Wer von uns würde sie nicht kennen, die schlaflosen Nächte! Man legt sich am Abend ins Bett, um zu schlafen und Ruhe zu finden, doch man schläft einfach nicht ein. Stunde um Stunde wälzt man sich im Bett herum und je weiter der Zeiger der Uhr geht, umso unruhiger und nervöser wird man. Am nächsten Morgen steht man gerädert auf und fühlt sich müde und zerschlagen.
Vor diesem Phänomen der schlaflosen Nächte ist niemand gefeit. Manche Menschen leiden chronisch darunter, andere trifft es ab und zu. Selbst Kinder leiden bisweilen darunter. Wenn wir über die Ursachen solcher schlaflosen Nächte nachdenken, dann sind es oft die Schwierigkeiten, Sorgen und Probleme, die uns so zu schaffen machen, dass wir einfach den Schlaf nicht finden können. Kinder und Jugendliche haben Nöte in der Schule oder kommen mit ihren Kameraden und Lehrern nicht zurecht. Erwachsene denken an Probleme am Arbeitsplatz, in der Familie, in der örtlichen Versammlung. Bei manchen mögen es auch körperliche Schmerzen sein, die sie nachts nicht zur Ruhe kommen lassen.
Aber sind es nicht gerade in unserer Zeit vermehrt seelische Belastungen und Ängste unterschiedlichster Art, die uns den Schlaf rauben? Ein bestimmter – uns bedrückender Gedanke – geht uns im Kopf herum, und je mehr wir darüber nachdenken, umso grösser erscheint uns das Problem und umso weniger können wir schlafen. Geringfügige Schwierigkeiten werden plötzlich zu grossen Sorgen, kleine Hindernisse türmen sich plötzlich zu unüberwindlichen Bergen auf, und wir sehen keinen Ausweg mehr.
Was hat Gottes Wort uns hierzu zu sagen? Ich möchte an zwei ganz unterschiedliche Aussagen aus den Psalmen Davids erinnern. Er kannte ebenfalls Schwierigkeiten und Probleme und konnte auch von schlaflosen Nächten berichten.
Psalm 63
Diesen Psalm schrieb David in jungen Jahren, als er auf der Flucht vor Saul war. Er befand sich in akuter Lebensgefahr, denn es gab solche, die nach seinem Leben trachteten (V. 10). Er hatte also allen Grund, sich Sorgen zu machen, und wir können gut verstehen, dass ihm der Schlaf schwand. Viele von uns – der Schreiber dieser Zeilen eingeschlossen – haben noch nie in bewusst empfundener Lebensgefahr gestanden. Und doch schreibt David nichts von der Angst, die ihn nachts befallen haben mag, nichts davon, dass er sich unruhig hin- und hergewälzt hätte. Nein, er sagt etwas ganz anderes, nämlich: «Wenn ich deiner gedenke auf meinem Lager, über dich sinne in den Nachtwachen» (V. 7).
Ja, er hat schlaflose Nächte gehabt, aber er hat in diesen Stunden über seinen Gott nachgedacht. Trotz der Gefahr, die ihm permanent drohte, hat er die Ruhe gefunden, über Gott zu sinnen. Die Sorge war da und sicher auch die Angst, aber David hat sich nicht davon überrollen lassen. Nein, er konnte sich in Ruhe niederlegen, und wenn der Schlaf sich nicht einstellen wollte, dann hat er über Gott nachgedacht. Er hatte Erfahrungen mit seinem Gott gemacht, und er wusste, dass Er ihm zur Hilfe gewesen war und dass er jubeln würde in dem Schatten seiner Flügel (V. 7). In diesem Vertrauen fand er auch die Ruhe, auf seinem Lager in Gemeinschaft mit seinem Gott zu sein. Und dieses Lager war kein bequemes und weiches Bett, sondern es war der harte Boden der Wüste Juda. Sein Lager erinnerte ihn jeden Augenblick daran, dass er ein heimatloser Flüchtling war, einer, der von seinen Feinden wie ein Rebhuhn über die Berge gejagt wurde.
