Es gehört eigentlich nicht zum Dienst von Johannes, verschiedene Zeitepochen zu schildern. Das ist mehr dem Apostel Paulus vorbehalten. Johannes beschreibt uns vor allem die Offenbarung Gottes in seinem Sohn. Doch am Anfang und am Ende seines Evangeliums zeigt Er anhand von Ereignissen den Ablauf verschiedener Heilszeiten.
In Johannes 1 und 2 haben wir drei besondere Tage, die uns drei Zeitabschnitte zeigen:
- In Kapitel 1,35-42 finden wir den Tag, an dem zwei Jünger zum Herrn Jesus kamen und bei Ihm blieben. Das ist die christliche Zeit, die Zeit der Versammlung.
- In Kapitel 1,43-51 lesen wir vom Tag, an dem Nathanael dem Herrn begegnete und Ihn als König Israels anerkannte. Er weist auf den gläubigen Überrest in der zukünftigen Drangsalszeit hin.
- In Kapitel 2,1-11 wird der Tag beschrieben, als die Hochzeit in Kana stattfand. Dort finden wir einige Hinweise auf die Freude im Tausendjährigen Reich.
In Johannes 20 und 21 geben uns vier Abschnitte einen Überblick über verschiedene Heilszeiten. Es wird dort gezeigt, welche Gruppen von Menschen am Segen des Erlösungswerks von Golgatha teilhaben:
- Kapitel 20,1-18: Maria Magdalene stellt den Überrest aus Israel zur damaligen Zeit dar, der in himmlische Beziehungen eingeführt wird.
- Kapitel 20,19-23: Der Herr kommt in die Mitte der Jünger. Sie sind ein Bild der Gläubigen, die in der Gnadenzeit zur Versammlung gehören. Das entspricht Johannes 1,35-42.
- Kapitel 20,24-29: Thomas weist auf den gläubigen Überrest in der zukünftigen Drangsalszeit hin, der den Herrn Jesus annehmen wird. Das stimmt mit Johannes 1,43-51 überein.
- Kapitel 21,1-14: Der Fischfang spricht vom Segen im Tausendjährigen Reich. Unzählige Menschen aus den Nationen werden an Christus glauben. Das entspricht Johannes 2,1-11 und wird durch die Zahl 3 bestätigt. In Johannes 2,1 heisst es: «Am dritten Tag …» In Johannes 21,14 lesen wir: «Dies ist schon das dritte Mal …» Dabei gilt es zu beachten, dass Johannes nur die Tage bzw. Erscheinungen zählt, die damals prophetische Aussagen beinhalteten.
In einem Überblick schauen wir uns an, was diese Gruppen von Menschen kennzeichnet, die unter die Segensauswirkungen von Golgatha kommen.
Der damalige Überrest Israels (Joh 20,1-18)
Es gab zur Zeit des Herrn Jesus Menschen aus dem Volk Israel, die an Ihn glaubten. Sie hatten Ihn als den Messias erkannt, dessen Kommen im Alten Testament verheissen war. Sie glaubten, dass Er der Erlöser des Volkes und der König Israels sei. Sie wussten: Er ist Der, den Gott zu unserer Errettung angekündigt hat. Sie hatten Ihn angenommen und an Ihn geglaubt. Diese Gläubigen werden durch Maria Magdalene dargestellt.
Als sich der Herr Jesus gefangen nehmen, zum Tod verurteilen und kreuzigen liess, wurde dieser Überrest in seiner Hoffnung enttäuscht. Christus befreite sein Volk nicht aus der Hand der Römer, sondern starb am Kreuz. Der Herr, der die Enttäuschung der Gläubigen sah, begegnete ihnen nach seiner Auferstehung. Er machte ihnen klar, dass das Reich auf der Erde zu diesem Zeitpunkt nicht aufgerichtet werden konnte. Stattdessen führte Er jenen gläubigen Überrest in himmlische Beziehungen ein. Das sehen wir deutlich in der Begegnung des Herrn Jesus mit Maria Magdalene.
Er erklärte ihr: «Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater.» Warum gestattete Er Maria nicht, Ihn anzurühren? Ich habe früher immer gedacht: Herr Jesus, wie kannst Du zu dieser Frau nur so hart sein? Ich habe das nicht verstanden. Maria hatte doch ihre Liebe eindrücklich gezeigt. Dennoch sagte der Herr zu ihr: «Rühre mich nicht an.»
