In dieser Artikelserie möchten wir uns mit einigen biblischen Aspekten zum Thema Absonderung beschäftigen. Dabei ist uns bewusst, dass das Wort «absondern» in der Bibel nicht immer dasselbe meint. Das Wort Gottes zeigt uns falsche und richtige Absonderung:
- Verkehrt ist, sich abzusondern oder abzuspalten, um eine separate Gruppe zu bilden (Jud 19; Gal 2,12). Die Bibel verurteilt auch, wenn sich jemand absondert, um heimlich eigenen Wünschen nachzugehen (Spr 18,1).
- Bei einer gottgewollten Absonderung trennt sich der Gläubige vom Bösen und wendet sich Gott zu (z.B. 2. Kor 6,17; Apg 19,9; 2. Tim 2,21). Manchmal sondert Gott auch jemand für einen besonderen Zweck oder eine Aufgabe ab (3. Mo 20,24; Röm 1,1).
Wenn in diesen Texten das Wort «Absonderung» verwendet wird, geht es immer um die Trennung von dem, was im Widerspruch zu den in der Bibel offenbarten Gedanken Gottes steht.
Diese Artikel sind vor mehr als 100 Jahren geschrieben worden, sie sind aber immer noch aktuell, denn das Wort Gottes verändert sich nicht. Es fällt auf, dass wir im Neuen Testament einige Male zur Absonderung aufgefordert werden. Nach den einleitenden Bemerkungen schauen wir diese Stellen im Einzelnen an. Dabei wird etwas klar: Als gläubige Christen werden wir aufgerufen, uns nicht nur von der gottlosen Welt zu trennen, sondern auch innerhalb der verdorbenen Christenheit den Platz der Absonderung einzunehmen.
Trennung vom Bösen
Das Werk des Heiligen Geistes besteht nicht nur darin, Sünder vor dem ewigen Tod zu retten. Er wirkt auch, um die Erlösten für den Herrn Jesus abzusondern. Der zweite Aspekt seiner Tätigkeit tritt in unserer Zeit infolge des fortschreitenden Verfalls der bekennenden Christenheit besonders hervor. Je näher wir zum Ende und damit zum völlig ausgereiften Verderben kommen, desto mehr sucht der Heilige Geist die wahren Gläubigen von der grossen Masse der christlichen Bekenner, die kein Leben aus Gott haben, abzusondern. Aber auch der Feind ist unermüdlich tätig. Einerseits will er die Kraft des Evangeliums schwächen. Anderseits setzt er alles daran, die Notwendigkeit der Trennung von aller Art des Bösen zu leugnen. Wenn ihm das nicht gelingt, versucht er die Absonderung durch menschliche Einschränkungen und fleischliche Überlegungen auf ein geringeres Mass zu reduzieren, als Gott es will.
Die Notwendigkeit der Absonderung ist vielen gläubigen Christen bekannt. Manche von ihnen haben sich auch im Gehorsam zu Gottes Wort vom Bösen abgesondert. Aber es gilt nicht nur, diesen Platz getrennt vom Bösen einzunehmen, sondern auch auf diesem Platz treu zu verharren. Wenn wir in der gegenwärtigen Wahrheit befestigt sind, so haben wir doch immer wieder nötig, daran erinnert zu werden. Zwei ernste Gefahren drohen denen, die in dieser Hinsicht dem offenbarten Willen Gottes folgen möchten.
Die erste Gefahr besteht darin, in eine parteiische Gesinnung zu geraten und sich in einem sektiererischen Geist von anderen Gläubigen fernzuhalten.
Die andere Gefahr liegt darin, dass in der letzten schweren Zeit viele Kinder Gottes der Erkenntnis und der Verwirklichung der Wahrheit deutlich näher gerückt sind, ohne den Platz der Absonderung völlig einzunehmen. Die Liebe zu ihnen und der Wunsch, das Gute anzuerkennen, das Gott gewirkt hat, erweckten die Neigung, ihnen auf halbem Weg entgegenzukommen und so die gottgewollten Schranken allmählich zu erweitern. Dann werden die Grenzpfähle der göttlichen Wahrheit weiter gesteckt und der schmale Weg breiter gemacht.
Diese Gefahren veranlassen uns, das Thema der Absonderung nochmals anhand des Wortes Gottes zu beleuchten.
Gottesfurcht
«Die Furcht des HERRN ist der Weisheit Anfang; und die Erkenntnis des Heiligen ist Verstand» (Spr 9,10).
«Die Furcht des HERRN ist: das Böse hassen» (Spr 8,13).
«Siehe, die Furcht des Herrn ist Weisheit, und vom Bösen weichen ist Verstand» (Hiob 28,28).
Die Furcht des HERRN oder Gottesfurcht ist die Grundlage für jedes echte Christenleben. Wo dieser Respekt vor Gott im Herzen wirkt, wird die Erkenntnis des Heiligen zunehmen und das Böse in jeder Form erkannt werden. «Wer ist nun der Mann, der den HERRN fürchtet? Er wird ihn unterweisen in dem Weg, den er wählen soll» (Ps 25,12).
Wenn die Gottesfurcht noch nicht in unserem Herzen Platz gefunden hat, dann wollen wir ihr Raum geben. Dabei lernen wir, das Böse mit dem Massstab der göttlichen Heiligkeit zu messen, anstatt es mit dem menschlichen Verstand zu bewerten. Das ist besser, denn das eigene Urteil ist begrenzt und durch die Sünde verblendet. Wir werden auch erkennen, dass das Böse nach Gottes Gedanken alles umfasst, was nicht mit seinen Mitteilungen in der Bibel übereinstimmt, wie sie durch den Heiligen Geist verstanden werden. Da handelt es sich nicht nur um das moralisch Böse, sondern auch um das Verkehrte in religiöser Hinsicht, das seine Quelle in frommen Gefühlen oder im Eigenwillen des Menschen hat.
