Die Neugeburt geht zwar im Verborgenen vor sich, aber der Besitz des neuen Lebens gibt sich in den Worten und Wegen eines Menschen kund. Und wie die Neugeburt von oben, durch das Wort Gottes und den Geist Gottes bewirkt wird, so werden auch die Zuneigungen und Handlungen des Gläubigen, als Ergebnis der Neugeburt, einen gottgemässen Charakter tragen.
Wir können sicher sein, dass auch im Reich Gottes jeder Baum an der ihm eigenen Frucht erkannt wird. Gott hat dieses allgemein gültige Gesetz schon in der ersten Schöpfung von Anbeginn der Geschichte dieser Welt an festgesetzt. Als das Pflanzenreich erschaffen wurde, erhielt jeder Baum, jedes Kraut seine besonderen Kennzeichen, durch die es sich von allen anderen Gattungen und Arten unterschied. Wir lesen: «Die Erde brachte … Bäume, die Frucht tragen, in der ihr Same ist nach ihrer Art» (1. Mo 1,12).
Desgleichen hat auch das dem Gläubigen von Gott verliehene neue Leben seine ihm eigenen, besonderen Früchte und Merkmale, durch die es sich von der alten, verdorbenen Natur klar unterscheidet. Wir wollen uns nun mit einigen dieser äusseren Kennzeichen des göttlichen Lebens beschäftigen, so wie sie in der Heiligen Schrift gezeigt werden.
1. Der Glaube an Christus
Als erstes und wichtigstes Kennzeichen möchten wir den Glauben an Christus nennen. Der Apostel Johannes schreibt: «Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott geboren» (1. Joh 5,1). Schlägt das Herz von diesem oder jenem wahrhaft für Jesus, indem es Ihn als den Gesalbten Gottes anerkennt? Ist dies der Fall, so ist er ein Gegenstand unserer Liebe, weil er aus Gott geboren ist und wir berufen sind, solche zu lieben.
Die Person des Herrn ist für diese Prüfung massgebend. Der Apostel spricht hier mit keinem Wort von den grossen Lehren des Christentums. Er stellt vielmehr die Person Jesu selbst, als den von Gott Gesalbten und Gesandten, vor uns hin. Der Glaube daran, dass Jesus der Christus ist, ist der Beweis der Neugeburt. Das Wort Gottes offenbart Ihn uns in dieser Herrlichkeit, und der Geist Gottes gibt uns neue Augen, um zu sehen, dass Jesus der Christus ist. Welch eine gesegnete Einsicht! Der Auserlesenste des Himmels wird der lebendig gemachten Seele kundgetan! Sie glaubt und betet an (Joh 9,35-38).
Wie uns die Apostelgeschichte zeigt (Apg 17,3; 18,5.28), war es der Hauptgedanke in der Predigt des Paulus und auch des Apollos, dass Jesus der Christus ist. Dies war das Zeugnis, das den Hörenden als Gegenstand des Glaubens vorgestellt wurde; und wer immer es annahm und glaubte, war aus Gott geboren. Was bedeutet nun dieser Glaube? Er bewirkt, dass die eben wiedergeborene Seele, die zweifellos noch sehr wenig versteht, sich völlig auf Jesus, auf den Herrn Jesus Christus stützt. Sie sagt gleichsam: «Ich bin ein armer Sünder, ich bin gar nichts in mir selbst; aber Jesus Christus ist mein Alles.»
Der Name «Jesus» erinnert uns an den auf der Erde in Niedrigkeit weilenden Sohn des Menschen, wie Er uns in den Evangelien dargestellt wird. Doch gerade Er ist der Christus, der Gesalbte, der schon im Alten Testament verheissen war, und von dessen Leben und Dienst im Neuen Testament berichtet wird. Es sind drei, die für Ihn Zeugnis ablegen, der Geist, das Wasser und das Blut; und die drei sind einstimmig; es ist das Zeugnis Gottes, das Er bezeugt hat über seinen Sohn. (1. Joh 5,7-9). Jeder, der nun glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist nicht aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren. An diesem Merkmal erkennen wir ein Kind Gottes: Es glaubt an Christus.
