Das Hohelied ist im Wesentlichen ein Zwiegespräch zwischen dem Bräutigam Salomo und seiner Braut Sulamith. Das Thema ist die grosse, unwandelbare Liebe des Bräutigams zu seiner Braut und die wachsende Liebe der Braut zu ihrem Bräutigam.
Prophetisch sehen wir in diesem Bibelbuch die zukünftige Beziehung des Herrn Jesus zum gläubigen Überrest aus dem Volk Israel. In der Anwendung auf uns lernen wir die wunderbare Liebe unseres Herrn kennen. Je mehr wir uns von Ihm geliebt wissen, desto stärker wird unsere Liebe zu Ihm.
Eine der bedeutungsvollen Aussagen des Bräutigams möchten wir nun gleich einem Edelstein bewundern:
«Bis der Tag sich kühlt und die Schatten fliehen, will ich zum Myrrhenberg hingehen und zum Weihrauchhügel» (Hld 4,6).
Der Myrrhenberg und der Weihrauchhügel sprechen symbolisch von der Stätte Golgatha, wo der Herr Jesus am Kreuz litt und starb. Dorthin will Er im übertragenen Sinn gehen, um unsere Gedanken auf seine Liebe zu lenken. Er möchte uns zeigen, was dort geschah, um unsere Liebe zu Ihm zu vertiefen.
Der Myrrhenberg
Myrrhe ist ein wohlriechendes Harz und spricht von den Leiden des Herrn Jesus. Die Weisen aus dem Osten schenkten dem König der Juden neben Gold und Weihrauch auch Myrrhe (Mt 2,11). Bei der Grablegung des Herrn Jesus brachte Nikodemus eine Mischung von Myrrhe und Aloe, um seinen Leib zu salben (Joh 19,39). So sehen wir, dass Christus von der Krippe bis zum Kreuz der Schmerzensmann war. Aber die Stätte Golgatha war ein Myrrhenberg. Dort fanden seine Leiden einen Höhepunkt.
- Jesus erduldete am Kreuz körperliche Leiden. Die Soldaten durchbohrten seine Hände und seine Füsse, um Ihn ans Holz zu nageln. Der Heiland litt auch unsäglichen Durst, denn Er klagte prophetisch: «Meine Zunge klebt an meinem Gaumen» (Ps 22,16).
- Von den ehrwürdigen Hohenpriestern bis zu den mitgekreuzigten Räubern verspotteten alle Jesus Christus. Sie beleidigten Ihn als Sohn Gottes und verhöhnten sein Gottvertrauen. Wie verletzte Ihn dieser Spott: «Der Hohn hat mein Herz gebrochen, und ich bin ganz elend» (Ps 69,21).
- In den drei Stunden der Finsternis trug der Heiland die göttliche Strafe für unsere Sünden und wurde von Gott zur Sünde gemacht. Was war es für Ihn, den Reinen und Sündlosen, mit dem Schmutz der Sünde konfrontiert zu werden! Wie litt Er, als Gott sich von Ihm abwandte, weil Er zu heilig ist, um Böses zu sehen! Wir können seine tiefe Not nur ein wenig erahnen. Sie kommt in seinem Wehschrei zum Ausdruck: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» (Mt 27,46).
Ehrfurchtsvoll stehen wir vor diesem Myrrhenberg still. Wir denken darüber nach, was der Herr Jesus empfunden hat, als Er sagte: «Satt ist meine Seele von Leiden» (Ps 88,4). Zugleich merken wir, wie wenig wir davon verstehen. Aber wir sehen die Liebe unseres Erlösers, die Ihn getrieben hat, für uns zu leiden und zu sterben. Wir blicken auf den Sohn Gottes, der «mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat» (Gal 2,20). Die furchtbaren Leiden konnten seine wunderbare Liebe nicht auslöschen (Hld 8,7).
- Niemand kann es nachempfinden,
nicht beschreiben noch ergründen
deine Leiden ohne Zahl.
Finsternis hat Dich umnachtet:
Gottes Sohn, Du hast geschmachtet
einsam dort am Kreuzespfahl. - Wer kann diese Liebe fassen,
dass Du dort, von Gott verlassen,
noch im Tod an mich gedacht!
Wer will nun verdammen, klagen?
