«Die, die Gott geglaubt haben, sollen Sorge tragen, gute Werke zu betreiben» (Titus 3,8).
Ein verhängnisvoller Irrtum
In weiten Teilen der Christenheit wird gelehrt, der Mensch müsse durch seine Werke mitwirken, um von Gott die Rechtfertigung zu erlangen. Die Werke des Christen seien notwendig, um ihn vor Gott immer gerechter (!) zu machen. Gute Werke seien das Mittel, um sich die ewige Errettung zu verdienen. Das Werk Jesu am Kreuz habe den Menschen die Möglichkeit dazu gegeben.
Dieser verhängnisvolle Irrtum hat sich in viele Menschenherzen eingenistet. Er findet dort einen vorzüglichen Nährboden in der darin vorhandenen Neigung zur Selbstgerechtigkeit. «Ich habe also die Möglichkeit, durch gute Werke besser und heiliger zu werden». So denken viele.
Es ist ihnen verborgen:
- dass der Mensch zuerst «Teilhaber der göttlichen Natur» werden muss, bevor er Werke tun kann, die vor Gott bestehen
- dass der Mensch, der «nicht wirkt», aber an Jesus Christus glaubt, allein durch diesen Glauben von der Stellung eines Sünders in die Stellung eines in Christus vollkommenen Gerechten vor Gott gelangt
- dass wahres Wachstum darin besteht, die uns von Gott in Christus geschenkten wunderbaren Heilstatsachen besser zu erkennen und durch die Gnade besser zu verwirklichen
- dass der Mensch, die sündige Natur, das «Fleisch» nie und nimmer verbessert oder heilig werden kann. Wie gross ist die Zahl derer, die durch echte innere Beunruhigung über das Heil ihrer Seele in diese Werkgerechtigkeit, in eine rastlose Tätigkeit hineingetrieben werden. Sie halten sich in Zucht, sie üben sich in Werken der Nächstenliebe, opfern sich auf in der Pflege von Kranken und geben ihre Habe den Armen hin. Sie beschämen uns manchmal in ihrem Eifer
Auf der Ruhebank
Ihnen gegenüber sind Christen, die besser belehrt sind. Sie wissen aus dem Wort Gottes, dass das Evangelium den Menschen «tot in Vergehungen und Sünden» vorgefunden hat (Eph 2,1 und 5), als solche, die unfähig sind zum Guten. Sie wissen, dass sie nicht aus Werken, die sie selber in Gerechtigkeit vollbracht hatten, errettet worden sind (Tit 3,5), sondern nur «durch Gnade, mittels des Glaubens». Sie sind sich ihrer vollkommenen Stellung in Christus bewusst und ruhen auf dem vollgültigen Werk Jesu Christi selbst.
Für sie ist damit ein mächtiger Beweggrund zur Ausübung guter Werke dahingefallen.
Manche unter ihnen setzen sich daher auf die Ruhebank und richten ihr Augenmerk und ihren Fleiss nur wenig auf eine Tätigkeit, die über die eigenen, persönlichen Interessen hinausgeht.
Was sind denn eigentlich «gute Werke»?
Durch Tätigkeit oder Arbeit kommt ein Werk zustande. Die Schrift spricht von «toten Werken», von «unfruchtbaren Werken der Finsternis», von «Werken des Fleisches», von «bösen Werken» und dann auch von «guten Werken», je nachdem, ob es sich um die Frucht einer Tätigkeit des «Fleisches» oder einer Tätigkeit «im Geist» handelt (vgl. Gal 5,16-26). Gute Werke sind vornehmlich solche, die zur Ehre Gottes, zur Verherrlichung des Herrn, zum Wohl der Kinder Gottes oder zum Nutzen der Menschen überhaupt getan werden (vgl. 1. Kor 10,31; Mt 26,10; Apg 9,36.39; Tit 3,2.9.14).
Und zu solchen Werken sollten Gläubige keine Beweggründe haben?
O gewiss, jetzt erst recht! Nun treiben uns die rechten Beweggründe an!