Das Wort «anrühren» meint eigentlich «festhalten» oder «sich an jemand klammern». Es kann also auch so übersetzt werden: «Halte Mich nicht länger fest!» Oder: «Klammere dich nicht länger an Mich!» Die Gläubigen damals wünschten sich sehnlichst die Erfüllung der alttestamentlichen Verheissungen. Sie wollten den Herrn Jesus nach seiner Auferstehung als König Israels auf der Erde behalten. Das war ihr Gedanke (Lk 24,21). Doch der Herr stand in Begriff, in den Himmel zurückzukehren. Deshalb musste Er den Seinen zeigen, dass Er nicht als König auf der Erde blieb. So gebot der Auferstandene Maria: «Rühre mich nicht an!»
Der Herr schenkte dem damaligen Überrest etwas Besseres: «Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und meinem Gott und eurem Gott.» Damit führte Er die Seinen in die Beziehung zum Vater ein. Das kannten die Gläubigen des Alten Testaments nicht. Abraham beispielsweise war kein Kind Gottes. Nein, Kinder unseres Gottes und Vaters im Himmel zu sein, ist die spezielle Segnung der Erlösten der christlichen Zeit.
In diese neuen, himmlischen Beziehungen wurden die Gläubigen damals eingeführt. Sie erlitten also keinen Verlust. Ganz im Gegenteil: Das waren viel höhere Segnungen, als sie erwartet hatten.
Die Versammlung Gottes (Joh 20,19-23)
Dieser Abschnitt beschreibt prophetisch die Zeit der Versammlung Gottes auf der Erde. Die Jünger waren am ersten Tag der Woche hinter verschlossenen Türen versammelt. Da kam Jesus zu ihnen, stand in ihrer Mitte und sprach: «Friede euch!» Diese Gläubigen stellen gemeinsam die Versammlung Gottes in der Gnadenzeit dar. Sie ist an Pfingsten durch das Kommen des Heiligen Geistes entstanden (Apg 2,1-4). Da wurde der Leib des Christus gebildet (1. Kor 12,13). Am Anfang bestand die Versammlung nur aus gläubigen Juden. Später kamen auch gläubige Menschen aus den Nationen hinzu. Auch wir gehören als Glieder des Leibes Christi zur Versammlung Gottes.
Wir finden in diesem Abschnitt herrliche Grundsätze im Blick auf das Zusammenkommen als Versammlung. Es ist eine wunderbare Gnade, dass wir uns im Namen des Herrn Jesus versammeln und so die Wahrheit der Versammlung an einem Ort darstellen können. Um uns die Gedanken Gottes darüber mitzuteilen, gibt der Herr uns nicht nur die Belehrungen in den Briefen, sondern auch diese Begebenheit. Sie stellt bildlich ein Zusammenkommen der Versammlung dar, denn unser Herr steht in der Mitte der Seinen (vgl. Mt 18,20).
Der zukünftige Überrest Israels (Joh 20,24-29)
Im dritten Abschnitt von Johannes 20 wird eine weitere Zusammenkunft des Herrn Jesus mit seinen Jüngern beschrieben. Hier stellt Thomas, der das erste Mal nicht dabei war, den zukünftigen Überrest aus dem Volk Israel dar. Nach der Entrückung wird weltweit das Evangelium des Reichs verkündigt werden (Mt 24,14). Durch wen? Durch Juden, die diese Botschaft selbst im Glauben angenommen haben und so den Überrest bilden. In Matthäus 25 nennt sie der Herr Jesus «meine Brüder».
Diese gläubigen Juden werden furchtbar bedrängt sein, weil sie nicht dem Antichristen folgen, sondern auf den Messias warten. Einige von ihnen werden als Märtyrer sterben, andere werden durch die grosse Drangsal hindurch gerettet werden.
Der Überrest erkennt Jesus Christus
Bis heute glauben die Juden nicht, dass sie damals ihren Messias gekreuzigt haben. Auch der zukünftige Überrest muss noch zu dieser Einsicht geführt werden. Der Herr selbst wird dies tun.
Darum forderte der Herr Thomas hier auf, die Hand in seine Seite zu legen (Joh 20,27), und den Frauen in Matthäus 28,9 erlaubte Er, seine Füsse zu umfassen. Das ist kein Widerspruch zu Johannes 20,17, sondern rundet das Gesamtbild ab. Wie Er sich damals Thomas zu erkennen gab, wird Er auch den gläubigen Juden in der Zukunft seine Wundmale zeigen, damit sie Ihn als Den erkennen, der von ihrem Volk gekreuzigt worden ist. Damit werden sich Prophezeiungen aus dem Alten Testament erfüllen:
- Die Brüder Josephs waren nach Ägypten gekommen, weil sie Hunger hatten. Dort trafen sie Joseph, ohne ihn zu erkennen. Nachdem er einige Male mit ihnen geredet hatte, konnte er sich nicht mehr bezwingen und gab sich ihnen zu erkennen: «Ich bin Joseph» (1. Mo 45,3). Das wird der Heiland mit dem gläubigen Überrest auch tun. Er wird sich in seiner Liebe zu seinem Volk nicht mehr bezwingen können und sich als den Messias zu erkennen geben, den die Juden einst gekreuzigt hatten.
