1. «… Weil er sich mehr rechtfertigte als Gott»
(Hiob 32,2)
Hiob war durch Gott in grosse Prüfungen gebracht worden, obwohl Er ihm ein sehr gutes Zeugnis ausstellen konnte: «Dieser Mann war vollkommen und rechtschaffen und gottesfürchtig und das Böse meidend» (Hiob 1,1).
Die drei Freunde Hiobs hatten aber ein ganz anderes, entgegengesetztes Urteil über ihn: Da Hiob so viel von Gottes Hand erleiden müsse, sei bei ihm verborgenes Böses vorhanden, meinten sie. Sie waren Männer von gesetzlichem Geist, und da das Gesetz die Blösse des Menschen aufdeckt, vergassen sie ganz ihre ursprüngliche Absicht, Hiob zu trösten. Nachdem er seiner Verzweiflung Ausdruck gegeben hat, beginnen sie sogleich ihre Verdächtigungen gegen den leidenden Hiob vorzubringen. Der zweite Freund schlägt den angesetzten Keil noch tiefer ein als der erste und Zophar schliesslich geht in seinen Angriffen noch rücksichtsloser vor.
Es war verwerflich, dass sie Hiob verschiedener Dinge bezichtigten, von denen sie doch keinerlei Kenntnis hatten; ihre Aussagen stützten sich auf Vermutungen. Sie waren der Meinung, dass alle Leiden des Gerechten ihm von Gott als Strafe auferlegt worden seien. Gewiss, bei Hiob war etwas vorhanden, wovon Er ihn heilen wollte, aber es waren nicht die Dinge, die die Freunde ihm vorhielten.
Aus der Handlungsweise der Freunde Hiobs können wir lernen, wie man es nicht machen darf. Es ist sehr verwerflich, in seinem Herzen gegen einen anderen bösen Argwohn zu nähren. Der Herr Jesus sagt: «Warum denkt ihr Böses in euren Herzen?» (Mt 9,4). Unsere armen Herzen sind so leicht geneigt, bei anderen Böses vorauszusetzen, ohne dass solches offenbar geworden ist. Lasst uns in dieser Beziehung auf der Hut sein! Wir haben es immer nur mit dem zu tun, was zutage getreten, was offenbar geworden ist: «Das Offenbarte ist unser» (5. Mo 29,28). Wir sollen den Menschen nur nach seinen Früchten beurteilen und nicht seine Beweggründe richten, da wir diese ja gar nicht kennen. «Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet» (Mt 7,1).
Elihu redet ganz anders zu Hiob. «Sein Zorn entbrannte gegen Hiob, weil er sich selbst mehr rechtfertigte, als Gott» (Hiob 32,2). Zuerst entschuldigt er sich gleichsam, fast ein ganzes Kapitel lang, dass er als so viel Jüngerer nun das Wort ergreife, und dann hält er Hiob dessen eigene Worte vor: «Gewiss, du hast vor meinen Ohren gesprochen, und ich hörte die Stimme der Worte: Ich bin rein, ohne Übertretung…» (Hiob 33,8.9)
Wie wichtig ist es doch, bei der Beschäftigung mit Seelen, die gefehlt haben, von dem auszugehen, was sich bei ihnen gezeigt hat! Wie viel wirkungsvoller und gesegneter wäre der Dienst an ihnen, wenn dies stets beachtet würde! Zudem sind wir heute, da wir das vollendete Wort Gottes in Händen haben, darüber belehrt, dass Leiden Erziehungswege Gottes sind.