Das Böse in religiöser Hinsicht
Es gibt viele Kinder Gottes, die das religiös Böse weitgehend dulden. Nicht so das Wort Gottes. Es verurteilt das moralisch Böse mit allem Ernst, wie wir es zum Beispiel im ersten Korinther-Brief finden. Doch es führt gegen das Böse in religiöser Hinsicht, wie es in den Versammlungen von Galatien zum Vorschein kam, eine noch ernstere Sprache. Ja, es kommt bei der Behandlung dieses Verkehrten eine tiefergehende Besorgnis zum Ausdruck.
Warum wohl? Weil die Auswirkungen des religiös Bösen viel schlimmer und weitreichender sind als die Wirksamkeit des moralisch Bösen. Das moralisch Böse verdirbt den Einzelnen und verunreinigt vielleicht auch die nächste Umgebung. Aber das religiös Böse weicht von der göttlichen Grundwahrheit ab und zerstört damit die Grundlagen des Christentums.
Nicht den Korinthern, sondern den Galatern musste Paulus zurufen: «Ihr seid abgetrennt von Christus, so viele ihr im Gesetz gerechtfertigt werden wollt; ihr seid aus der Gnade gefallen» (Gal 5,4). Worin bestand denn ihre grosse Sünde? Sie vermengten die «Elemente der Welt» mit der christlichen Wahrheit, was heute noch viele tun. Sie wollten das Gesetz mit der Gnade vermischen. Sie hielten die «Lehre des Christus» nicht von jeder Beimischung rein.
Wir besitzen das vollendete Wort Gottes (Kol 1,25). So können wir durch den Heiligen Geist die Lehre des Christus völlig erfassen. Wir sind auch in der Lage, den Weg klar zu erkennen, den wir gehen sollen. Wir brauchen nicht mehr als Unmündige dazustehen, die von jedem Wind der Lehre hin und her geworfen und umhergetrieben werden. Nein, wir sind berufen und befähigt, die Wahrheit in Liebe festzuhalten und in allem heranzuwachsen zu Ihm hin, der das Haupt ist, der Christus (Eph 4,14.15).
Betrachten wir nur die Zerrissenheit in der heutigen Christenheit! Hat sie ihre Ursache im moralisch Bösen oder im religiös Bösen? Zweifellos liegt der Hauptgrund für diese Zersplitterung im religiös Bösen. Der Apostel Paulus schreibt an die Kolosser: «Gebt acht, dass nicht jemand da sei, der euch als Beute wegführt durch die Philosophie und durch eitlen Betrug, nach der Überlieferung der Menschen, nach den Elementen der Welt, und nicht nach Christus» (Kol 2,8).
Die Christen haben nicht auf diese Aufforderung geachtet. Deshalb hören wir den Apostel bei seinem Abschied von den Ephesern vorausahnend sagen: «Aus euch selbst werden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen hinter sich her» (Apg 20,30). Zugleich befahl er sie Gott und dem Wort seiner Gnade an. Leider hat man in der Christenheit dieses Wort aus den Augen verloren und menschlichen Meinungen Raum gegeben. Das traurige Ergebnis davon ist heute sichtbar. Die Bibel nennt es «Babylon», das heisst «Verwirrung».
Was ist Gottes Sicht?
Die traurige Situation im christlichen Zeugnis hindert den aufrichtigen Gläubigen nicht daran, das Böse so zu beurteilen, wie Gott es sieht. Ausserdem kann er trotz allem den Platz kennen lernen, den der Herr den Seinen mitten in diesem Verfall anweist. Auch wenn der Unverstand und die Untreue des Menschen die wahre Darstellung des Christentums erschüttert haben, so bleiben doch die Grundlagen bestehen: «Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit» (Heb 13,8). Und: «Das Wort des Herrn aber bleibt in Ewigkeit» (1. Pet 1,25).
Leider gibt es Kinder Gottes, die diesen Zustand der Zersplitterung und Verwirrung als «von Gott gewollt» hinstellen. Könnte Gott wirklich etwas gutheissen, was Er in seinem Wort mit allem Ernst als «fleischlich» bezeichnet? (1. Kor 1; 3). Würde Er sich dadurch nicht selbst zum Lügner machen? Wir müssen wohl annehmen, dass bei allen, die so reden, ein grosser Mangel an Gottesfurcht vorhanden ist. Wir wollen uns aber an Christen freuen, die aufrichtig mit dem Psalmdichter sagen: «Dein Knecht bin ich; gib mir Einsicht, so werde ich deine Zeugnisse erkennen. Es ist Zeit für den HERRN, zu handeln: Sie haben dein Gesetz gebrochen. Darum liebe ich deine Gebote mehr als Gold und gediegenes Gold; darum halte ich alle deine Vorschriften in allem für recht; jeden Lügenpfad hasse ich» (Ps 119,125-128). Solche Christen verlangen ernsthaft danach, Gottes Gedanken zu erfahren. Sie sind auch bereit, ihnen kompromisslos zu folgen.
Es ist unsere Bitte zum Herrn, dass diese Ausführungen vielen Lesern als Wegweiser zur Wahrheit oder zur Befestigung in der Wahrheit dienen.