- In Sacharja 12,10 lesen wir: «Sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben, und werden über ihn wehklagen gleich der Wehklage über den einzigen Sohn und bitterlich über ihn Leid tragen, wie man bitterlich über den Erstgeborenen Leid trägt.» Wenn der Überrest erkennen wird, dass der Herr Jesus der Messias ist, wird er zur Einsicht kommen und über das, was sein Volk Ihm einst angetan hat, bitterlich Leid tragen.
- In Sacharja 13,6 steht die Frage: «Was sind das für Wunden in deinen Händen?» So wird der gläubige Überrest den Herrn Jesus fragen, wenn Er sich ihm zu erkennen gibt. Dann wird Christus antworten: «Es sind die Wunden, womit ich geschlagen worden bin im Haus derer, die mich lieben.» Welch ein Heiland – auch für sein irdisches Volk!
Der Überrest glaubt an Jesus Christus
Nachdem Thomas den auferstandenen Herrn erkannt hatte, antwortete er: «Mein Herr und mein Gott!» Damit zeigt er, in welcher Beziehung die gläubigen Juden in der Zukunft zu Christus stehen werden. Sie werden nicht sagen: «Mein Bräutigam!», denn sie gehören nicht zur Versammlung. Sie haben eine andere Beziehung zum Herrn Jesus.
Sie sagen: «Mein Herr und mein Gott!» Als Jesus das erste Mal zu seinem irdischen Volk kam, anerkannten sie Ihn weder als Herrn noch als Gott. Als Er den Tempel reinigte, stellten sie seine Autorität infrage. Wenn Er von seiner Gottheit sprach, erklärten sie: «Du lästerst!» Doch in der Zukunft wird Ihn ein gläubiger Überrest anerkennen: «Mein Herr und mein Gott!» Einige Stellen im Alten Testament bestätigen dies:
- «Der König wird deine Schönheit begehren, denn er ist dein Herr: So huldige ihm!» (Ps 45,12).
- «An jenem Tag wird man sprechen: Siehe da, unser Gott, auf den wir harrten, dass er uns retten würde; da ist der HERR, auf den wir harrten!» (Jes 25,9).
- «So spricht der HERR, dein Herr, und dein Gott, der die Rechtssache seines Volkes führt» (Jes 51,22).
In der Zukunft werden die Gläubigen aus dem Volk Israel zuerst sehen und dann glauben. Aber für uns, die Erlösten der Gnadenzeit, gilt: «Glückselig sind, die nicht gesehen und doch geglaubt haben!» Wir haben unseren Heiland und Herrn noch nie gesehen. Dennoch glauben wir an Ihn (1. Pet 1,8).
Menschen, die im Reich geboren werden (Joh 21,1-14)
Im Gegensatz zu Lukas 5 werden hier 153 Fische gefangen, ohne dass das Netz zerreisst. Dieser Fischzug ist ein Bild von der Verkündigung des Evangeliums des Reichs während der 1000 Jahre, die der Herr auf der Erde regieren wird. Wir fragen uns: Wem wird es verkündigt? Es gehen doch nur Gläubige ins Tausendjährige Reich ein! Das ist wahr, aber im Reich werden Millionen von Menschen geboren. Ihnen wird das Evangelium des Reichs verkündigt. Viele werden es im Glauben annehmen – dargestellt durch die vielen Fische, die ins Netz gehen. Da sehen wir die Segensauswirkungen von Golgatha im Blick auf die Menschen, die im Reich geboren werden. Wir staunen darüber und sagen: Wie gross ist der Heiland! Aus seinem Erlösungswerk geht ein unendlicher Segen für die Erde und für den Himmel aus.
Der Überrest als Segenskanal
Die sieben Jünger, die den segensreichen Fischzug erlebten, weisen auf den zukünftigen jüdischen Überrest aus dem ganzen Volk Israel hin, der im vorherigen Abschnitt durch Thomas dargestellt wird. Diese Gläubigen werden den Herrn Jesus bei seinem Kommen in Herrlichkeit annehmen und mit Ihm ins Reich eingehen. Dann wird Er sie benutzen, um die Menschen aus den Nationen in seinem Reich mit dem Segen Gottes bekannt zu machen.
