Das griechische Wort «exousia», das im Neuen Testament häufig mit «Gewalt» oder «Vollmacht» wiedergegeben wird, hat oft die Bedeutung von «Autorität». Darin liegt nicht nur der Gedanke der Macht, sondern auch des Rechts, sie auszuüben. Wenn jemand Gewalt, Vollmacht oder Autorität besitzt, hat er das Recht zu befehlen und Gehorsam einzufordern. Die Quelle der Autorität und der Befehlsgewalt kann nur bei Gott, dem Schöpfer, liegen. Er besitzt sie in ihrer ganzen Fülle. Er hat alle Autorität, Er ist der Allmächtige. Darum wird Er «der selige und alleinige Machthaber, der König der Könige und Herr der Herren» genannt (1. Tim 6,15).
Gott hat Macht und Autorität seinen Geschöpfen anvertraut – sowohl den unsichtbaren Engeln als auch den sichtbaren Menschen. Sie werden dann als «Gewalten» bezeichnet. Diese Fürstentümer und Gewalten kommen in den Briefen mehrmals vor. Sie können drei Bereichen zugeordnet werden. Wir zitieren zu jedem Bereich jeweils eine Bibelstelle:
- Die himmlischen Gewalten – das sind die Engel: «Damit jetzt den Fürstentümern und den Gewalten in den himmlischen Örtern durch die Versammlung kundgetan werde die mannigfaltige Weisheit Gottes, nach dem ewigen Vorsatz» (Eph 3,10).
- Die irdischen Gewalten – das sind Menschen mit Führungsautorität: «Erinnere sie, Obrigkeiten und Gewalten untertan zu sein, Gehorsam zu leisten» (Tit 3,1).
- Die teuflischen Gewalten – sie umfassen Satan und die gefallenen Engel: «Als er die Fürstentümer und die Gewalten ausgezogen (d.h. völlig entwaffnet) hatte, stellte er sie öffentlich zur Schau, indem er durch dasselbe (das Kreuz) über sie einen Triumph hielt» (Kol 2,15).
Es wird ein Tag kommen, an dem alle diese Gewalten ihre Knie vor dem Herrn Jesus beugen werden, und zwar als Teil der Lebewesen dieser drei Bereiche: «die Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen», wie es in Philipper 2,10 heisst. Christus wurde nämlich die Gewalt gegeben zu richten, weil Er der Sohn des Menschen ist (Joh 5,27). Er besitzt die Vollmacht, sowohl jenen Leben zu geben, die hören und glauben, als auch jene zu richten, die nicht glauben. Das ist ein ernster Gedanke, der alle Leser dazu bringen sollte, noch heute über das ewige Schicksal der eigenen Seele nachzudenken!
Es wird zudem ein Tag kommen, der das Ende aller Befehlsgewalt und Autorität markiert. Der Herr wird das Reich seinem Gott und Vater übergeben, «wenn er weggetan haben wird alle Herrschaft und alle Gewalt und Macht» (1. Kor 15,24). Jede Autorität wird vor dem alleinigen Herrn aufgehoben werden. Er selbst – der Sohn als Mensch – wird diese Befehlsgewalt in die Hände Gottes, seines Vaters, zurückgeben. Dann wird Gott alles in allem sein.
Die Gewalt Satans
Es ist wichtig, auch von der Gewalt Satans zu sprechen. Die Bibel nennt ihn nämlich den Gott dieser Welt (2. Kor 4,4) oder den Fürsten der Gewalt der Luft (Eph 2,2), die jeder Mensch einatmet und die von seinem teuflischen Einfluss durchdrungen ist. Weiter wird er auch der Fürst dieser Welt genannt (Joh 12,31; 14,30; 16,11).
Woher kommt diese Gewalt? Woher hat er sie? Es ist klar, dass der Teufel log, als er den Herrn Jesus mit den Worten versuchte: «Dir will ich diese ganze Gewalt und ihre Herrlichkeit geben; denn mir ist sie übergeben, und wem irgend ich will, gebe ich sie» (Lk 4,6). Er sagt nicht, wer ihm diese Gewalt gegeben hat. Er hat sie bestimmt nicht von Gott bekommen! Die Herrschaft, die er über die Menschheit ausübt, hat er durch die Übertretung Adams erlangt. Als der erste Mensch Gott nicht gehorchte, sondern auf Satan hörte und ihm folgte, zog er die ganze Menschheit auf den gleichen, bösen Weg. Dadurch ist der Teufel der Fürst dieser Welt geworden.
