird. Im Tempel, in den Vorhöfen Gottes, findet der Gläubige einen doppelten Ruhequell: Zuerst die Ruhe, die sich auf die Person des Sohnes des lebendigen Gottes gründet, der, nachdem Er sein Werk für uns vollbracht hat, uns vorangegangen ist und sich zur Rechten Gottes gesetzt hat – dann auch die Ruhe, die auf das Werk selbst gegründet ist, auf das Opfer Christi auf dem Altar Gottes. Diesem Werk bleibt nichts hinzuzufügen denn Gott selbst findet seine Ruhe darin.
Das Ergebnis des Weilens in diesen lieblichen Wohnungen und der Ruhe, die die Seele dabei geniesst, ist Anbetung und Lob: «Glückselig, die in deinem Haus wohnen! Stets werden sie dich loben» (Vers 5).
Der Ort der Wonne
Im 27. Psalm finden wir die dritte Wohnung. Es ist nicht mehr der Tempel und seine Opfer, sondern das Verborgene des Tempels, das Allerheiligste des Hauses des HERRN. Das ist eine viel intimere Wohnung als die «Vorhöfe»: ein wunderbarer Aufenthaltsort! Der Gläubige trachtet nur nach einem: alle Tage seines Lebens darin zu wohnen, und nicht nur, gelegentlich dahin zu fliehen. Er will dort die «Lieblichkeit des HERRN» anschauen und «nach ihm forschen in seinem Tempel». Dazu braucht es sorgfältige und fortgesetzte Mühe, ein glückliches Forschen, eine beständige geistliche Tätigkeit, die aber keineswegs schwierig oder entmutigend ist. Die Seele sättigt sich dabei am Strom der Wonne Gottes, an Christus.
Das ist mehr als Ruhe, das ist Gemeinschaft, ein Zustand, in dem die Seele in völligem Einklang steht mit allen Gefühlen, allen Wünschen, allen Freuden des Vaters und des Sohnes. Es gibt nichts Erhabeneres im christlichen Leben.
Beachte wohl: Wenn du die Gemeinschaft hast, so besitzest du auch alles Übrige. Die Gemeinschaft gibt uns eine sichere Zuflucht gegenüber allen Anläufen des Feindes: «Denn er wird mich bergen in seiner Hütte am Tag des Unglücks, er wird mich verbergen im Verborgenen seines Zeltes; auf einen Felsen wird er mich erhöhen. Und nun wird mein Haupt erhöht sein über meine Feinde rings um mich her» (Verse 5-6) – Die Gemeinschaft ist auch die Grundlage des Gottesdienstes und der Anbetung: «Und Opfer des Jubelschalls will ich opfern in seinem Zelt, ich will singen und Psalmen singen dem HERRN» (Vers 6).
Die Feinde, die Gefahren des Weges, vermögen den niemals niederzuwerfen, der in Gemeinschaft mit dem Herrn lebt und im Verborgenen seines Zeltes bleibt. Seine Ruhe kann nie gestört werden und seine Anbetung wird ihres Gegenstandes würdig sein