- Wir sind Gottes Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken (Eph 2,10).
- «Unser grosser Gott und Heiland Jesus Christus hat sich selbst für uns gegeben … und sich selbst ein Eigentumsvolk reinigte, eifrig in guten Werken» (Tit 2,14). In diesem Brief, wie auch in den Briefen an Timotheus, ist besonders viel von «guten Werken» im rechten Sinn die Rede.
- Nach den Belehrungen des Jakobus-Briefes muss sich der lebendige, rettende Glaube durch Werke kundtun: «Was nützt es, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, hat aber keine Werke?» – «Der Glaube, wenn er keine Werke hat, ist an sich selbst tot.»
- Im 1. Johannes-Brief werden wir ferner belehrt dass das ewige Leben, das bei dem Vater war, in der Person seines Sohnes zu uns gekommen ist. Durch den Glauben besitzen wir dieses «Leben aus Gott». Dieses Leben ist Bewegung und muss sich in Regungen und Werken äussern, die dem Wesen Gottes entsprechen.
- Gott hat uns einen Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit gegeben (2. Tim 1,7).
Kann da einer noch lässig auf seiner Ruhebank sitzen bleiben? Darf da jemand noch die Hände in den Schoss legen, wenn es um «gute Werke» geht? Da muss im Herzen etwas nicht stimmen. Ist es wohl «verhärtet worden durch Betrug der Sünde»?
Für einen Gläubigen, der in Gemeinschaft mit Gott lebt, gibt es keinen mächtigeren Lebensimpuls als den, zur Ehre des Gottes zu leben, dem er alle Glückseligkeit verdankt. Die Werke gelten nun nicht mehr dem eigenen Heil oder der eigenen Ehre, sondern Ihm und seinen Interessen.
Ein junger gläubiger Mann hatte eine grosse Enttäuschung erlebt, und es ergriff ihn eine tiefe Niedergeschlagenheit. Sein ganzes Leben kam ihm jetzt so sinnlos vor. Nachdem er einige Tage in diesem Zustand dahingelebt hatte, durchfuhr ihn wie ein lebendiger Strom der Gedanke: «Du darfst ja für Gott wirken!» Wie hat das seinen Mut und Eifer angefacht und wie ist ihm da seines Lebens Sinn so recht bewusst geworden!
Welche Werke soll ich denn tun?
Das ist die nächste wichtige Frage, eine Frage, die nur der Herr beantworten kann. Lasst uns denn in steter Abhängigkeit von Ihm immer wieder fragen: «Was soll ich tun, Herr?» (Apg 22,10).
Wir wollen uns aber dabei folgende Punkte merken:
1. Mein tägliches Leben
Ich bin gerufen, mein ganzes tägliches Leben, die Arbeit in meinem irdischen Beruf, ja, selbst so kleine Dinge wie «essen und trinken», von Herzen zu tun, als dem Herrn und nicht den Menschen (Kol 3,23). Der Herr, «der im Verborgenen sieht», wird sorgfältig darauf achten und dadurch verherrlicht werden.
Ein Bauernknecht bürstete immer und immer wieder sein Pferd. Ein Vorübergehender fragte: «Ist's noch immer nicht genug? Das glänzt ja bald wie ein Spiegel!» – «Ich möchte es eben für meinen Heiland tun!» war die Antwort. – Glaubst du nicht, dass dieses bescheidene Werk eine Freude war für das Herz des Herrn, im Gegensatz zu den «unfruchtbaren Werken», die von den Menschen oft so sehr bestaunt werden?
2. Zubereitete Werke
Aus der weiter oben angeführten Stelle in Epheser 2,10 geht auch hervor, dass Gott die guten Werke, in denen wir wandeln sollen, zuvor bereitet hat. Wir tun gut, darauf zu achten. Andere Werke tun, wäre Unabhängigkeit und Eigenwille, also ein böses Werk.