Satan log ein zweites Mal, als er anfügte: «Wem irgend ich will, gebe ich sie.» Er hat überhaupt kein Recht, irgendjemand Befehlsgewalt zu geben. Der Herr Jesus erklärte Pontius Pilatus: «Du hättest keinerlei Gewalt gegen mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre» (Joh 19,11). Dies sagte Er zu einem Zeitpunkt, als der Vertreter der höchsten damaligen Autorität die Gerechtigkeit kaltblütig mit Füssen trat und den Heiligen und Gerechten zum Tod verurteilte! Aber diesen Heiligen und Gerechten hat Gott aus den Toten auferweckt.
Der Herr Jesus hat am Kreuz die Fürstentümer und Gewalten entwaffnet und einen Triumph über sie errungen (Kol 2,15). Der Apostel Petrus bezeugt diesen Sieg. Er spricht von der «Auferstehung Jesu Christi, der, in den Himmel gegangen, zur Rechten Gottes ist, indem Engel und Gewalten und Mächte ihm unterworfen sind» (1. Pet 3,21.22). Seither ist Satan ein besiegter Feind, und der Christ steht auf der Seite des Siegers.
Darin liegt eine Realität von grösster Wichtigkeit: Wir sind aufs Engste mit Christus verbunden, dem Sieger über Satan und über die Welt. In der Zukunft wird diese Vereinigung einmal öffentlich bekannt und sichtbar werden. Wer überwindet und die Werke des Herrn bis ans Ende bewahrt, bekommt von Ihm die ermutigende Zusage: «Dem werde ich Gewalt über die Nationen geben …, wie auch ich von meinem Vater empfangen habe» (Off 2,26.28).
Die Macht des Herrn
In den letzten Worten des Herrn Jesus an seine Jünger erklärt Er ihnen: «Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf der Erde» (Mt 28,18). Er steht vor ihnen als Mensch, der das Erlösungswerk vollbracht hat, der aber auferstanden ist und dem alle Gewalt gehört. Darum kann Er ihnen den Auftrag geben: «Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu bewahren, was ich euch geboten habe» (Mt 28,19.20). Während ihres Dienstes können sie auf Den zählen, der alle Macht hat und immer bei ihnen ist: «Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters» (Mt 28,20). Die Macht und Gegenwart des Herrn sind zwei Tatsachen von unschätzbarem Wert für alle Glaubenden, die es auf dem Herzen haben, ihrem Herrn zu dienen.
Autorität im Volk Gottes
Der Herr Jesus hat den Aposteln Autorität verliehen (Joh 20,23). Der Apostel Paulus war sich dessen bewusst. Er erklärte den Korinthern: «Deswegen schreibe ich dies abwesend, damit ich anwesend nicht Strenge gebrauchen muss, nach der Gewalt, die der Herr mir gegeben hat zur Auferbauung und nicht zur Zerstörung» (2. Kor 13,10). Aber mit dem Heimgang der Apostel ist diese Autorität verschwunden. Der Gedanke einer apostolischen Nachfolge ist falsch. Als Paulus sich von den Ältesten der Versammlung in Ephesus verabschiedete, übergab er sie nicht der Fürsorge eines Nachfolgers, sondern befahl sie «Gott und dem Wort seiner Gnade an, das vermag, aufzuerbauen und das Erbe zu geben unter allen Geheiligten» (Apg 20,32).
Der örtlichen Versammlung ist ebenfalls Autorität verliehen worden. Das drückt der Herr Jesus sehr deutlich aus, wenn Er von der örtlichen Versammlung und seiner Gegenwart in der Mitte der Versammelten spricht: «Was irgend ihr auf der Erde binden werdet, wird im Himmel gebunden sein, und was irgend ihr auf der Erde lösen werdet, wird im Himmel gelöst sein» (Mt 18,18). Er, der im Himmel lebt, befindet sich persönlich in der Mitte derer, die sich in seinem Namen versammeln, auch wenn es nur zwei oder drei sind. Da befindet sich die Autorität des Herrn. Dies ist die einzige kirchliche Autorität, die Gott anerkennt und die auch der Glaubende anerkennen soll.