Hier ist Christus, der getragen
meine Sünd – mich freigemacht!1
Der Weihrauchhügel
Weihrauch wird aus dem Harz bestimmter Baumarten gewonnen und verbreitet beim Verbrennen einen aromatischen Duft. Weihrauch war ein Bestandteil des Räucherwerks (2. Mo 30,34) und gehörte ebenfalls zu den Gaben, die die Weisen dem Kind Jesus brachten (Mt 2,11). Der Weihrauch spricht davon, dass der Herr Jesus zur Freude Gottes war. Er verbreitete einen Wohlgeruch, der zu Gott aufstieg. Der Vater fand sein ganzes Wohlgefallen an seinem geliebten Sohn, der als Mensch auf der Erde Ihn jederzeit ehrte und verherrlichte. Die Stätte Golgatha war ein Weihrauchhügel. Dort stieg aus den Leiden und dem Tod des Erlösers ein besonders duftender Wohlgeruch zu Gott auf (Eph 5,2).
- Der Sohn Gottes kam als Mensch in die Welt, um den Willen seines Vaters zu tun. Er war bereit, Ihm in allem zu gehorchen, wie hoch der Preis dafür auch sei. So ging Er als gehorsamer und treuer Knecht nach Golgatha, um dort das Erlösungswerk zu vollbringen. Am Kreuz zeigte sich, wie vollkommen Er seinem Gott und Vater gehorchte.
- Der Herr Jesus war von Herzen demütig. Nie suchte Er Ehre oder Anerkennung für sich. Stattdessen ehrte Er seinen Gott und half den Menschen. Welche Demut sehen wir, als Er seinen Jüngern die Füsse wusch! Doch am Kreuz erniedrigte Er sich bis zum Äussersten und nahm den letzten Platz ein.
- Jesus Christus lebte in einzigartiger Hingabe an Gott. Er widmete Ihm seine ganze Kraft und diente Ihm unermüdlich. Am Kreuz opferte Er sich selbst ohne Flecken seinem Gott (Heb 9,14). Er gab sein Leben in den Tod, um Gott zu verherrlichen und seine Hingabe an Ihn in vollem Mass zu zeigen.
Gott freute sich über den Gehorsam, die Demut und die Hingabe des Herrn Jesus am Kreuz! Er sah auch sein Gottvertrauen und sein Ausharren in den Leiden. Wie schätzte Er die Liebe seines Sohnes bis in den Tod! All diese wunderbaren Eigenschaften und noch viele mehr stiegen als Wohlgeruch zu Gott auf. Wir staunen, wie sehr der Herr Jesus in seinen Leiden am Kreuz zur Freude Gottes war. So wird Er grösser und herrlicher für unser Herz.
- Angenehm für Gott und teuer,
war dein Opfer, Jesus Christ,
dessen Duft im Leidensfeuer
lieblich aufgestiegen ist.
Oh, wie Du sein Herz erfreutest,
als Du Dich im Tod Ihm weihtest,
als dein Opfer vor Ihn kam,
das Er wohlgefällig nahm! - Herr, dein Kreuz, die schwerste Probe,
machte völlig offenbar,
einzigartig, Gott zum Lobe,
was in deinem Herzen war:
dein Entschluss, des Vaters Willen
bis zum Letzten zu erfüllen,
deine Liebe, Dich im Tod
ganz zu geben deinem Gott!2
Schluss
Der Blick ans Kreuz ruft immer wieder Dankbarkeit und Anbetung in uns hervor. Wir danken dem Herrn Jesus, dass Er an unserer Stelle gelitten hat und gestorben ist. Er hat die Strafe zu unserem Frieden getragen und uns zu Gott gebracht. Wir beten den Sohn Gottes an und staunen über die Herrlichkeiten, die sich in seinen Leiden und in seinem Tod offenbaren.
Der Blick ans Kreuz bewirkt auch, dass in unseren Herzen die Liebe zum Herrn Jesus zunimmt. Wir lieben unseren Heiland, der für uns gelitten hat, um uns zu erlösen. Wir lieben Ihn auch, weil Er Gott so hoch verherrlicht hat. Darum suchen wir seine Nähe und möchten Ihm gefallen. Am besten beweisen wir Ihm unsere Liebe, wenn wir Ihm von Herzen gehorchen (Joh 14,15.21).