So hat Gott verschiedene seiner Knechte schon «von Mutterleib an» für einen besonderen Dienst abgesondert und zubereitet:
- Simson (Richter 13)
- Jesaja (49,1)
- Jeremia (1,5)
- Johannes der Täufer (Lk 1,15)
- Paulus (Gal 1,15)
Auch ein Josef, ein Mose, ein David und viele andere sind ganz deutlich von Anfang an für eine besondere Aufgabe herangebildet worden. Wenn wir auch nicht zu diesen ausgezeichneten Dienern Gottes zählen, so können doch auch manche Arbeiter im Werk des Herrn – und ist ihre Aufgabe noch so bescheiden – deutlich die Spuren der Zubereitung Gottes in ihrem Leben erkennen.
3. Zubereitete Gelegenheiten
Es gibt aber auch einzelne «Gelegenheiten», die Gott zuvor bereitet. Denken wir nur an Joseph von Arimathia, den «Reichen», der eine in Felsen gehauene Gruft besass. Als er, der verborgene Jünger des Herrn, Jesus am Kreuz sterben sah, ging er kühn zu Pilatus hinein, bat um den Leib Jesu und legte ihn in die Felsengruft. Die Liebe zum Herrn war der starke Beweggrund zu dieser Tat. Warum aber legte er Ihn in seine Gruft? «Wegen des Rüsttages der Juden, weil die Gruft nahe war». Weil sie als gottesfürchtige Juden dem Gebot gehorchten, wurden er und sein Begleiter so geführt. Wie mag er gestaunt haben, als er in der Schrift die längst zuvor gesprochenen Worte fand: «Aber bei einem Reichen ist er gewesen in seinem Tod» (Jes 53,9)!
So lasst auch uns in steter Wachsamkeit die Augen offen halten für die zubereiteten Werke. Oft kann schon eine von Ihm gegebene und durch uns ergriffene Gelegenheit unserem ferneren Pfad die Richtung geben!
4. Vorbereitung auf «gute Werke»
Junge Geschwister tun gut, sich zu merken, dass die Jugend eine Vorbereitungszeit ist für einen späteren Dienst im Verborgenen oder auch in der Öffentlichkeit. Die beste Vorbereitung hierfür ist das sorgfältige Studium des Wortes Gottes in Abhängigkeit und unter Gebet: «Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig geschickt» (2. Tim 3,16.17).
Wie mancher hat später auch bedauert, dass ihm mangelnde Sprachkenntnisse ein Hindernis waren im Dienst. «Hätte ich doch früher meine Zeit auch hierin besser ausgenützt!», hat schon mancher geseufzt.
5. Gebete
Der Apostel schreibt an Timotheus: «Ich ermahne nun vor allen Dingen, dass Flehen, Gebete, Fürbitten, Danksagungen getan werden für alle Menschen» (1. Tim 2,1). Was kommt bei uns vor allen Dingen? Vor aller anderen Tätigkeit, vor allen anderen Werken? Sind es Gebete?
Sie sind der Massstab unserer Abhängigkeit von Gott. Gebete sind überaus nützliche Werke des Glaubens und ziehen andere Werke nach sich. Sie bringen unser Leben in Gottes Gegenwart, bewirken, dass der Segen Gottes darauf fällt und zu vielen Menschen gelangt. Lasst uns daher dem Gebet viel Zeit einräumen!
6. Interesse für die Menschen
Alle Menschen sollen Gegenstände unseres Flehens, unserer Fürbitten sein. «Denn dies ist gut und angenehm vor unserem Heiland-Gott, der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen» (1. Tim 2,3.4). Welch weites Feld der Tätigkeit öffnet sich da vor unseren Blicken: Wenn wir dieser Ermahnung nachleben, wird sich unser Interesse für die Menschen vertiefen, anfangend von unseren Nächsten bis hin zu den Menschen in fernen Ländern, von denen wir in den Missionsberichten lesen. Werden wir dann nicht auch gerne von den Möglichkeiten zur Verbreitung des Evangeliums und der Wahrheit Gebrauch machen und Traktate und Schriften verteilen helfen?
Ja, lasst uns, alle die wir «Gott geglaubt haben, Sorge tragen, gute Werke zu betreiben!»