Inspiriert sein bedeutet, die Eingebung des Geistes Gottes empfangen zu haben.
Gott hat durch seinen Geist im Geist von verschiedenen Personen gewirkt, die seine Offenbarungen anderen mitteilen mussten, sei es mündlich oder schriftlich.
Ein Bruder hat sehr richtig gesagt: «Wenn es keine Inspiration gibt, so gibt es auch keine göttliche Wahrheit; denn eine Wahrheit, die nicht mit göttlicher Gewissheit mitgeteilt wird, kann keine göttliche Wahrheit sein … Es ist daher das eine oder das andere erforderlich: Entweder eine direkte Inspiration an jede einzelne Person oder eine inspirierte Offenbarung für andere, sei es mündlich oder schriftlich.» Wer diese direkte Inspiration leugnet, nimmt den Dingen des Glaubens jede göttliche Gewissheit, und setzt ein menschliches Zeugnis an die Stelle des göttlichen Zeugnisses. Dieses menschliche Zeugnis redet nur von Offenbarung, nicht von Inspiration. Aber die Offenbarung, wenn sie wahr sein soll, konnte uns nur durch das Mittel der Inspiration mitgeteilt werden. Ist die Offenbarung allgemein, so kann sie von jedermann gesehen werden, wie z.B. in der Schöpfung. Ist sie persönlicher Art, so hat sie für andere keinen Wert. Eine ausserordentliche Offenbarung jedoch, die einem einzelnen gegeben, aber für mehrere bestimmt ist, muss von Gott selbst inspiriert sein; wer sie empfängt, muss sie auf dieselbe Weise weitergeben, denn ohne dieses hätten wir in der Offenbarung keine Grundlage für unseren Glauben. «Uns aber hat Gott es offenbart durch seinen Geist» (1. Kor 2,10).
Die Wahrheit ist dem Apostel durch Inspiration offenbart worden. Wäre die Wirksamkeit Gottes für ihn allein gewesen, so wäre in diesem Fall die Mitteilung wohl ausserordentlich gewesen, hätte aber gleichzeitig in manchen Punkten fehlerhaft sein können. Aber diese Wirksamkeit Gottes in ihm war auch für uns, und aus diesem Grund war ihm nicht nur die Offenbarung, sondern auch die Mitteilung dieser Offenbarung eingegeben worden, damit sie für uns den Wert einer Autorität hätte.
Daher sagen Jesaja, Jeremia und so viele andere immer wieder: «So spricht der HERR», – «Das Wort des HERRN geschah zu mir also» usw. Das war direkte Inspiration für andere, ein Beweis, dass Gott Offenbarungen gegeben hat, die anderen mitgeteilt werden sollten, und die ganze Offenbarung Gottes, die die Bibel uns gibt, ist für den Menschen inspiriert worden.
Es gibt natürlich verschiedene Formen der Inspiration, aber wir können in diesem kleinen Aufsatz nicht näher darauf eingehen. Folgende kurze Hinweise mögen genügen:
- Es gab, wie gesagt, eine direkte Inspiration, wo das Wort unmittelbar von Gott kam, oft sogar durch den Mund solcher, die es gar nicht wollten.
- Ferner gab es auch eine prophetische Inspiration durch Visionen, durch eine gottgewirkte innere Schau, die die Männer Gottes oft selbst nicht verstanden, so dass sie nach der Bedeutung ihrer Weissagungen forschten (1. Pet 1,10).
- Da war auch die historische Inspiration, womit Gott die Geschichtsschreiber leitete – vielleicht ohne dass sie selbst diese in ihren Schriften beachtet haben – um aufzubewahren, was nach seiner Weisheit für die nachkommenden Geschlechter wichtig war.
- Schliesslich ist auch noch die Inspiration des Neuen Testaments zu erwähnen, wo uns Gott in den historischen Büchern Einzelheiten und Ereignisse mitteilen liess, an die sich der Schreibende wohl kaum mehr erinnerte und es auch nicht durch andere erfahren konnte. (Denken wir nur an Johannes 17; niemand hätte sich an dieses Gebet wörtlich erinnern können.) Der Apostel Paulus wusste, dass er die Wahrheiten, die er predigte, direkt von Gott empfangen hatte; er war sich auch bewusst, dass er sie in Worten, gelehrt durch den Geist, weitergab. Diese Weise der Inspiration konnte erst nach dem Herabkommen des Heiligen Geistes auf die Erde in Erscheinung treten, um die Jünger alles zu lehren und sie an alles zu erinnern, was der Herr ihnen gesagt hatte (Joh 14,26).
