Der Winter kommt

Hohelied 2,10-11; Jeremia 36,22; Johannes 10,22; 2. Timotheus 4,21

Auf der nördlichen Halbkugel der Erde ist der Herbst eine schöne, gemütliche Jahreszeit. Die Bäume färben sich gelb, orange und rot. Aber irgendwann fallen die Blätter ab. Die Bäume werden kahl, der Boden gefriert – alles wird grau und scheint tot zu sein. Der Herbst, so schön er auch sein mag, gibt uns sichere Anzeichen dafür, dass der Winter naht.

Der Winter weist in der Bibel im übertragenen Sinn oft auf eine Zeit hin, in der das Volk Gottes von seinem Wort abweicht, keine Frucht für Ihn bringt und sich sogar von Ihm lossagt.

Die Bibel ablehnen

«Der König aber sass im Winterhaus, im neunten Monat, und das Kohlenbecken war vor ihm angezündet» (Jer 36,22).

Der Prophet Jeremia hatte das Volk treu vor dem kommenden Gericht gewarnt: Die Babylonier würden kommen und die Stadt Jerusalem erobern! Nun sollten die Menschen im Südreich Buße tun und sich dem Willen Gottes unterwerfen. Doch sie hörten nicht auf ihn – allen voran die Elite in Jerusalem.

Als dem König Jojakim die Worte des HERRN vorgelesen wurden, zeigte er deutlich, wie er sie verachtete. Er zerschnitt die Schriftrolle, die Jeremias Prophezeiungen enthielt, nach und nach mit einem Schreibermesser und warf die Stücke ins Feuer (Jer 36,23-25).

Es ist bezeichnend, dass sich dieser Vorfall im Winterhaus ereignete. Was für eine Dummheit zu glauben, dass Gottes Wort auf diese Weise zerstört werden könnte! Der HERR teilte Jeremia die Prophezeiung noch einmal mit: «Nimm dir wieder eine andere Rolle und schreibe darauf alle vorigen Worte» (Jer 36,28).

Die Heilige Schrift kann weder zerstört noch vernichtet werden. Was Gott gesagt hat, wird sicher eintreffen. Sein Wort kann nicht vergehen, sondern besteht in Ewigkeit (Mt 24,35; Jes 40,8). Nach 2600 Jahren halten wir das Buch Jeremia immer noch in unseren Händen! Wo aber ist Jojakim?

Diese böse Tat Jojakims war umso ernster, als dem König auf dem Thron Israels im Gesetz befohlen wurde, eine Abschrift des Gesetzes in ein Buch zu schreiben, um dann darin zu lesen und die Gebote Gottes zu befolgen (5. Mo 17,18-20).

Was der König damals tat, weist auf das hin, was wir bereits erleben, was aber noch zunehmen wird: Viele, die es eigentlich besser wissen sollten, lehnen das Wort Gottes entschieden ab. Doch gerade bei diesen «winterlichen» Bedingungen ist die Bibel für jeden Gläubigen, der Gott treu sein möchte, eine unersetzliche Hilfe (2. Tim 3,13-17).

Sich vom Glauben abwenden

«Befleissige dich, vor dem Winter zu kommen» (2. Tim 4,21).

Der Apostel Paulus schrieb seinen zweiten Brief an Timotheus im Herbst des Jahres 66 oder 67 n.Chr. Er wusste, dass er bald als Märtyrer sterben würde. So bat er Timotheus, zu ihm zu kommen und ihm den Mantel, den er in Troas bei Karpus zurückgelassen hatte, zusammen mit den Büchern und Pergamenten mitzubringen (2. Tim 4,13). Der Winter stand vor der Tür und offenbar war es in der Gefängniszelle kalt. Paulus brauchte wärmere Kleider, während er weiter studieren und schreiben wollte.

Paulus weist in diesem Brief darauf hin, dass es am Ende der christlichen Zeit eine allgemeine Abkehr vom Glauben geben wird (2. Tim 3,1-9). Nach der Entrückung wird diese negative Entwicklung im totalen Abfall von Gott enden (2. Thes 2,3-12). Er spricht also von «winterlichen» Bedingungen in der Christenheit, «denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden» (2. Tim 4,3). Am Ende des Briefs legt er seinem treuen Mitarbeiter Timotheus ans Herz, sich zu befleissigen, «vor dem Winter zu kommen».

Wer geistliche Einsicht hat, erkennt, dass die Zeit, die im zweiten Timotheus-Brief angekündigt wird, heute schon da ist. Es herrschen bereits «winterliche» Bedingungen. Was können wir vor diesem Hintergrund vom Apostel für unseren Weg lernen? Es gibt einige wichtige Punkte, die Paulus uns vor Augen stellt:

  1. Die Wahrheit über die Auferstehung des Herrn: «Halte im Gedächtnis Jesus Christus, auferweckt aus den Toten» (2. Tim 2,8). Wenn wir den niedrigen geistlichen Zustand im Volk Gottes sehen, können wir uns fragen: Was nützt es, wenn wir mit unserer Arbeit für den Herrn fortfahren? Denken wir daran: Unsere Mühe ist nicht vergeblich im Herrn, denn Er ist auferstanden (1. Kor 15,58).
  2. Die Absonderung vom Bösen im grossen Haus: «Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit!» (2. Tim 2,19-22). Die evangelikale Christenheit ist eine gesellschaftliche Bewegung geworden, die in die Welt verstrickt ist. Dennoch können wir immer noch solche finden, die den Herrn aus reinem Herzen anrufen.
  3. Die Aufforderung: «Predige das Wort!» (2. Tim 4,2). Es ist nötig, dass wir die Wahrheit Gottes bekannt machen. Lasst uns das Wort ohne Furcht oder Gunst verkündigen, wie es der Prophet Hesekiel zu seiner Zeit tat – «mögen sie hören oder es lassen» (Hes 2,5).

