Der Name Jesus, dem wir in diesen drei Stellen begegnen, ist der bescheidene Menschenname unseres Herrn, den Er empfing, als Er in die Welt eintrat (Lk 1,31). Unter diesem Namen erniedrigte Er sich bis zum Tod am Kreuz; aber vor dem Namen Jesus wird sich einst jedes Knie beugen müssen, selbst seine Feinde. Für uns ist Jesus ein Name der Vertrautheit, aber niemals der respektlosen Vertraulichkeit, auch wenn Er «sich nicht schämt, uns Brüder zu nennen», denn von Ihm als von «unserem Bruder» zu reden, hiesse, seinen göttlichen Charakter und seine erhabene Würde verkennen.
In der ersten Stelle (Heb 2,9) wird gesagt: «Wir sehen aber Jesus.» Wir werden nicht eingeladen dazu; Ihn sehen ist eine Tatsache. Wir sehen Ihn zwar nicht mit den Augen des Fleisches, sondern mit den Augen des Geistes, aber dennoch ist es ein wirkliches Sehen. Wir folgen Ihm im Geist – Ihm, den wir hier auf der Erde mit «unseren Augen gesehen» haben, Ihm, der wegen des Leidens des Todes ein wenig unter die Engel erniedrigt worden ist – bis in die himmlischen Örter, wo wir Ihn jetzt mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt sehen. Wir werden Ihn später mit unseren leiblichen Augen sehen, wenn Er uns heimholt und wir Ihm gleich sein werden. Doch ist unsere gegenwärtige Sicht nicht weniger wirklich; denn der Glaube ist eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht.
Es wird hier nicht gesagt, dass wir etwas anderes sehen als Ihn, auch dann nicht, wenn Er im Himmel, mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt, vor uns ist. Als der Apostel Johannes im Geist durch die geöffnete Tür hinaufstieg, sah er viele Dinge und war doch nicht in Gefahr, ihnen den ersten Platz zu geben; denn alle waren auf das Lamm als auf ihren Mittel- und Höhepunkt gerichtet. Auch wir, die wir noch auf der Erde sind, werden vor jeder Ablenkung bewahrt, wenn wir Jesus droben betrachten, mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt. Alle eitlen Spekulationen verschwinden angesichts dieses Anblicks. Wenn wir in verherrlichtem Leib droben sein werden, wie Johannes es im Geist war, wird nichts von allem, was wir dort sehen, unsere vollkommenen Augen vom Hauptgegenstand abzulenken und den nebensächlichen Dingen einen Wert zu geben vermögen, der die Wertschätzung Jesu vermindern könnte.
In der zweiten Stelle (Heb 3,1) werden wir eingeladen, Jesus zu betrachten. Einen Gegenstand betrachten bedeutet, ihn mit Sorgfalt, nach seinen verschiedenen Seiten in Augenschein nehmen. Hier werden uns zwei dieser Seiten vorgestellt, die kennzeichnend für den Hebräerbrief sind, damit wir ihren ganzen Wert erkennen möchten:
- Die erste zeigt uns Jesus als den Apostel unseres Bekenntnisses der himmlischen Berufung,
- die zweite als unseren Hohepriester.
Der Apostel der irdischen Berufung Israels war Mose; Aaron hingegen sein Hoherpriester. Diese beiden Ämter sind in Jesus vereinigt, um das Volk Gottes durch die Wüste dieser Welt ins himmlische Kanaan einzuführen. Als Apostel unseres Bekenntnisses hat Er uns «die grosse Errettung», die Botschaft einer vollbrachten Erlösung verkündet, die uns das Recht gibt, die Herrlichkeit zu erben. Zu diesem Erbe führt Er uns hin. Als Hoherpriester erschliesst Er uns nicht nur den Zugang zum Thron der Gnade im Heiligtum. Er ist auch damit beschäftigt, uns zu helfen. Er hat Mitleid mit unseren Schwachheiten und ist mächtig, die völlig zu erretten, die durch Ihn Gott nahen (Heb 7,25). Welche Sicherheit gibt es uns, wenn wir Ihn betrachten! Die Errettung, die uns zuteilwerden wird, ist uns erworben; die Hilfe und der Beistand, die wir benötigen, um sie erreichen zu können, werden uns nicht fehlen, denn unser Melchisedek hat ein unveränderliches Priestertum.
In der dritten Stelle (Heb 12,2) wird uns gesagt:
«Hinschauend auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens.» Wir werden im Blick auf die Länge der Anstrengung oft mutlos. Je mehr wir voranschreiten, desto endloser erscheint uns der Schauplatz. Wäre es nicht besser, einen Augenblick anzuhalten, um uns zu entspannen, und den Lauf wieder aufzunehmen, wenn wir uns erholt haben? Unvorsichtige! «Wisst ihr nicht, dass die, die in der Rennbahn laufen, zwar alle laufen, aber einer den Preis empfängt? Lauft nun so, dass ihr ihn erlangt» (1. Kor 9,24).
Viele andere sind um uns her, Zeugen der Vorteile eines Lebens des Glaubens, das sich auf noch nicht erfüllte Verheissungen stützt und ein noch nicht erreichtes Ziel vor sich hat. Aber wir werden nicht ermahnt, auf diese Zeugen, die ja auch gefehlt haben und oft schwach waren, zu blicken. Der Apostel fordert uns auf, unsere Blicke von jedem anderen Gegenstand abzuwenden, um sie auf Jesus allein zu richten. Hat es Ihm je an Ausharren gefehlt? Ist Er in seinem Lauf je stillgestanden? Nein, Er hat ihn bis zum Ende verfolgt, ohne auch nur einmal zu erlahmen, und Er ist am Ziel angelangt. «Er hat sich gesetzt zur Rechten des Thrones Gottes.» Nichts, weder der Widerspruch der Sünder, noch das Kreuz, noch die Schande, vermochten Ihn aufzuhalten. Die vor Ihm liegende Freude:
- den Vater verherrlicht,
- das Werk des Heils vollbracht und
- seine Braut erworben zu haben,
hat Er erreicht.
Richtet die Augen auf Jesus! Er ist «der Anfänger des Glaubens»; Er ist an der Spitze von uns allen gewandelt, um an das Ziel zu gelangen, das wir in seiner Nachfolge erreichen werden. Er ist aber auch der «Vollender des Glaubens»; denn bis heute ist Er der Einzige, der zu dieser «Vollendung» gelangt ist.
Möge es uns allen geschenkt sein, diese Dinge zu verwirklichen! Lasst uns Jesus im Glauben anschauen und jedes den anderen ermahnen, Ihn zu betrachten, unsere Augen auf Ihn zu richten, und uns durch nichts ablenken zu lassen! Darin liegt unsere Glückseligkeit und unsere Kraft. Glückselig die, deren Stärke in Ihm ist; sie gehen von Kraft zu Kraft! Das Ziel ist beinahe erreicht; Zion, der Berg der königlichen Gnade, wird bald erklommen sein, und in kurzem werden wir uns da ausruhen können, wo Er selbst ruht und uns erwartet!