Geheimnisse

Die Bibel spricht von grossen Geheimnissen, von Dingen, die in Gott verborgen waren, jetzt aber vor dem Herzen des Gläubigen offenbart daliegen, da Jesus Christus gekommen, für uns gestorben und zur Rechten Gottes erhöht ist.

Es sind Geheimnisse, die das Wesen Gottes, die Herrlichkeit der Person Jesu, das Heil Gottes für die Menschen, seine Himmel und Erde umfassenden Ratschlüsse betreffen.

Gott, der Vater, hat seinen Sohn «vor Grundlegung der Welt» (Joh 17,24) geliebt. Sein Herz, seine Gedanken beschäftigten sich durch alle Zeitalter hindurch mit Ihm. Jesus, der Gott auf der Erde, vor aller Welt verherrlicht hat, soll in den kommenden Zeitaltern angesichts aller seiner Geschöpfe verherrlicht werden. Das ist das Hauptziel der Pläne Gottes.

Und, o Wunder seiner Gnade und Liebe, auch wir, die an Jesus Glaubenden, die seine Versammlung bilden, sind in Gottes Ratschlüsse miteinbezogen. Vor Grundlegung der Welt schon sind wir in Christus auserwählt, um mit Ihm verherrlicht zu werden und seine Herrlichkeit zu schauen.

Wir wollen jetzt einige dieser Geheimnisse an unseren Blicken vorüberziehen lassen.

Das Geheimnis des Evangeliums (Eph 6,19)

Viele Christen verstehen unter «Evangelium» nur die elementaren geistlichen Wahrheiten, die der Sünder zu fassen vermag und die heute im Allgemeinen in den Evangelisationsversammlungen verkündigt werden. Gewiss, auch Paulus, der grosse Apostel der Nationen, begann mit den Anfangsgründen, wenn er in irgendeiner Stadt vor ein neues Publikum hintrat. Aber weder er noch die zum Glauben Gekommenen blieben dabei stehen. An allen Orten hat er das Evangelium völlig verkündigt (Röm 15,19) und überall den ganzen Ratschluss Gottes kundgemacht (Apg 20,27).

Der Begriff «Evangelium» ist wie eine Hülle, in der der ganze Reichtum der Gabe Gottes an den Sünder eingeschlossen ist, auch das grosse Geheimnis der «Versammlung» auf das wir noch zu sprechen kommen. – Glückselige Beschäftigung, sich mit all diesen Reichtümern vertraut zu machen!

Das Geheimnis Gottes (Kol 2,2.3)

Die Offenbarungen des Geistes Gottes, wie wir sie in seinem Wort besitzen, haben mit Philosophie und Spekulationen des Menschengeistes nichts zu tun. In der Bibel sind uns «geistliche Dinge» durch «geistliche Mittel» mitgeteilt (1. Kor 2,13).

Leider sind aber im Lauf der Jahrhunderte vielerlei verderbliche Lehren – «listig ersonnene Irrtümer», Produkte der Philosophie – in die Christenheit eingedrungen. Sie haben die Wahrheit Gottes in erschreckendem Mass verdrängt und zu einer Verfälschung des Christentums geführt, wie wir sie heute weit herum wahrnehmen müssen.

Wie konnte es nur so weit kommen?

Die Kirche hat das «Geheimnis Gottes», das was in Gott verborgen war und in Christus offenbart worden ist, nicht gehütet. Sie hätte am Zeugnis der Schriften über die Person Christi, über sein Werk und dessen Ergebnisse, festhalten sollen. So wäre sie, nach den Worten des Apostels an die Kolosser, zu allem Reichtum der Gewissheit des Verständnisses gelangt. Eine feste Überzeugung, in der göttlichen Wahrheit zu stehen und kein anderes Licht nötig zu haben, hätte sie begleitet.

Aber als falsche Lehrer an ihre Türe traten, von tiefer Erkenntnis und von Weisheit schwatzten, die sie aber nicht in Christus gefunden hatten, liessen die Wächter sich beeindrucken und gaben ihnen willig Einlass. Herzen, die nicht in Jesus Christus gewurzelt und gegründet sind, sich nicht von Ihm nähren und in Ihm wandeln, sind schlechte Torhüter. Lasst uns nie vergessen, dass in Ihm, dem Inbegriff des Geheimnisses Gottes, alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen sind! Wer etwas anderes bringt, vermag Ihm nichts hinzuzufügen, sondern nur von Ihm wegzuführen (Kol 2,1-10).