Die gläubigen Israeliten werden im Tausendjährigen Reich für viele Menschen aus den Nationen ein Segenskanal sein. Es werden schon in der Zeit von der Entrückung bis zur Aufrichtung des Reichs jüdische Boten zu den Menschen aus den Nationen gehen und ihnen das Evangelium des Reichs verkündigen (Mt 24,14). Alle, die es im Glauben annehmen, werden ins Friedensreich eingehen.
Doch während der tausend Jahre werden täglich unzählige Menschen geboren. Ihnen werden die gläubigen Israeliten das Evangelium des Reichs verkündigen. Wer es annimmt, kommt ins Netz und gehört zu den 153 Fischen. Wer es ablehnt und sich dem König mit Heuchelei unterwirft, wird zwar am Leben bleiben, aber nicht zu den Gläubigen aus den Nationen zählen. Sobald sich so jemand gegen Christus auflehnt, wird er am nächsten Morgen mit dem Tod bestraft werden (Ps 101,8). Doch viele Menschen, die im Reich geboren werden, nehmen das Evangelium an und gehören damit zu den Fischen im Netz.
Ein wunderbares Ergebnis
Der Fischfang der sieben Jünger war ein gewaltiger Erfolg. Sie vermochten das Netz vor der Menge der Fische nicht mehr zu ziehen, dennoch zerriss es nicht. Was wird es sein, wenn der Dienst der Gläubigen unter dem Segen des Herrn uneingeschränkt gedeihen wird. Wir lesen in Jesaja 53,10: «Das Wohlgefallen des HERRN wird in seiner Hand gedeihen.» Ja, wenn der Herr Jesus in der Zukunft die Sache öffentlich in seine Hand nehmen wird, wird es keinen mangelhaften Dienst mehr geben. Heute gleicht die Verkündigung und Verbreitung des Evangeliums mehr dem Fischfang in Lukas 5,4-7, wo die Netze zu reissen begannen. Jetzt ist vieles im Dienst an den Verlorenen unvollkommen. Dennoch will der Herr uns benutzen, um Menschen zu retten. Welche Gnade! Doch in der Zukunft wird das Netz nicht reissen. Dann wird der Segen Gottes durch das Wirken des Herrn die Menschen ohne Einschränkung und ohne Verlust erreichen.
Die Fische auf dem Kohlenfeuer
Als die Jünger vom Fischfang zurückkehrten, sahen sie ein Kohlenfeuer mit Fisch darauf liegen und Brot. Von wem sprechen diese Fische auf dem Kohlenfeuer? Ich habe den Eindruck, dass sie den gläubigen Überrest aus Israel darstellen, der sich schon beim Herrn befindet, wenn die Gläubigen aus den Nationen hinzukommen. Andere Ausleger haben den Gedanken, dass die Fische auf dem Kohlenfeuer auch Menschen aus den Nationen sind, die der Herr aber durch sein eigenes Wirken, ohne die Mithilfe des gläubigen Überrests, um sich gesammelt hat. Wie dem auch sei, das ist nicht so entscheidend. Wichtig ist hingegen, dass wir erkennen: Der Herr kann ohne Zuhilfenahme von Werkzeugen wirken und Menschen zu sich ziehen.
Gemeinschaft mit dem Herrn
Der Herr Jesus lud die sieben Jünger ein: «Kommt her, frühstückt!» Dieses Frühstück spricht von der wiedererlangten Gemeinschaft des Volkes Israel mit dem Herrn. Das ist sehr schön zu sehen. In dieser gemeinsamen Mahlzeit sehen wir, wie die Gläubigen aus Israel in einer wunderbaren Beziehung zu ihrem Messias stehen werden. Eine lange Zeit war diese Beziehung unterbrochen. Doch in der Zukunft wird sie völlig wiederhergestellt sein. Wunderbares Ergebnis: Das Volk Israel wird im ersehnten Hafen des Tausendjährigen Reichs mit dem Herrn Jesus Gemeinschaft haben und gläubige Menschen aus den Nationen kommen hinzu, um an diesem Segen teilzuhaben.
Schluss
Wie wunderbar und gross sind doch die Ergebnisse des Erlösungswerks, das der Herr Jesus am Kreuz vollbracht hat! Wir sind persönlich sehr glücklich, dass wir aufgrund dieses Werks Vergebung unserer Sünden besitzen und einmal im Haus des Vaters sein werden. Aber der Tod unseres Erlösers hat darüber hinaus weitreichende Auswirkungen auf andere Menschen zu anderen Zeiten.