Wenn wir beim Lesen von 1. Mose 19 das Leben Lots mit dem des Abraham vergleichen, wird uns der Ernst dieses Kapitels erst recht bewusst. Wir entdecken da tiefgreifende Unterschiede, die Gott sicher nicht umsonst aufgezeichnet hat.
Stellung und Praxis
Beide, Abraham und Lot, hatten einst ihrer heidnischen Heimat den Rücken gekehrt, den Götzendienst verlassen und waren in das von Gott verheissene Land gezogen. Beide werden in der Schrift als Gerechte, d.h. als Gläubige, bezeichnet (Röm 4,3; 2. Pet 2,7). Bei Abraham zeigte sich das neue Leben durch Gehorsam und Werke des Glaubens (Jak 2,21-23). Doch bei Lot war das Zeugnis, nachdem er sich wieder der Welt (Sodom) zugewandt hatte, völlig erloschen. Vergeblich suchen wir seinen Namen in Hebräer 11.
Göttlicher Besuch
Aber Gott dachte an beide und suchte sie auf. Zu Abraham kam der Herr persönlich mit zweien seiner Engel. In ihm fand Er einen, mit dem Er vertrauten Umgang haben konnte, den Er dreimal «Freund Gottes» nennt (2. Chr 20,7; Jes 41,8; Jak 2,23). Lot erfuhr die Fürsorge der göttlichen Vorsehung in Gestalt der beiden Engel, aber keinen göttlichen Besuch. Gott schämte sich des Lot. An keiner Stelle nennt Er sich der Gott Lots, unzählige Male hingegen der Gott Abrahams (Heb 11,16).
In Abraham finden wir eine alttestamentliche Parallele zu Johannes 14,23. Der HERR besuchte ihn am Tag mit dem Verlangen, Gemeinschaft mit ihm zu haben. Die beiden Engel kamen am Abend, kurz vor dem Gericht, nach Sodom, damit Lot gerettet würde, doch sowie durchs Feuer (1. Kor 3,15).
Abraham blieb Zeit seines Lebens Fremdling. Er hielt an seinem Zelt fest, während Lot sein Zelt schon längst mit einem Haus in der Stadt Sodom vertauscht hatte.
Abraham sass am Eingang seines Zeltes, als der HERR ihm erschien. Er «stand seinem Haus wohl vor» und entsprach darin der Verantwortung, die Gott dem Familienoberhaupt übertragen hat (1. Mo 18,19; 1. Tim 3,4). Lot hingegen empfing seine Gäste am Tor. Da, in der Stadtverwaltung, nahm er eine hohe Stellung ein und vernachlässigte dafür die gottgewollte Aufgabe als Vorsteher seines Hauses. Die Folgen, die sich daraus ergaben, sind unendlich schwerwiegend und traurig: kein einziges Familienglied, nicht einmal seine Frau, kam auf den Weg des Glaubens! Vergleiche auch Kapitel 18,19 mit 19,14!
Abraham wusste, mit wem er es zu tun hatte und nannte den, der der HERR selbst war, Herr. Lot hatte den klaren Blick für diese Dinge ganz verloren. Er redete die Engel mit Herr an und bezeichnete sich als ihr Knecht. Die Bibel lehrt aber ausdrücklich, dass der Gläubige nicht Knecht der Engel ist. Diese sind dienstbare Geister Gottes, «ausgesandt zum Dienst um derer willen, die die Errettung erben sollen» (Heb 1,14).
Wie unterschiedlich war die Reaktion der Gäste auf die Einladung! Zu Abraham sprachen die drei Männer: «Tu so, wie du geredet hast» (1. Mo 18,5). Lot musste sehr in die Männer dringen, damit sie nach anfänglicher Weigerung doch in sein Haus einkehrten. Es war den heiligen Knechten Gottes zuwider, in das Haus eines Gläubigen einzukehren, der sich so mit der Welt verbunden hatte.