Elihus Zorn entbrannte gegen Hiob nicht deshalb, weil er sich für einen gerechten Mann hielt – er war es, wie uns Gott in den ersten zwei Kapiteln dreimal mitteilt – sondern, weil er sich mehr rechtfertigte als Gott. Und das war in der Tat höchst tadelnswert. Wenn Hiob sich auch keiner besonderen Verfehlungen bewusst war, so hätte er doch Gott nichts Ungereimtes und Verkehrtes zuschreiben dürfen. In dieser Beziehung hatten die Freunde recht, wenn sie Gott verteidigten und sagten, dass Er das Recht nicht verkehren könne. Hiob, der gesagt hatte: «Wie könnte ein Mensch gerecht sein vor Gott? Wenn er Lust hat, mit ihm zu streiten, so kann er ihm auf tausend nicht eins antworten» (Hiob 9,2.3), hätte auf alle Fälle die Gerechtigkeit Gottes und dessen untadelige Handlungen über alles stellen sollen, was er selbst getan hatte, wenn er auch Gottes Tun ihm gegenüber nicht verstand. Es war noch eine längere Beschäftigung mit Hiob nötig, zuerst durch Elihu und dann vonseiten Gottes selbst, bis er Gott mehr rechtfertigte als sich, ja, bis er sich selbst verabscheute und in Staub und Asche bereute. Dann erst war er an dem rechten Platz, wo Gott ihn reichlich segnen konnte.
2. «Und du ehrst deine Söhne mehr als mich»
(1. Sam 2,29)
Die Söhne des Hohenpriesters Eli übten den Priesterdienst in einer Weise aus, die Gott sehr verunehrte: «Und die Sünde der Jünglinge war sehr gross vor dem HERRN; denn die Leute verachteten die Opfergabe des HERRN» (1. Sam 2,17).
Wohl tadelte Eli das Tun seiner Söhne und verurteilte es sogar, aber seine Zurechtweisung solch gottlosem Treiben gegenüber war viel zu schwach, besonders da es sich doch um Priester handelte. «Nicht so, meine Söhne! Denn nicht gut ist das Gerücht, das ich höre; ihr macht das Volk des HERRN übertreten … Aber sie hörten nicht auf die Stimme ihres Vaters.»
Das war eine ernste Lage für den Hohenpriester, der doch über die Heiligkeit des Opferdienstes zu wachen hatte. Da seine Söhne die Ermahnungen nicht annahmen, hätte er sich von ihnen trennen müssen. Unmöglich waren Männer in einem solch verwerflichen Zustand geeignet, die Opfer darzubringen und das Volk vor dem HERRN zu vertreten. Ein Mann Gottes, dessen Name uns nicht genannt wird, kündigt dem Haus Eli das Gericht an. Im Namen des HERRN muss er Eli sagen: «Und du ehrst deine Söhne mehr als mich, dass ihr euch mästet von den Erstlingen aller Opfergaben Israels, meines Volkes» (1. Sam 2,29). Die Söhne Elis nahmen ihr Teil vom Opfer, ehe man das Fett für den HERRN geräuchert hatte. Sie stellten sich damit über Gott, und weil Eli sich vom Bösen nicht trennte, und seine Söhne nicht vom Priesterdienst ausschloss, muss Gott ihm sagen: «Du ehrst deine Söhne mehr als mich.»
In dieser Beziehung können wir gar nicht genug auf der Hut sein! Gott allein kommt alle Ehre zu, und Er lässt sie sich nicht schmälern. Möchten wir dies allezeit beachten! Satan möchte uns immer wieder anreizen, dem Geschöpf Ehre zu geben, anstatt Gott. In Jesaja 42,8 lesen wir: «Ich bin der HERR, das ist mein Name; und meine Ehre gebe ich keinem anderen, noch meinen Ruhm den geschnitzten Bildern.»