2. Liebe zu Gott und den Brüdern
Gott ist Liebe; und die aus Ihm geboren sind, werden zu Gefässen seiner Liebe. Sie werden zu gesegneten Ausgangspunkten, von denen die Liebe in alle Richtungen ausstrahlt. Sie lieben den Vater; sie lieben auch die, die wie sie selbst Kinder dieses Vaters sind. Auch dies ist ein Beweis dafür, dass ihnen eine neue Natur verliehen wurde.
Der Apostel Johannes sagt ausdrücklich, dass die Liebe zu Gott und den Brüdern ein Beweis davon ist, dass jemand aus Gott geboren ist: «Jeder, der den liebt, der geboren hat, liebt auch den, der aus ihm geboren ist» (1. Joh 5,1; 4,7). Diese Fähigkeit, Gott und die Kinder Gottes zu lieben, wurde nie in natürlichen Menschen gefunden. Das Gesetz verlangte vom Menschen, der die neue Natur nicht besass, dass er Gott mit seinem ganzen Herzen liebe und auch seinen Nächsten wie sich selbst. Aber das Fleisch erwies sich als Feindschaft gegen Gott. Obwohl also die Liebe die Erfüllung des Gesetzes ist, war der Mensch im Fleisch diesem Gesetz Gottes nicht untertan; er vermochte es auch gar nicht (Röm 8,7; 13,10).
Das Gesetz konnte nicht aus einem in Sünden toten Herzen Liebe erwecken. Aber Gott, der Liebe ist, hat dies vollbracht, indem Er uns als Gabe neues Leben mitteilte. Und nun «wissen wir, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind, weil wir die Brüder lieben; wer den Bruder nicht liebt, bleibt in dem Tod» (1. Joh 3,14).
Die Gläubigen, die die Liebe Gottes kennengelernt haben, womit Er sie liebte, als sie noch Sünder waren, und die nun aus Ihm geboren sind, lieben Gott und lieben einander, gleichsam wie von selbst, infolge der ihnen geschenkten neuen Natur. Was das Gesetz forderte, schenkt die Gnade. Im Herzen des von neuem Geborenen entsteht sogleich Liebe zu Gott und zu seinem Sohn. Mit der gleichen Bereitwilligkeit umfasst sie auch alle, die des Christus sind. Für die Kinder Gottes ist es selbstverständlich, zu lieben; denn sie sind Teilhaber der göttlichen Natur.
Saulus von Tarsus ist hierfür ein schönes Beispiel. Nach seiner Bekehrung «versuchte er, sich den Jüngern anzuschliessen» (Apg 9,26), die er vorher so grausam verfolgt hatte. Er wandte sich vom Synedrium der Juden weg zu der Versammlung Gottes hin. Wie klar war hier der Beweis erbracht, dass er aus dem Tod in das Leben hinübergegangen war, dadurch, dass er die Brüder liebte!