Das Geheimnis der «Versammlung»

Gott barg in seinem Herzen von Ewigkeit her ein Geheimnis. Die Menschengeschlechter, die vor Paulus über die Erde gingen, wussten nichts davon. Es war «verschwiegen» (Röm 16,25). Die Propheten Israels kannten es nicht, und wir suchen es vergeblich in den Schriften des Alten Testaments.

«Jetzt aber», sagte Paulus, ist dieses Geheimnis nach «Befehl des ewigen Gottes» durch die «prophetischen Schriften» der Apostel allen Nationen zum Glaubensgehorsam offenbart (Röm 16,26).

Worin bestand denn dieses Geheimnis? Darin, «dass die aus den Nationen Miterben seien und Miteinverleibte und Mitteilhaber der Verheissung in Christus Jesus durch das Evangelium» (Eph 3,6). Gottes Ratschluss, der so lange verborgen geblieben war, bestand darin, in Christus Jesus eine Versammlung von Erlösten aus allen Nationen herauszurufen und aus ihnen einen Leib, einen lebendigen Organismus zu bilden, wovon Christus das verherrlichte Haupt im Himmel ist.

Weil diese Tatsache nur in Christus verwirklicht werden konnte, der um der Sünder willen auf der Erde geopfert, dann auferweckt und in die himmlischen Örter erhöht worden ist, wird sie auch «das Geheimnis des Christus» genannt (Eph 3,4; Kol 4,3).

Die Offenbarung und Verkündigung dieses wunderbaren Geheimnisses durch Paulus rief bei den Juden Hass und Eifersucht hervor. Aufgrund der prophetischen Schriften des Alten Testaments waren sie der festen Überzeugung, dass Gott ihnen vor allen anderen Völkern der Welt eine dauernde Vorrangstellung eingeräumt habe. Dass sowohl Juden als «Barbaren» in der Jetztzeit durch Glauben an den verworfenen Christus, ohne jeden Unterschied, zu derselben «Versammlung Gottes» gehören und weit höhere Segnungen als Israel besitzen sollten, war ihnen etwas Neues, Unerhörtes.

Das Geheimnis unter den Nationen

Im Gegensatz zum Epheserbrief, der die Vereinigung der «Nahen» (Juden) mit den «Fernen» (Nationen) zu einem Leib betont, wird dieses Geheimnis im Kolosserbrief ausschliesslich auf die Nationen angewandt. Hier fasst der Apostel den unergründlichen Reichtum des Christus, der den Nationen geschenkt ist, in dem Wort zusammen: «das ist: Christus in euch (oder unter euch), die Hoffnung der Herrlichkeit» (Kol 1,27). Das Volk der Juden erwartete einen Messias, der auf der Erde in Herrlichkeit unter ihnen offenbart werden sollte. Dieses auf die Nationen angewandte «Geheimnis» aber bestand darin, dass Christus in einer unsichtbaren Weise in ihnen und in ihrer Mitte wohnte. Das war nicht die Herrlichkeit selbst, sondern «die Hoffnung der Herrlichkeit».

Christus bleibend in uns! Welch unermessliche Gnade! In dem Mass, wie wir sie verwirklichen und geniessen, wird die uns zugesicherte Hoffnung immer lebendiger in uns. Wir, einst «Fremdlinge und ohne Bürgerrecht» in Israel, sind nun «Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes» (Eph 2,29). Welch ein Beweggrund zu ewigem Lobpreis Gottes!

Wahrlich, «dieses Geheimnis ist gross!» (Eph 5,31.32) – Ein Mensch wird aus Liebe zu seiner Frau seinen Vater und seine Mutter verlassen und ihr von ganzem Herzen anhangen. Dieses schwache Bild wird hier auf das innige Verhältnis Christi zu seiner Versammlung angewandt. Um ihretwillen ist Er «von dem Vater ausgegangen» und «in die Welt gekommen» (Joh 16,28). Um ihretwillen ist Er «arm» geworden, damit sie durch seine Armut reich würde (2. Kor 8,9). Aus Liebe zu ihr hat Er die Leiden des Dienstes und die unsagbaren Qualen des Kreuzes auf sich genommen. Er «hat die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben!» (Eph 5,25) – Welche Antwort geben unser Herz, unsere Lippen und unser Leben auf eine solche Liebe?

Das Geheimnis der Gottseligkeit (1. Tim 3,16)

Die erhabene Wahrheit bezüglich der Person Christi, die Fleischwerdung des ewigen Wortes, das «Gott» war und ist (Joh 1,1), und alles, was damit zusammenhängt, ist das grosse Geheimnis der Gottseligkeit. Es ist unergründlich, aber die Tatsache und ihre Folgen sind uns offenbart.