Das Wort Gottes ist die Hilfsquelle für sein Volk, wenn es «Winter» geworden ist (2. Tim 3,14-17).

Jesus Christus ablehnen

«Es war aber das Fest der Tempelweihe in Jerusalem; und es war Winter» (Joh 10,22).

Das Fest der Tempelweihe ist auch als Lichterfest oder Chanukka bekannt. Dieser traditionelle jüdische Feiertag findet im Dezember statt und stammt aus der Zeit der griechischen Herrschaft in Judäa. Die Tempelweihe gehört nicht zu den Festen des HERRN, die Er in 3. Mose 23 angeordnet hat. Der Herr Jesus besuchte Jerusalem während dieses Festes und hielt sich in der Säulenhalle Salomos auf.

Im Johannes-Evangelium finden wir im Volk der Juden eine stark ablehnende Haltung gegenüber Jesus Christus. Immer wieder versuchten die religiösen Führer Ihn zu töten. In unserer Begebenheit umringten sie Ihn und fragten Ihn: «Bis wann hältst du unsere Seele hin? Wenn du der Christus bist, so sage es uns frei heraus.» Da berief sich der Herr auf seine Worte und seine Werke, die Ihn als Sohn Gottes bestätigten. Nun hoben die Juden Steine auf, um Ihn zu steinigen. Obwohl Er viele Zeichen getan hatte, glaubten sie nicht an Ihn.

Es ist bemerkenswert, dass sich dies im Winter abspielte, als Jesus in der Säulenhalle Salomos umherging. Für das Volk Israel waren «winterliche Bedingungen» entstanden. Wie feierlich ernst ist der Gedanke, dass der Heiland weggehen und sich vor ihnen verbergen musste (Joh 12,36).

Die Zustände des Unglaubens, die wir hier bei den Juden sehen, sind auch in unserer Zeit zu finden. Es gibt Menschen, die sich öffentlich gegen Gott, gegen Jesus Christus und gegen den christlichen Glauben stellen. Muss uns das überraschen? Nein! Die Menschen wenden niemals so viel Energie auf, um Sagen oder Fabeln zu widerlegen. Aber wenn es um die Wahrheit geht, offenbart sich ein starker Widerstand. Ein Bibelausleger hat mit Recht gesagt: Die Menschen widerstehen, weil es die Wahrheit ist. Wäre nicht ihr Gewissen getroffen worden, würden sie nicht so viel Mühe aufwenden, um die Wahrheit möglichst zu beseitigen oder ihr zu widersprechen.

Was Christus den Juden sagte, gilt auch uns: «Die Schrift kann nicht aufgelöst werden» (Joh 10,35). Das Wort des Christus ist ein stabiler Fels, auf dem wir bei «winterlichen» Bedingungen sicher stehen können (Kol 3,16).

Es bleibt nicht immer Winter – Christus kommt

«Mach dich auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm! Denn siehe, der Winter ist vorbei» (Hld 2,10.11).

Das Schöne am Winter ist, dass er nicht für immer bleibt. In Hohelied 2 hören wir die Stimme des Bräutigams: «Mach dich auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm!» Der Winter wird beim Wiederkommen des Herrn Jesus zu Ende sein. Zuerst wird Er kommen, um die Versammlung in den Himmel zu entrücken. Danach wird die Drangsalszeit anbrechen, durch die der Überrest aus Israel gehen wird. Um diese Gläubigen zu befreien, wird Christus in grosser Macht und Herrlichkeit erscheinen.

Danach wird die herrliche tausendjährige Herrschaft des Herrn Jesus beginnen. Es sind die «Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge» (Apg 3,21). Das wird wunderbar sein: «Die Blumen erscheinen im Land, die Zeit des Gesangs ist gekommen» (Hld 2,12). Was für eine herrliche, neue Erfahrung für unsere traurige, alte Erde! Wir lesen weiter: «Der Feigenbaum rötet seine Feigen, und die Weinstöcke sind in der Blüte, geben Duft» (Hld 2,13). Das ist ein wunderschönes Bild für die Erneuerung des Volkes Israel. Diese Wiederherstellung wird zu einer tausendjährigen Freude führen, die die ganze Erde erfüllen wird.

Die Weinstöcke ruhen natürlich im Winter. Aber im Frühjahr beginnen sie Knospen zu treiben, um Früchte zu tragen. Nach rauen Bedingungen reifen süsse Früchte heran. Die grünen Feigen sind Winterfeigen. Sie überleben den Winter und sind im Frühjahr reif und süss. Es gibt auch Trauben, die im Winter geerntet werden. Aus ihnen entsteht ein süsser Eiswein.

Der Winter kann mit seiner Kälte, seiner Kargheit, dem grauen Himmel und den eisigen Winden sehr hart sein. Das ist nicht nur in der prophetischen Sicht so, das erfahren wir auch in unserem persönlichen Leben. Wir können durch Prüfungszeiten gehen, wo alles dunkel erscheint und kein Ende in Sicht ist. Auch geistliche Leere und Herzenskälte können uns zuweilen heimsuchen. Aber als Ergebnis der Erprobung werden süsse Früchte heranreifen. Fasst Mut, der Winter wird nicht ewig dauern: Der Herr selbst wird kommen! Dann wird die Zeit des Singens anbrechen.