Was hatten die beiden Gastgeber den Gästen vorzusetzen? Abraham nahm Feinmehl, ein Kalb und dicke und süsse Milch, um die Männer zu bewirten. Im Vorbild reden diese Dinge alle vom Herrn Jesus. Er ist der gemeinsame Gegenstand Gottes, des Vaters, und der Gläubigen und die Grundlage jeder wahren Gemeinschaft mit Gott. Aber wir können sie nur geniessen, wenn wir im Licht wandeln. Wie mager nimmt sich im Gegensatz dazu das aus, was der «reiche» Lot den Engeln vorzusetzen hatte: ungesäuerte Kuchen. War dies noch eine äussere Form, die bei ihm übrig geblieben war, aus der Zeit, da er noch mit Abraham zog? Oder brachte es zum Ausdruck, dass seine gerechte Seele gar nicht in diese ungerechte und gottlose Umgebung gehörte? Der weitere Verlauf des Abends zeigt jedenfalls etwas von der ständigen Qual seiner Seele durch die gottlosen Werke seiner Umgebung. Stattdessen genoss Abraham die ungetrübte Gemeinschaft mit seinem Gott (1. Mo 18,17).
Beziehung zur Welt
Welch ein Unterschied zeigt sich auch, wenn wir die Fragen stellen: Wie äusserte sich die Umwelt gegenüber diesen Gläubigen und was war deren Haltung zur Welt?
Als Frucht der konsequenten Absonderung auf seinem Weg als Fremdling wird Abraham von den Hethitern «Fürst Gottes» genannt (1. Mo 23,6). Solange Zeit hatte Lot in Sodom gewohnt und doch wurde er, obwohl er einen Platz in ihrem Tor einnehmen wollte, von seiner Umgebung nie ganz als zu ihr gehörend betrachtet. Jetzt halten ihm die Leute von Sodom spottend vor, was er hätte sein sollen: ein Fremder, und greifen ihn mit den Worten an: Er «will den Richter machen». Die Welt urteilt realistischer als wie wir es gewöhnlich annehmen.
Wie unglaubwürdig macht sich ein Gläubiger, wenn er sich in der Welt so verwurzelt wie Lot, obwohl er weiss, dass sie und die Werke auf ihr dem Gericht verfallen sind. Wenn er in letzter Minute doch von diesem Gericht redet, haben seine Worte keine Kraft; er macht sich nur lächerlich (Vers 14). Wollen wir an etwas mitbauen, von dem wir mit Sicherheit wissen, dass es dem Untergang geweiht ist?
Während Abraham sich auf der Höhe des Gebirges vor Gott aufhält und im Gedanken an seinen Bruder fürbittend für Sodom einsteht, kann Lot auf der Flucht nur um sein eigenes Leben flehen (Vers 20).
Ende und Nachkommenschaft
Und wenn wir zum Schluss das Ende und die Nachkommenschaft dieser beiden «Gerechten» betrachten, so stellt sich uns der grösstmögliche Gegensatz vor.
Abraham wurde Vater einer Menge (1. Mo 17,4), der Stammvater Israels, des Volkes Gottes und der Vater aller Gläubigen (Röm 4,16). Und Lot wurde durch seine eigenen Töchter auf eine Art und Weise, die sie sicher in Sodom gesehen und gelernt hatten, zum Stammvater der schlimmsten Feinde des Volkes Gottes (5. Mo 23,3.4). Wie viele Kinder aus gläubigem Haus wurden schon zu erbitterten Feinden der Kinder Gottes, weil ihre Eltern den Pfad der Absonderung verlassen und dafür einen Weg der Kompromisse mit der Welt eingeschlagen hatten.
Von Abraham heisst es in 1. Mose 25,7.8: «Und dies sind die Tage der Lebensjahre Abrahams, die er gelebt hat: 175 Jahre. Und Abraham verschied und starb in gutem Alter, alt und der Tage satt, und wurde versammelt zu seinen Völkern.» Vom Tod Lots lesen wir nichts in der Heiligen Schrift. Als er aus Sodom fliehen musste, bat er, nach Zoar gehen zu dürfen. Er hatte Angst, sich auf das Gebirge zu retten. Er war schon so «weltkrank», dass er nicht mehr ohne Stadt leben konnte. Wenigstens eine kleine, bat er. Können wir nicht sagen, dass dieser Mann schon zu Lebzeiten wie tot war, so dass Gott seinen physischen Tod nicht mehr erwähnen musste? Ein wertloses Leben in den Augen Gottes! Welch eine Bilanz!