Der ewige Zustand

Offenbarung 21,1-8

«Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde waren vergangen, und das Meer ist nicht mehr» (Off 21,1).

Hier werden uns mit wenigen Worten grosse Dinge mitgeteilt. Nachdem die jetzigen Himmel und die Erde vergangen sind, tritt eine völlig neue Schöpfung in Erscheinung, so wie der Auferstehungsleib aus unserem Leib der Niedrigkeit hervorkommt. Die neue Schöpfung hat ganz andere Existenzbedingungen als die gegenwärtige; denn «das Meer ist nicht mehr». Alle, die dieser neuen Schöpfung angehören, die Bewohner des neuen Himmels und der neuen Erde, werden neue Geschöpfe sein mit verherrlichten und geistlichen Leibern, die, obwohl wirkliche Menschen, nicht mehr den jetzigen Naturgesetzen unterworfen sind.

Aber noch mehr. Johannes fährt fort: «Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, aus dem Himmel herabkommen von Gott, bereitet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut. Und ich hörte eine laute Stimme aus dem Thron sagen: Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott» (Off 21,2.3).

Die heilige Stadt, das neue Jerusalem, kommt in diesen neuen und ewigen Zustand der Dinge herab, der vom früheren, ja selbst von allem, was während der tausendjährigen Herrschaft des Messias offenbar werden wird, so völlig verschieden ist. Sie gleicht einer für ihren Mann geschmückten Braut. Gott selbst hat sie herrlich zubereitet, denn es ist die Frau, die Braut des Lammes (vgl. Vers 9 ff.). Sie wird «die Hütte Gottes bei den Menschen» genannt. Die Versammlung, die heute «die Behausung Gottes im Geist» ist (Eph 2,22), wird auch in der Ewigkeit diesen bevorzugten Platz einnehmen.

Schon vor Grundlegung der Welt war es der Wunsch und der Plan Gottes, bei den Menschen zu wohnen. Aber die Sünde hinderte Ihn, in der ersten Schöpfung zu ruhen. Sie schuf zwischen Ihm und dem Menschen eine unüberbrückbare Kluft. Wo Gott wohnen soll, darf es keine Sünde geben. Darum musste sich Gott im alten Bund, wo seine Herrlichkeit inmitten des Volkes Israel wohnte, mit einer Reihe von Schlachtopfern umgeben, durch die die Sünde gesühnt wurde, wenn auch nur in einer bildlichen Weise. (Gott schaute schon im Voraus immer auf das eine Opfer des Leibes Jesu Christi). Jedes Jahr musste der Hohepriester am grossen Versöhnungstag mit Blut in das Heiligtum eintreten, und eine ununterbrochene Folge von Opfern aller Art musste dargebracht werden. Nur auf der Grundlage einer vollbrachten Sühnung konnte Gott in der Mitte seines irdischen Volkes weilen.

Nachdem sich nun Christus selbst als Opfer zur Abschaffung der Sünde hingegeben hat, ist die Kluft für den, der an Jesus glaubt, so vollständig ausgefüllt, dass der Gläubige einerseits selbst ein Tempel Gottes ist und anderseits ein lebendiger Stein am Haus Gottes. Der Herr Jesus baut heute seine Versammlung; jeder, der von Herzen an Ihn glaubt und wiedergeboren ist, gehört zu dieser Versammlung, zu diesem göttlichen Bau, in dem Gott durch seinen Geist wohnt. Dieses Haus Gottes wird jetzt «die Braut Christi» genannt, und einst «die Frau des Lammes». Johannes sieht sie im Bild einer Stadt, als «das neue Jerusalem» vom Himmel herabkommen. Sie bildet den Mittelpunkt des himmlischen Systems, so wie das alte Jerusalem einst nach den Gedanken Gottes den Mittelpunkt dieser Erde gebildet hat. Gott wohnte damals in jener Stadt, in seinem Tempel. In unmittelbarer Nähe, in den zahlreichen Wohnungen des Hauses Gottes, waren die Priester, und das Volk wohnte ringsherum. So wird Gott im ewigen Zustand inmitten der Menschen der neuen Erde in seiner Hütte wohnen. Die himmlischen Heiligen bilden dann diese Hütte, diese Wohnung Gottes. Da gibt es keine Juden und keine Nationen mehr, wie jetzt oder während des Tausendjährigen Reiches, sondern nur noch Menschen; da gibt es auch keine einzelnen Völker mehr, sondern nur noch ein Volk: Das Volk Gottes. Alle solche Klassifizierungen, in Verbindung mit dieser ersten Schöpfung und mit der Zeit, sind verschwunden.

Aber noch mehr. Im Garten Eden betrachtete Gott sein Werk sozusagen aus einer gewissen Distanz: Er besuchte den Menschen. Im ewigen Zustand aber wird Gott nicht nur von Zeit zu Zeit den neuen Schauplatz besuchen, den seine Hand für den Menschen gebildet haben wird; sondern Er wird ewig inmitten der Menschen wohnen. Die Sabbatruhe Gottes wird anbrechen und nie gestört werden. Der Ratschluss Gottes ist dann erfüllt: «Es ist geschehen», sagt Er. «Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende» (Vers 6). Er macht alles neu. «Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott. Und er wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.»