Auf welche Weise die Inspiration auch geschehen sein mag, die Schrift ist von Gott «eingegeben» und daher unfehlbar, sowohl in dem uns mitgeteilten Inhalt, wie auch in den dabei verwendeten Worten.
Wenn wir dieses sagen, behaupten wir nicht, dass alle Worte, die durch Inspiration in der Bibel enthalten sind, den Redenden selbst durch den Geist eingegeben worden seien. Es gibt in der Bibel viele menschliche Meinungen und Gedanken, die nicht inspiriert sind. Hiob sagte z.B.: «Es verschwinde der Tag, an dem ich geboren wurde» (Hiob 3,3). Dieses Wort ist nicht von Gott eingegeben, so wenig wie so viele der Worte seiner Freunde. Aber sie wurden uns durch Inspiration mitgeteilt, und wir wissen daher zuverlässig, dass diese Männer so geredet und gedacht haben.
Erklären wir dies durch ein Beispiel des täglichen Lebens:
Ein Vater diktiert seinem Sohn einen Brief, in dem er seine Pläne bezüglich seiner Familie oder seines Hauses mitteilt. Er erwähnt dabei aber auch, was einige Personen, die zu seiner Familie in Beziehung stehen, gesagt haben. Ist nun dieser Brief nicht ganz vom Vater, weil er Worte von anderen Personen enthält, die vielleicht nicht seiner Meinung waren?
So ist es auch mit der Bibel. Sie berichtet manchmal von Lästerworten und schrecklichen Dingen; aber diese Worte und diese Dinge wurden den Personen, die sie aussprachen oder getan haben, nicht durch Inspiration eingegeben. Gott jedoch teilt sie uns durch seine auserwählten Schreiber so mit, wie sie ausgesprochen worden sind oder wie sie sich ereignet haben, soweit es nötig war, dass wir davon Kenntnis bekamen.
Jeder der vier Evangelisten für sich teilt uns nicht vollständig mit, was der Herr bei gewissen Gelegenheiten gesagt oder getan hat. Der Heilige Geist lehrte jeden der Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, den Herrn unter einem besonderen Charakter darzustellen. Lukas erzählt ferner in der Apostelgeschichte 9 die Bekehrung des Saulus ein wenig anders als Paulus selbst. Der Apostel berichtet zweimal davon, aber in verschiedener Weise, weil er sich jedes Mal an ein anderes Publikum wandte. Lukas hingegen wurde durch den Heiligen Geist veranlasst, diese Tatsachen so zu erzählen, wie die ganze Welt, die Juden und die Nationen, sie vernehmen sollten.
Es gibt Fälle, wo dasselbe Gleichnis, das bei einer bestimmten Gelegenheit ausgesprochen wurde, von den Evangelisten verschiedenartig erzählt wird, z.B. das Gleichnis vom Sämann in Matthäus 13 und Lukas 8. Was der Herr gesagt hat, wird nicht wörtlich wiederholt, weil der Heilige Geist in diesen beiden Mitteilungen verschiedene Absichten verfolgte. In der einen lässt Er etwas weg, um eine andere Sache hinzuzufügen. Aus diesem Grund erzählt uns Matthäus die Gleichnisse des Reiches nacheinander, um uns so ein vollständiges Bild der Geschichte des Reiches, in Bezug auf seine äussere und innere Gestalt zu geben, während Lukas diese Gleichnisse bei verschiedenen Zeitpunkten wiedergibt, weil er die eine oder andere besondere moralische Unterweisung im Auge hatte. In diesen Fällen haben wir nicht wörtlich das, was gesagt worden ist, noch die chronologische Ordnung der Aussprüche, aber wohl die wörtliche Eingebung aller dieser Dinge. So verhält es sich im Alten Testament z.B. auch mit den Verordnungen des Gesetzes im 2. und im 5. Buche Mose.
