Der Ausdruck «bleiben», dem wir im Evangelium des Johannes mehrmals begegnen, ist auch in seinem ersten Brief immer wieder zu finden. Dieser Ausdruck redet von Dauerhaftigkeit und Festigkeit, von Sicherheit und Frieden und stimmt mit der Belehrung dieses Jüngers, den Jesus liebte, sehr wohl überein.
Hier auf der Erde vergeht alles: die Gedanken, die Gefühle, die Freuden. Selbst Dinge, die in den Augen des Menschen als die beständigsten und dauerhaftesten erscheinen, können sich sehr schnell auflösen. Der Mensch möchte sich aus Furcht vor einer unbekannten Zukunft an etwas klammern; aber ausserhalb des Wortes Gottes sucht er vergeblich nach einem bleibenden Halt. Nur dieses bleibt, nur dieses wird nicht vergehen. Glücklich die «Jünglinge», in denen das Wort Gottes bleibt! (1. Johannes 2,14).
Das Bleibende ist nicht mit der Erde verknüpft. Darum führt uns Johannes in seinem ersten Brief zum Anfang, zum Anfang des Lebens Christi in uns zurück, zu Christus, dem lebendigen und bleibenden Wort Gottes. Da wir Christus so kennen, haben wir das ewige Leben bleibend in uns.
Der natürliche Mensch bleibt im Tod, weil seine Werke, selbst die besten in den Augen der Welt, schlecht sind. Einzig «der Mensch in Christus», der Teilhaber der göttlichen Natur (2. Pet 1,4) und aus Gott geboren ist, sein Leben besitzt und die Gabe der Liebe des Vaters empfangen hat, kann in ihm bleiben und in sich selbst die Früchte seines Lebens offenbaren. Ein solcher «Mensch in Christus» kann unmöglich die Sünde ausüben, denn der Same Gottes bleibt in ihm (1. Joh 3,9). Sein erhabenes Teil ist, Gerechtigkeit zu üben, so wie Er gerecht ist. Und wenn es vorkommt, dass der Gläubige dennoch sündigt, indem er die alte Natur, die in ihm ist, handeln lässt, so regelt Johannes diese Frage am Ende des 1. Kapitels seines ersten Briefes, um nicht mehr darauf zurückzukommen.
Es geziemt uns also, nicht nur zu sagen, dass wir in Ihm bleiben, sondern es auch zu verwirklichen. Darin besteht unsere Verantwortung. Denn in Ihm bleiben, heisst, so zu wandeln, wie Er gewandelt ist, in völliger und gänzlicher Abhängigkeit, und ein Leben praktischer Heiligkeit zu leben. Dies ist uns in unserer natürlichen Kraft unmöglich; sie würde uns nur von Ihm abwendig machen. Wir müssen uns an Ihn klammern und unsere Blicke auf das in Christus vor uns gestellte Beispiel gerichtet halten, auf sein Beispiel der Gerechtigkeit und sein Beispiel der Liebe. «Wie er» ist ein Ausdruck, der durch den ganzen Brief hindurch so manchmal vorkommt.
«In Ihm bleiben» schliesst also die Abhängigkeit und die praktische Heiligkeit in unserem Leben mit ein. Wir haben diese Wesenszüge darzustellen. Aber der uns gegebenen Ermahnung, in Ihm zu bleiben, wird die mehrmals wiederholte Verheissung hinzugefügt, dass Er in uns bleiben wird. Wir verstehen gut, dass dies nur sein kann, wenn wir in der Heiligkeit leben, denn wie könnte der Herr in unreinen Gefässen wohnen?
Wenn wir in Ihm bleiben, so gefällt es Ihm wohl, unserer Treue zu entsprechen. Der Herr selbst hat uns die Zusicherung gegeben: «Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen» (Joh 14,23).
Gott hat weder in Adam, noch in Abraham, noch in David gewohnt. Denn nur der Mensch, der das Auferstehungsleben besitzt und mit dem Heiligen Geist versiegelt ist, geniesst diese erhabene und herrliche Gunst, die Wohnung Gottes zu sein. Dies zu verwirklichen heisst, im Voraus das Glück zu geniessen, das unser Teil sein wird, wenn wir im Himmel sind. Wir geniessen dieses Vorrecht noch unvollkommen, da wir von Schwachheit umgeben sind, aber es ist trotzdem eine gesegnete Wirklichkeit, ein Anlass zu Lob und Anbetung.
Gebe Gott, dass wir diese glückliche und kostbare Gemeinschaft mit Ihm in zunehmendem Mass geniessen, damit unsere Freude völlig werde!