Die Gnade Gottes ist erschienen, Heil bringend für alle Menschen, und unterweist uns, damit wir, die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnend, besonnen und gerecht und gottselig leben in dem jetzigen Zeitlauf (Titus 2,11.12).
Einleitung
Die Gnade lehrt nicht solche, die tot sind. Ihnen gibt sie Leben. Die Gnade unterweist nicht solche, die schuldig sind. Sie reinigt sie. Die Gnade lehrt nicht solche, die verurteilt sind. Diese rechtfertigt sie. Die Gnade macht lebendig, reinigt und rechtfertigt, damit der Glaubende ihr Schüler wird. Die Gnade bringt dem verlorenen Sünder zuallererst die Errettung. Wenn er sie annimmt, unterweist sie ihn, die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden zu verleugnen und besonnen, gerecht und im jetzigen Zeitlauf gottselig zu leben.
Es ist wichtig, dass wir uns darüber im Klaren sind. Wenn sich der Mensch noch in einem unerlösten Zustand befindet, soll er verstehen, dass ihm die Gnade Gottes die Errettung als ein gegenwärtiges Geschenk bringt. Solange er diese freie Gabe nicht im Glauben angenommen hat, ist er völlig unfähig, die Unterweisungen der Gnade zu verstehen oder aufzunehmen. Wenn die Gnade sein Lehrer sein soll, muss er gerettet werden, um ein Schüler zu sein. Diese einfache Tatsache gibt jeder Gesetzlichkeit, jeder menschlichen Gerechtigkeit, jedem Anspruch des natürlichen Menschen den Todesstoss. Nur die, die das Heil angenommen haben, können die Lektionen verstehen, die die Gnade Gottes erteilt. Daraus ergibt sich eine klare Schlussfolgerung: «Nicht uns, HERR, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre!» (Ps 115,1).
Das Gesetz sagt uns, wie wir leben sollen. Aber es unterweist uns nicht darin. Es gibt uns weder die richtigen Lektionen noch die Fähigkeit, sie umzusetzen. Es bringt uns nicht die Errettung. Das Gesetz hat nie einen erlösten Schüler, denn es kann den Verlorenen nicht retten. Stattdessen verurteilt es die Menschen und zeigt ihnen, dass sie verloren sind. Lasst uns in aller Stille zu den Füssen des Herrn sitzen und seine heiligen Lehren ins Herz aufnehmen.
Die Anweisungen der Gnade gliedern sich in drei verschiedene Bereiche. Sie werden durch folgende Worte beschrieben: besonnen, gerecht, gottselig.
Besonnen leben
Besonnenheit bezieht sich auf das eigene Herz. Es geht um eine innere Selbstkontrolle – ein sehr umfassender Ausdruck. Die Gnade, die mich gerettet hat, unterweist mich, eine heilige Kontrolle über mich selbst zu haben. Ich soll meine Gedanken, meine Zunge, mein Temperament beherrschen – nicht um gerettet zu werden, sondern weil ich gerettet bin. Derjenige, der mich diese Herrschaft über mich selbst lehrt, hat mich gerettet, bevor Er mit seiner Unterweisung begonnen hat. Als erlöster Mensch unterwerfe ich mein ganzes inneres Wesen der heilsamen Kontrolle meines himmlischen Lehrers.
Das Gesetz kann mich nicht lehren, meine Natur zu beherrschen. Es verurteilt mich, wirft mich über Bord und lässt mich dort im Stich. Die Gnade hingegen geht mir nach und errettet mich. Sie gibt mir eine neue Natur und versiegelt mich mit dem Heiligen Geist, damit ich mich in der Selbstbeherrschung üben kann.
Dadurch bin ich nicht nur in der Lage, einige Zweige des Ichs zu unterdrücken, während der Hauptstamm gänzlich unangetastet bleibt. Nein, die Heil bringende Gnade Gottes gibt mir den Sieg über mich selbst in der ganzen Länge und Breite dieses umfassenden Begriffs.
Der vollständige Sieg über alles Böse, das in mir wohnt, ist ein ebenso wichtiger Teil der Erlösung wie die Rettung vor der Hölle. Bedauerlicherweise versäumen wir es, von diesem Sieg für unser Leben Gebrauch zu machen. Durch geistliche Gleichgültigkeit und mangelnden Glauben gelingt es uns nicht, das volle Heil, das uns die Gnade gebracht hat, auch praktisch zu besitzen. Aber das ändert in keiner Weise etwas an der Wahrheit dieser Tatsache. Wenn ich ein geretteter Mensch bin, soll ich in jeder Hinsicht wie ein solcher leben.