3. Das heilige Leben
Die Kinder Gottes sind ihrer Natur nach eine heilige Familie, weil sie aus Wasser und Geist geboren sind. Gott gibt in seiner souveränen Gnade und Liebe bei der Neugeburt das, was in Wahrheit Ihm und seinem Wesen entspricht, und was in direktem Gegensatz zu dem unheilbar bösen Herzen des Menschen steht. Er pflanzt gerade dort eine völlig neue Wurzel der Heiligkeit ein, wo sich bis dahin nichts anderes als eine Wurzel der Bitterkeit und Sünde befand. Folglich ist der neuen Natur die Sünde fremd. So lesen wir: «Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde, denn sein Same bleibt in ihm; und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist» (1. Joh 3,9)
Wir tun gut, beim Lesen dieses Verses ein wenig still zu stehen. Seine Ausdrucksweise ist klar und treffend. Wenn ich behaupte, ein Kind Gottes zu sein, so muss dies von mir wahr sein: Ich tue keine Sünde, weil ich aus Gott geboren bin; und ich kann nicht sündigen, weil ich aus Gott geboren bin. Was habe ich dazu zu sagen? Wir sollten nicht leichtfertig daran vorübergehen! Der Apostel redet hier vom normalen Wesen der Kinder Gottes, im Gegensatz zu den Kindern des Teufels (Vers 10). Diese beiden Klassen von Menschen sind in den Augen Gottes ihrem Charakter nach ebenso verschieden wie Feigen und Disteln; und dies sollte auch in unserem äusseren Verhalten vor den Augen der Menschen seinen Ausdruck finden.
Geht von uns als Beweis davon, dass wir Kinder Gottes sind, das Licht der Heiligkeit aus? Wir finden in den Briefen des Apostels Johannes eine scharfe, äusserst klare und eindeutige Beschreibung der hervorstechenden Wesenszüge unseres neuen und heiligen Lebens, damit wir den hohen Massstab für das uns als Kinder Gottes geziemende Verhalten erkennen möchten. Sünde in einem Gläubigen ist ebenso unerträglich, wie es der Aussatz an einem im heiligen Tempel Salomos dienenden Priester gewesen wäre. Daher schreibt der Apostel erneut: «Wir wissen, dass jeder, der aus Gott geboren ist, nicht sündigt; sondern der aus Gott Geborene bewahrt sich, und der Böse tastet ihn nicht an» (1. Joh 5,18).
Dennoch ist es möglich, dass ein Kind Gottes in ein Verhalten abgleitet, das seiner neuen Natur ganz und gar unwürdig ist. Und wir finden in diesem Brief, dass auch hierfür Vorsorge getroffen ist. Johannes schreibt: «Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt; und wenn jemand gesündigt hat – wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten» (1. Joh 2,1). Dies ist ein tiefer Trost für eine Seele, die darüber gebeugt ist, dass sie ihren Namen als eines Kindes Gottes beschmutzt hat. Ihr wird versichert, dass der treue Herr selbst für sie einzutreten bereit ist. Wie der Herr Jesus für Petrus betete, der Ihn verleugnete, so wacht auch heute der grosse Sachwalter im Himmel über die Kinder Gottes und bewirkt durch seine Dazwischenkunft ihre Wiederherstellung, wenn sie gefallen sind.
Es ist wahr, dass dieses Werk der Fürsprache durch Jesus Christus, den Gerechten, ausserhalb des Gläubigen geschieht. Der Sachwalter erfüllt seinen Dienst «bei dem Vater». Es gibt jedoch auch für das gefallene Kind Gottes etwas zu tun. «Wenn jemand gesündigt hat», so ist ein Bekenntnis dem gegenüber nötig, gegen den gesündigt wurde. Ohne Bekenntnis gibt es keine Wiederherstellung. Johannes schreibt: «Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit» (1. Joh 1,8.9). So bewirken denn die Fürsprache unseres Herrn und das Bekennen unserer Sünden die Vergebung und Reinigung. Die praktische Heiligkeit ist dann wiedererlangt. Oh, danke Gott, dass Er auch für den Fall, dass eines seiner Kinder strauchelt, einen Weg zu dessen Wiederherstellung und zur Wiedererlangung der Gemeinschaft gegeben hat. Möge Gott uns alle in praktischer Heiligkeit erhalten!
4. Das Überwinden der Welt
Wenn Johannes in seinen Briefen von der Welt redet, so spricht er vom grossen System menschlicher Einrichtungen, das durch die Gegenwart und Herrschaft Satans und der Sünde verdorben ist und in bitterer Feindschaft zu Gott und den Seinen steht. Doch der Gläubige ist durch die Neugeburt nicht mehr von dieser Welt; ja, er ist durch die Kraft des Geistes Gottes befähigt, die Welt in ihrer bitteren und hinterhältigen Gegnerschaft zu überwinden.
