«Und wenn er es gefunden hat, legt er es mit Freuden auf seine Schultern» (Lk 15,5).
Nichts konnte den göttlichen Hirten auf seiner Suche nach dem Schaf aufhalten, das verloren war, «bis er es fand». Von den erhabenen Höhen her bis hinab in die schwindelerregenden Tiefen strebte der Erretter-Hirte im schweren Werk der Erlösung unaufhaltsam voran, auf einem zerklüfteten Pfad, auf dem Ihm kein Auge nachfolgen konnte, bis wir seinen herzbewegenden Ausruf hören: «Ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war!» Die Mühsal, die Leiden, die Qual seiner Seele beim Suchen werden verschlungen vom triumphierenden Schrei beim Finden: «Ich habe gefunden» – niemand teilte mein Suchen; «mein Schaf» – niemand ermisst meinen Gewinn; «das verloren war» – niemand ausser mir kennt die Tiefe, in der es war. Das verlorene Schaf ist gefunden, und es ist mein!
Nun wird das Schaf die Liebe und Pflege des Hirten erfahren. Was der Hirte findet, bewahrt Er auch. Es gilt, eine Reise zurückzulegen – bis zum Heim des Hirten. Der Hirte und das Schaf wandern miteinander. Das Schaf wird nie mehr vom Hirten getrennt werden. Es ist dahin versetzt, wo der Hirte seine ganze Kraft anwenden kann, um es festzuhalten: «Er legt es auf seine Schultern.»
Die Schultern des Hirten sind ein sicherer Schutz für das Schaf, wenn auch nicht so bequem und behaglich wie sein Busen, an den sich das Lamm in einem Wohlbehagen von Frieden und Ruhe anschmiegt. Doch das Schaf ist sicher auf solchen Schultern, während der Hirte seinen Marsch mit ihm beginnt und fortsetzt. Er, der das Schaf fand, als es verloren war, findet auch den Heimweg für den armen Wanderer und bringt ihn ans Ziel.
Unterdessen freut sich der Hirte. Auf dem ganzen Weg nach Hause ist Er voll frohlockender Freude, weil Er gefunden hat, was Er suchte. Zu Hause angekommen, ruft Er die Freunde und die Nachbarn zusammen, um mit ihnen die Freude zu teilen: «Freut euch mit mir, denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war.»
Das Schaf mag auf den Schultern des Hirten störrisch und ungeduldig werden. Es mag sich winden, stossen und sich umherwerfen, indem es von den Händen, die es halten und den Schultern, die es tragen, frei zu werden sucht. Aber der Hirte hält es fest. Sollte Er das fahren lassen, was Er unter solcher Mühsal gefunden hat? Nein, Er wird sein verlorenes Schaf sicher nach Hause bringen.
Warum legte Er es auf seine Schultern? Warum leitete oder trieb Er es nicht heimwärts? Weil das Schaf in der Wüste umherzuirren und auf den Bergen vom Weg abzuweichen liebte. So nahm Er es auf seine Schultern, damit es nicht umkomme. Niemand kann es von da herunterzerren. Da ist es so sicher und gewiss, zum Haus des Vaters zu kommen, wie der Hirte selbst. Alles hängt vom Hirten ab, nicht vom Schaf.
Getrennt vom Hirten ist das unvernünftige Schaf in der Wüste nicht sicher. Gefahren sind dort und Feinde. Aber das Schaf wird sicher durch sie alle hindurch getragen. Zu Hause ist eine Szene der Freude und der Ruhe von aller Plage und der Befreiung von jeder Gefahr. In der Wüste gab es keine Freunde und Nachbarn für den Guten Hirten. Aber zu Hause findet Er sie.
Was für ein glücklicher Tag für das Schaf, wenn es daheim ist und wenn es die jubelnde Freude des Hirten sieht, über das Schaf, das Er zum Vater, nach Hause gebracht hat! Gott sei Dank! der Hirte ist fähig, das Schaf auf seinen Schultern vor dem Straucheln zu bewahren und vor seiner Herrlichkeit untadelig darzustellen mit Frohlocken.