Wie leicht auch kann es vorkommen, dass wir Werkzeugen, die Gott zu unserer Segnung benutzt hat, die Ehre geben, die allein dem gebührt, der das Werkzeug benutzt hat. Sogar der Apostel Johannes fiel zu den Füssen des Engels nieder, um ihn anzubeten; dieser aber wehrte dem Apostel mit den Worten: «Sieh zu, tu es nicht. Ich bin dein Mitknecht und der deiner Brüder, … bete Gott an» (Off 19,10). Wohl sollen wir dankbar sein für Gaben, die der Herr für seinen Leib, die Versammlung, gegeben hat, und es wäre sicher ganz verkehrt, wenn wir sie nicht anerkennen wollten. Aber es ist doch zweierlei: Eine Gabe als solche anzuerkennen, oder ihr, getrennt von Gott, Ehre zu geben und sie zu verherrlichen. Ein Prophet zum Beispiel, ist nicht ohne Ehre, aber es handelt sich dabei um die Ehre Gottes. Ein Zeuge Christi muss die Würde des Herrn ausstrahlen, sonst ist sein Zeugnis wertlos. Seine Ehre ist mit der Ehre Gottes eng verbunden und darf nicht von ihr gelöst werden. Geschieht dies, so ist es Gott nicht wohlgefällig. Darum sagt der Herr zu den Juden: «Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt?» (Joh 5,44). Auch die Brüder, denen geistliche Gnadengaben verliehen wurden, sollten jedes Lob für ihren Dienst zurückweisen und allein den Herrn verherrlichen! Der Herr wird stets für seine Knechte eintreten, wenn sie Ihm in wohlgefälliger Gesinnung dienen. Gott sagte zu Eli: «Die, die mich ehren, werde ich ehren» (1. Sam 2,30).
3. «… mehr das Vergnügen liebend als Gott»
(2. Tim 3,4)
In 2. Timotheus 3 wird uns der Zustand der Christenheit in den letzten Tagen beschrieben. Sie werden angesichts dieses traurigen Zustandes der Menschen, die die Christenheit ausmachen, schwere Zeiten genannt. Gleich zu Beginn der Beschreibung werden zwei Dinge genannt, die sie lieben, nämlich sich selbst und das Geld; sie sind «selbstsüchtig» und «geldliebend». Diese beiden Eigenschaften sehen wir heute in einem Mass ausgeprägt, wie es wohl noch nie der Fall war. Aber in anderer Hinsicht fehlt die Liebe in zweierlei Beziehung, wo sie eigentlich schon beim natürlichen Menschen vorhanden sein sollte: «ohne natürliche Liebe … das Gute nicht liebend» (Vers 3). Das ist sehr einleuchtend; denn wer das eigene Ich liebt, liebt das Geld, weil er meint, sich damit alle Wünsche erfüllen zu können; er liebt nicht die Mitmenschen, selbst nicht die, mit denen er durch natürliche Bande, durch Familienbindungen verbunden ist. in einem solchen Zustand kann er auch nicht das Gute lieben, weil dies Opfer mit sich bringt, und das lässt die Eigenliebe nicht zu. Schliesslich zeigt sich noch ein fünftes Merkmal dieser bösen Liebe: «mehr das Vergnügen liebend als Gott» (Vers 4). Das ist in der Tat ein erschütterndes Gemälde, und wie passt es auf die heutige Zeit! Vergnügungen, oft unreiner Art, zieht man Gott vor und wie viel Geld wird dafür aufgewendet, während man für Gott und seine Sache keine Opfer bringen will! Ja, wie viele in der Christenheit denken überhaupt nicht an Ihn, sondern jagen in ihrer Begierde von Genuss zu Genuss!
In solchen Tagen ist es für Kinder Gottes besonders wichtig, ihrem Herrn anzuhangen und sich mit seinem Wort zu beschäftigen. Wie kostbar muss es für den Herrn sein, in dem «grossen Hause, aus dem sie ja nicht hinausgehen können, solche zu finden, die Ihm in Treue anhangen und Ihn über alles lieben! Gibt es überhaupt einen Gegenstand, der mehr der Liebe wert wäre, als unser Gott, der doch seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern Ihn für uns alle hingegeben hat? Gibt es einen kostbareren Gegenstand für unsere Herzen als den Sohn Gottes, der sich selbst als Lösegeld gab, und in dem wir so reich gesegnet sind? Wahrlich nicht! Wir lieben, weil Er uns zuerst geliebt hat, und diese Liebe offenbart sich darin, dass wir seine Gebote haben und sie halten. Auch wenn andere Menschen um uns herum nichtige und schädliche Vergnügungen mehr lieben als Gott, so wollen wir doch unseren Herrn über alles lieben in Unverderblichkeit!