Gerecht leben
Die zweite grosse Lektion, die mich die Gnade für mein praktisches Leben lehrt, ist ein gerechtes Verhalten. Ich werde jetzt nicht nur im inneren Kreis meiner eigenen Person gesehen, sondern mitten in den Umständen und Beziehungen des Lebens. In diesem äusseren Bereich bin ich berufen, mich Tag für Tag aufzuhalten und zu bewegen. Mein göttlicher Lehrer unterweist mich nicht nur, mich selbst zu beherrschen, sondern auch in allen Beziehungen zu meinen Mitmenschen gerecht zu sein.
Auch hier soll ich daran denken, dass mein Lehrer die Gnade ist, die mich gerettet hat. Das darf ich nie vergessen. Nehmen wir an, philosophische Gedanken oder eine starke Willenskraft würden mich veranlassen, eine innere Selbstkontrolle auszuüben. Auf diese Art könnten mich die Grundsätze einer hohen Moral dazu bringen, in allen meinen Beziehungen zu den Mitmenschen einen makellosen Ruf aufrechtzuerhalten. Aber all das würde mich in meinem verlorenen Zustand lassen. Die Philosophie kann mich nicht retten und deshalb auch nicht unterweisen. Auch die Moral kann mich nicht retten. Darum ist sie auch nicht in der Lage, mich zu lehren.
Nur die Gnade Gottes kann mich erlösen und richtig unterweisen. Wenn jemand bekennt, gerettet zu sein, jedoch ständig eine schlechte Laune hat, sich einer Leidenschaft hingibt oder von einer Gewohnheit versklavt wird, dann hat er die erste grosse Lektion seines göttlichen Lehrers noch nicht gelernt. Und wenn einer bekennt, gerettet zu sein, aber seine Angelegenheiten nicht mit Umsicht regelt, sondern in Schulden gerät und verschwenderisch lebt, dann hat er die zweite grosse Lektion seines göttlichen Lehrers noch nicht gelernt. Lasst uns die beiden Lektionen der inneren Selbstbeherrschung und der praktischen Gerechtigkeit beherzigen.
Gottselig leben
Es gibt eine dritte Lektion, die die Gnade ihren geretteten Schülern erteilt. Sie unterweist sie, gottselig zu leben. Mit Gottseligkeit ist wahre Frömmigkeit oder Gottesfurcht gemeint. Das bezieht sich auf unsere Beziehungen zur oberen Welt, d.h. zum Himmel.
In den am Anfang zitierten Worten des inspirierten Apostels liegt grosse Kraft, Schönheit und Vollständigkeit. Sie stellen uns drei grosse Bereiche vor, in denen wir zu handeln berufen sind: die innere Welt, die äussere Welt und die obere Welt. Wenn wir sie alle zusammen betrachten, erkennen wir ihre göttliche Schönheit. Da wird wirklich nichts ausgelassen. Alles, was wir lernen können, wird in der Schule der Gnade gelehrt.
Lasst uns Folgendes bedenken: Der sicherste Beweis, dass wir die Errettung durch die Gnade Gottes empfangen haben, besteht darin, dass wir die Lektionen der Gnade lernen. Es sind die heiligen Unterweisungen zur persönlichen Selbstbeherrschung, zur praktischen Gerechtigkeit und zur wahren Gottesfurcht.
Der Heilige Geist zeigt uns durch das Wort Gottes die Tiefe und Weite der Errettung. Er lässt uns auch die Reinheit und Erhabenheit der Unterweisung verstehen. Das führt uns dazu, die Hoffnung, die die Gnade uns vorstellt, deutlicher zu begreifen. Der Apostel schreibt im nächsten Vers von der «glückseligen Hoffnung» (Tit 2,13). Sicherlich kann nichts beglückender sein als das Kommen unseres grossen Gottes und Heilands Jesus Christus zur Entrückung der Gläubigen. Das ist die eigentliche Hoffnung von uns Christen. Wir werden aufgefordert, danach Ausschau zu halten, und zwar durch die gleiche Gnade, die uns das Heil gebracht hat und die uns lehrt, wie wir uns bis zum Kommen des Herrn verhalten sollen.