Damit sind wir bei den sogenannten Widersprüchen angelangt: Eine Geschichte deckt sich nicht mit der anderen! Glaubst du, Mose habe den Unterschied zwischen dem im 5. Buch Gesagten und dem, was sich in den anderen Büchern findet, nicht bemerkt?
Was ich vorhin sagte, ist die Lösung aller Widersprüche, die wir in den verschiedenen Mitteilungen über dieselben Begebenheiten finden: Gott verfolgt in jedem Buch eine andere Absicht. Er will mit dem 5. Buch Mose etwas anderes lehren als mit dem 2. Buch, etwas anderes mit dem Evangelium nach Lukas als mit dem des Matthäus.
Es ist wahr, wir erkennen die Absicht oder den göttlichen Zweck nicht sogleich, aber – wir haben den Schlüssel zu diesem Geheimnis: jede verschiedenartige Mitteilung hat einen göttlichen Grund. Der Geist Gottes allein kann ihn uns verständlich machen. Wenn wir Schwierigkeiten oder Widersprüchen begegnen, so lasst uns den Herrn um mehr Licht bitten. Und Er, der durch seinen Geist schon so viele Schwierigkeiten weggenommen hat, wird uns auch darin helfen. Wie kostbar ist es für den Gläubigen, wenn sich ein scheinbarer Widerspruch auf diese Weise in göttliche Harmonie umwandelt!
Der Heilige Geist hat die Schreiber in der von Ihm gewollten Richtung getrieben, wie Er auch die Ereignisse seinen Absichten gemäss leitet oder zulässt, oder wie Er bei der Geburt Namen geben liess, die sich später mit dem Charakter der so genannten Personen als übereinstimmend erwiesen.
Für die Kritik ist die Autorität der Schrift vom Wissen, von der Erkenntnis abhängig, aber es ist nur der Glaube, der sie voll anerkennt. Wie viele Rätsel gibt es doch in der Natur, wofür die Wissenschaft noch keinerlei Antwort weiss! Und dennoch muss sie glauben, weil das Ergebnis sie dazu zwingt; sie muss glauben, ohne zu verstehen, weshalb es sich so verhält. So ist es auch mit der Schrift. Wir haben dazu Glauben nötig. Und wir empfangen diesen Glauben von Gott. Dieser Glaube lässt uns den Odem Gottes durch die ganze Bibel, durch die Evangelien und Geschlechtsregister hindurch wahrnehmen, auch wenn wir uns nicht gut vorstellen können, wie sich die Einwirkung des Heiligen Geistes auf die Schreiber vollzog.
Ich wiederhole: Wenn wir bejahen, dass die Bibel von Gott eingegeben ist, so wollen wir damit sagen, dass die ganze Heilige Schrift unter der Leitung Gottes geschrieben worden ist; alles was die Bibel, das Wort Gottes, so wie sie uns gegeben ist, enthält, ist uns von Gott gegeben, entsprechend seinen Absichten.
Ihre Schreiber sind nicht immer in der Weise benützt worden, wie der Vater in unserem Beispiel sich seines Sohnes bediente. Manchmal schrieben sie einfach, was ihnen diktiert wurde, oft schrieben sie einen Teil ihres eigenen Lebens nieder oder berichteten von Umständen, in denen sie lebten. Aber, selbst in einem solchen Fall, geschah es unter der Leitung des Geistes Gottes.
Die Inspiration ist in sich selbst ein Wunder, wie auch die Schöpfung. Gott hat durch seinen Geist in der Schöpfung erschaffen, was Ihm wohlgefiel. Ohne das Wirken seines Geistes wären weder die Schöpfung noch das Wort zustande gekommen.
Aber während bei der Schöpfung das ausgesprochene Wort eine ausführende Kraft besass, so dass die Dinge, die Gott sagte, sogleich entstanden; bringt der Heilige Geist im geschriebenen Wort die lebendigen Aussprüche in Beziehung zu der Seele und bereitet sie auf diese Weise zu, dass das Wort in ihr Frucht bringen kann.
Es ist sehr beachtenswert, dass die Schrift mit direkter Inspiration beginnt und endet. Wer konnte Mose die Erkenntnis der Erschaffung der Welt und aller Dinge geben? Wer vermochte Johannes über das zu belehren, was der Kirche im Lauf der Jahrhunderte begegnen würde, und über das, was bald geschehen muss?