Das Überwinden der Welt ist ein deutliches Merkmal der Kinder Gottes; und dieses besondere Verhältnis der Gläubigen zur Welt ist von grösster, praktischer Bedeutung. Wie verächtlich auch die Welt und ihre Fürsten über das Kind Gottes denken mögen, so ist es dennoch ein Überwinder der Welt. Diese überlegene Stellung des Gläubigen gegenüber den feindlichen Mächten der Welt wird so schön in dem siegreichen Abraham dargestellt, der von der Schlacht der Könige zurückkehrt. Der Mann des Glaubens schlug die Männer jenes Weltsystems in die Flucht!
In gleicher Weise sind auch die wiedergeborenen Kinder Gottes imstande, für sich die Heerscharen der feindlichen Welt in die Flucht zu schlagen. «Denn alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt; und dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube. Wer ist es, der die Welt überwindet, wenn nicht der, der glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist?» (1. Joh 5,4.5)
Beachte, dass der Apostel Johannes in diesen Versen von zwei Dingen redet, die auf alle die zutreffen, die aus Gott geboren sind:
- erstens sind sie schon ihrer verliehenen Fähigkeit nach Sieger und
- zweitens sind sie tatsächliche Sieger.
Einmal sind sie aufgrund ihrer neuen, von Gott geschenkten Natur auf der Seite des Sieges; und zum anderen schlagen sie den Feind durch ihren praktischen Glauben in die Flucht. Sie erringen den Sieg, weil sie aus Gott geboren sind und weil sie in dem praktischen Glauben vorangehen, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Wenn sie damit begannen, zu glauben, dass Jesus der Christus ist, so fahren sie nun fort zu glauben, dass Jesus der Sohn Gottes ist, der in seiner persönlichen Würde und Vortrefflichkeit jedes geschaffene Wesen übertrifft. Auf wessen Seite war der Sieg, als Stephanus gesteinigt wurde? Aufseiten der Welt, die ihn ermordete, oder auf der Seite des aus Gott Geborenen, der verschied, um bei Christus zu sein? Zweifellos war es der Märtyrer, der sowohl seiner Stellung nach als auch entsprechend seinem praktischen Glauben den Sieg über die Macht der Welt errang. Das Auge von Stephanus war auf Jesus, den Sohn des Menschen gerichtet, den er zur Rechten Gottes stehen sah – ein Anblick, der nicht Fleisch und Blut, noch durch Fleisch und Blut, sondern allein denen offenbart wird, die aus Gott geboren und mit Heiligem Geist erfüllt sind.
Doch nicht alle Kinder Gottes erringen die Lorbeeren des Sieges, noch kämpfen sie dafür. Sowohl Abraham als auch Lot waren aus Gott geboren. Abraham wandelte durch Glauben und errang den Sieg über die «Welt» seiner Tage; er gab sich nicht den Verlockungen und Annehmlichkeiten dieser Welt hin und blieb im Land Kanaan ein Fremder und Pilger bis zum Ende seines Lebens. Aber sein Neffe erlag den Reizen der gut bewässerten Jordanebene und wohnte schliesslich in Sodom, obwohl die Leute von Sodom böse und grosse Sünder vor dem HERRN waren (1. Mo 13,13).
Beide Männer waren zum Sieg über diese Welt befähigt; denn Gott, der Allmächtige, war denen, die als Gläubige vor Ihm im Glauben hätten wandeln sollen, ein Schild und ein sehr grosser Lohn. Aber nur der eine von beiden offenbarte den praktischen Glauben an Gott, der sowohl die Verführungskraft als auch die Feindschaft der Welt überwindet, und wurde so zum tatsächlichen Sieger.