Es ist das Geheimnis der Gottseligkeit, das Geheimnis aller Beziehungen Gottes zum Menschen, die Grundlage, auf der sie ruhen, die Quelle aller Wahrheit und echter Frömmigkeit. Es ist das Muster und zugleich die Kraft für die Gottseligkeit des Gläubigen. Ausserhalb des Glaubens, der sich auf diese Wahrheiten stützt, gibt es keine wahre Gottseligkeit; sie kann sich nur an den Einzelheiten dieses Geheimnisses nähren.

Offenbart im Fleisch

«Gott ist offenbart worden im Fleisch». In der Person seines Sohnes kam Gott, der Licht und Liebe ist, in die Mitte seiner sündigen Geschöpfe. Er kam nicht im Glanz seiner Herrlichkeit, sondern bekleidet mit der menschlichen Natur, jedoch ohne Sünde. Er nahm teil an allen Umständen, von denen der Mensch umringt ist, und machte Gott darin kund, in seiner ganzen Heiligkeit und in der Vollkommenheit seiner Liebe.

Gerechtfertigt im Geist

Dabei wurde Er «gerechtfertigt im Geist». Empfangen und getauft durch den Heiligen Geist und von Ihm erfüllt (Lk 1,35; 3,22; 4,1), durchschritt Er seine Laufbahn auf der Erde in der Kraft des Geistes. Er war frei von jeder Sünde, in jeder Beziehung vollkommen. Alle seine Worte, alle seine Handlungen rechtfertigten oder bewiesen durch die darin zutage getretene kraftvolle, ununterbrochene Wirksamkeit des Geistes in Ihm seine göttliche Herkunft.

Auf den Tod, den Er für die Sünder erlitt, folgte seine Auferstehung. Sie beseitigte jede Spur seiner Erniedrigung. Sie war der offensichtliche Beweis davon, dass dieser während seines Lebens hier auf der Erde so unscheinbare Mensch, in allem durch den Heiligen Geist geführt worden war: «Als Sohn Gottes in Kraft erwiesen dem Geist der Heiligkeit nach durch Toten-Auferstehung» (Röm 1,4).

Gesehen von den Engeln

Gott, offenbart im Fleisch und gerechtfertigt im Geist, wurde auch «gesehen von den Engeln». Gott in einer solchen Weise vor ihren Blicken erscheinen zu sehen, war für sie eine neue Offenbarung der Herrlichkeit und der göttlichen Vollkommenheiten. Sie betrachteten sie mit Anbetung. Als der Heiland geboren war und in der Krippe lag, verherrlichten sie die wunderbare Tatsache, dass Gott nun im Fleisch offenbart wurde. Seine geringe Erscheinung war nur dazu angetan, seine Herrlichkeit in ihren Augen zu erhöhen (Lk 2,13.14). Sie vermochten dieses Geheimnis nicht zu ergründen, aber begehrten in seine Tiefen hineinzuschauen (1. Pet 1,12). Sie begleiteten Jesus in allen grossen Ereignissen seiner Laufbahn. Bei der Versuchung, in Gethsemane, am Grab und bei der Auferstehung waren sie zugegen. (Mk 1,13; Lk 22,43; 24,4; Joh 20,12). Als Er in den Himmel fuhr, waren es die Engel, die den Jüngern seine Wiederkehr ankündigten (Apg 1,10). Nachdem Jesus nun in die Herrlichkeit des Himmels zurückgekehrt ist, erkennen sie die Ergebnisse seines Werkes (Eph 3,9.10). Und wenn der Herr sich dann anschickt, seine Rechte über die Welt geltend zu machen und als das geschlachtete Lamm bekleidet ist mit allen Zeichen seiner erhabenen Machtfülle, werden die Engel auch dann seinen Thron umgeben und Ihn verherrlichen (Off 5,6-12).

Gepredigt unter den Nationen

Gott, offenbart im Fleisch, wurde «gepredigt unter den Nationen». Als Er hier war, gab Er sich, abgesehen von einigen Ausnahmen, nur den Juden kund. Nach seiner Auferweckung und Verherrlichung aber wurde Er unter den Nationen gepredigt. «Christus auferweckt und erhöht» – war das Thema der Verkündigung durch die Apostel.