Im Buch Jesaja finden wir ähnliche Ausdrücke in Verbindung mit der Segnung, die während des Tausendjährigen Reiches über diese Erde kommen wird. Wenn wir diese Stellen aber etwas näher betrachten, so finden wir grosse Unterschiede zwischen ihnen. Jesaja kündet einen herrlichen, aber irdischen und zeitlichen Zustand an, der das Teil der Gerechten sein wird. Da gibt es wunderbare Segnungen; Friede und Freude werden da herrschen, wo bisher Unruhe, Fluch, Eigenwille und Gewalt so lange das Zepter geschwungen haben. Doch werden es keine unvermischten Segnungen sein. Der Tod ist noch nicht abgeschafft; die Sünde ist noch da und folglich auch Schmerz und Trauer. Wenn aber die Vollkommenheit, der ewige Zustand gekommen sein wird, wird gar nichts mehr an die erste Erde erinnern. «Das Erste ist vergangen.»

In Offenbarung 21,1-8 ist nicht vom Lamm die Rede. Gott steht hier im Vordergrund. Das «Ende» ist gekommen, wo Christus das Reich seinem Gott und Vater übergibt (1. Kor 15,24). Nicht dass Christus je aufhören wird zu regieren, aber seine auf eine bestimmte Zeit begrenzte, besondere Herrschaft als der auferweckte Sohn des Menschen über ein irdisches Volk und über die Welt im Allgemeinen wird ein Ende nehmen. Dieses Reich, an dem die Heiligen teilhaben werden, wird Er seinem Gott und Vater übergeben, während Er selbst als Mensch in der Herrlichkeit den Platz der Abhängigkeit einnehmen wird, wie Er ihn einst auf der Erde eingenommen hat. Gott – der Vater, der Sohn und der Heilige Geist – wird dann alles in allem sein.

Wir schauen hier also die Herrlichkeit Gottes in ihrem vollständigsten Sinn, und wir können mit dem Apostel ausrufen: «Was sollen wir nun hierzu sagen?» Dieser grosse, mächtige und bewunderungswürdige Gott will selbst jede Träne von unseren Augen abwischen, wie eine Mutter mit zarter Hand die Tränen ihres weinenden Kindes trocknet!

In der Tat, Er ist der Gott der Liebe! Darum kann Er diese wunderbaren und gleichzeitig so feierlich ernsten Mitteilungen nicht beschliessen, ohne noch einmal eine freundliche Einladung an den Dürstenden zu richten, und eine direkte Warnung an die, die fern von Ihm, in der Trägheit oder Bosheit ihrer Herzen verharren: «Ich will dem Dürstenden aus der Quelle des Wassers des Lebens geben umsonst … Den Feigen aber und Ungläubigen und mit Gräueln Befleckten und Mördern und Hurern und Zauberern und Götzendienern und allen Lügnern – ihr Teil ist in dem See, der mit Feuer und Schwefel brennt, welches der zweite Tod ist» (Off 21,6 und 8). Diese letzten Worte befinden sich gerade an dem Platz, der ihnen die ernsteste Bedeutung verleiht. Vergessen wir nicht, dass uns hier der ewige Zustand vorgestellt wird. Wenn Gott alles in allem sein wird, wenn Er in Liebe herabsteigt, um bei den Menschen zu wohnen, wenn Er jede Träne getrocknet haben wird und die Erlösten die Segnungen einer glückseligen Ewigkeit geniessen werden, dann, ja dann ist das Teil der Verlorenen in dem See, der mit Feuer und Schwefel brennt, und wir finden in der Bibel kein einziges Wort, das zum Ausdruck brächte, dass die Schrecken jenes Ortes vergehen oder einmal aufhören werden. Das Herz zittert bei diesem Gedanken. Möge sich niemand täuschen und überreden lassen, Gott sei doch Liebe und könne solches nicht zulassen! Gewiss, Gott ist Liebe, aber Er ist auch Licht!

Hier haben wir also das Ende vor uns, im vollständigsten und buchstäblichen Sinn des Wortes. Der ewige Zustand sowohl der Erlösten als auch der Verlorenen ist vor unseren Augen. Gott hat uns über alles Auskunft gegeben, und – gepriesen sei sein Name! – «seine Worte sind gewiss und wahrhaftig». Niemand sage, dass man über den Zustand, der auf den Tod folgt und über das, was sich in der Ewigkeit zutragen wird, nichts wissen könne. Gott hat seine Mitteilungen über diese Dinge aufzeichnen lassen, und jedermann kann sie lesen. In dem tiefen Bewusstsein des Ernstes dieser Fragen schliesse ich mit den Worten, die Mose, der treue Mann Gottes, einst an das Volk Israel gerichtet hatte: «Ich nehme heute den Himmel und die Erde als Zeugen gegen euch: Das Leben und den Tod habe ich euch vorgelegt, den Segen und den Fluch! So wähle das Leben, damit du lebest» (5. Mo 30,19).