Geglaubt in der Welt

Als solcher wurde Er «geglaubt in der Welt», also ein Gegenstand des Glaubens (Joh 14,1). Wer diese, durch die Verkündigung der Diener Gottes ausgerufene grosse Wahrheit im Glauben annimmt, gelangt in unmittelbare Beziehung zu der Person Christi in der Herrlichkeit. Erst seitdem Er zur Rechten Gottes verherrlicht ist, kann Er in seiner Fülle verkündigt und geglaubt werden.

Aufgenommen in Herrlichkeit

Dieser Jesus, der Gott auf der Erde verherrlicht hat, indem Er bis zum Tod am Kreuz gehorsam war, dieser Jesus, der zur Ehre Gottes das Werk der Erlösung, das uns in die Herrlichkeit einführt, vollbracht hat, wurde «aufgenommen in Herrlichkeit».

Das Geheimnis der Gottseligkeit! Welch ein Wunder, welche Quelle ständiger Anbetung! Es ist die Hauptwahrheit, die durch die Versammlung verkündigt und festgehalten werden soll; es ist ihr Glaubensbekenntnis hinsichtlich der anbetungswürdigen Person Jesu Christi. Aber auch der einzelne Gläubige soll dieses Geheimnis in seinem Herzen verwahren; darin liegt der Sieg, durch den die Welt überwunden wird.

Geheimnisse der Zukunft

Im Übrigen sind selbstverständlich alle prophetischen Mitteilungen im Alten und Neuen Testament über den Ablauf der Ereignisse in der Zukunft nichts anderes als enthüllte Geheimnisse, auch wenn sie nicht als solche bezeichnet werden. Denken wir nur an die Wiederkunft des Herrn für seine Versammlung, an die Gerichte, womit die Menschen dann heimgesucht werden, an die Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches, an die Auflösung dieser ersten Schöpfung und an den ewigen Zustand. – Es seien hier nur kurz noch einige dieser Dinge, die mit der Zukunft im Zusammenhang stehen und «Geheimnisse» genannt werden, gestreift.

Die uns unbegreifliche Verhärtung des Volkes Israel (Röm 11,25), das nicht Buße tun will, ist ein Geheimnis, das sich seinem Ende nähert. Viele Jahrhunderte schon liegt eine Decke auf seinen Augen, so dass es beim Lesen des Alten Testaments nicht erkennt, dass der verworfene Jesus der von Gott zu ihnen gesandte Erlöser und Messias Israels war (2. Kor 3,14-16). Bald wird aus den Nationen die Vollzahl der Gläubigen in die Herrlichkeit eingegangen sein, und dann wird die Decke weggenommen und «ganz Israel errettet werden».

Anderseits ist besonders unter den «christlichen» Völkern jetzt schon das «Geheimnis der Gesetzlosigkeit» wirksam (2. Thes 2,7). Das, was den kommenden Antichristen, den «Gesetzlosen» kennzeichnen wird: Abfall von Gott, gepaart mit hemmungslosem Sittenverderbnis, grenzenloser Hochmut, der sich über Gott und sein Wort erhebt und den Menschen an seinen Platz setzt – das alles findet sich schon jetzt in steigendem Mass in der Christenheit vor. Sie besitzt das Wort Gottes, aber verwirft das Evangelium und nimmt die Liebe zur Wahrheit nicht an. «Deshalb sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft des Irrwahns, dass sie der Lüge glauben» (2. Thes 2,11).

Das Geheimnis der Verwandlung unseres Leibes. – Wer aber durch Gnade und Glauben das Heil in Christus besitzt, kennt ein anderes Geheimnis und darf täglich seine Erfüllung erwarten: «Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune; denn posaunen wird es, und die Toten werden auferweckt werden unverweslich, und wir werden verwandelt werden» (1. Kor 15,51.52). In Erwartung dieses glückseligen Ereignisses soll der Erlöste das Wort des Apostels verwirklichen: «Daher, meine geliebten Brüder, seid fest, unbeweglich, allezeit überströmend in dem Werk des Herrn, da ihr wisst, dass eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn» (1. Kor 15,58).

Wenn unser Herr die Seinen als seine Miterben in die Herrlichkeit entrückt hat, wird sich in der Fülle der Zeit, das heisst nach Ablauf der verschiedenen bisherigen Haushaltungen, das Geheimnis des Willens Gottes (Eph 1,9) im Blick auf Christus erfüllen: Gott wird Ihm, dem Menschen Christus, dem letzten Adam, die «Verwaltung der Fülle der Zeiten» über alles Geschaffene übergeben. Er wird als Mensch das in Besitz nehmen, was Er als Gott erschaffen hat. Er ist das Haupt, in welchem alle Dinge in den Himmeln und auf der Erde zusammengefasst werden.