Bewundernswerter David? Einerseits sicher ja. Aber anderseits müssen wir uns die Frage stellen, ob Gott heute anders ist. Sicher nein. Dürfen wir von David lernen? Dürfen wir es ihm gleichtun? Er ist uns in dieser Haltung ein Vorbild. Auch wir dürfen schlaflose Nächte nutzen, um mit unserem Gott Gemeinschaft zu pflegen, um über Ihn zu sinnen. Wie oft fehlt uns am Tag die Zeit dazu. Hektik und Betriebsamkeit des Alltags greifen immer mehr um sich, die Belastungen steigen auf allen Gebieten. Da fehlt uns leider oft die Zeit, um in Ruhe mit unserem Herrn zu reden und über sein Wort nachzudenken. Gerade wenn in der Nacht die Berge der Probleme grösser und grösser werden, dann dürfen wir uns ein Bibelwort ins Gedächtnis rufen, dürfen mit unserem Herrn im Gebet darüber sprechen und Gemeinschaft mit Ihm haben. Selbst Lob und Preis darf dann in unseren Herzen sein, so wie es auch bei David war (V. 4-6). Die Probleme werden am Morgen noch die gleichen sein wie in der Nacht. Wir machen sie weder grösser noch kleiner – auch wenn wir das manchmal denken. Aber im Vertrauen auf unseren Herrn brauchen wir uns von den Problemen nicht völlig vereinnahmen zu lassen. Wir dürfen sie Ihm überlassen.
Psalm 3
Als David diesen Psalm schrieb, befand er sich ebenfalls in grosser Not. Erneut musste er um sein Leben fürchten. Sein Sohn Absalom trachtete nach dem Thron seines Vaters, und David musste wieder auf die Flucht. Er selbst kannte den Ernst seiner Lage sehr gut und schreibt: «HERR, wie zahlreich sind meine Bedränger! Viele erheben sich gegen mich» (V. 2). Es war nicht nur Absalom, nein, ein grosser Teil des Volkes hatte sich gegen den Gesalbten Gottes erhoben. Welche Angst und Sorge mag im Herzen dieses Mannes gewesen sein, als er sich auf der Flucht befand und nicht wusste, wie sie enden würde. Doch nicht nur das: Es gab solche, die auf David nichts mehr gaben. Wie muss es ihn getroffen haben, dass andere sogar von ihm sagten: «Bei Gott ist keine Rettung für ihn!» (V. 3). Können wir uns die Not vorstellen, in der er sich befand? Vielleicht ahnen wir etwas davon, aber richtig nachempfinden kann das wohl nur jemand, der selbst einmal in ähnlicher Lage war.
Angesichts solch innerer Belastungen könnten wir gut verstehen, wenn David von schlaflosen Nächten sprechen würde. Aber nein, wir lesen etwas ganz anderes, etwas höchst Erstaunliches, ja, etwas fast Unbegreifliches. Er schreibt: «Ich legte mich nieder und schlief» (V. 7). Wenn dieser Vers nicht gerade in diesem Zusammenhang stehen würde, dann würden wir vielleicht sagen, dass es doch völlig normal ist, dass man sich hinlegt und schläft – und für viele Menschen ist das auch so. Aber in dieser Situation von Schlaf reden? Bedrängt, allein gelassen, ausgestossen, in Lebensgefahr, auf der Flucht! Und dann schreibt dieser Mann, als ob es das Selbstverständlichste von der Welt wäre: «Ich legte mich nieder und schlief.»
Bewundernswerter und nachahmenswerter David! Woher nahm er die Kraft und das Vertrauen, sich in dieser Situation niederzulegen und einzuschlafen? Hören wir seine eigenen Worte: «Du aber, HERR, bist ein Schild um mich her, meine Herrlichkeit und der, der mein Haupt emporhebt. Mit meiner Stimme rufe ich zu dem HERRN, und er antwortet mir von seinem heiligen Berg … Nicht fürchte ich mich vor Zehntausenden des Volkes, die sich ringsum gegen mich gesetzt haben» (V. 4-7). Und er endet den Psalm so: «Von dem HERRN ist die Rettung; dein Segen ist auf deinem Volk» (V. 9).
Hinter der Glaubenskraft eines solchen Mannes Gottes bleiben wir weit zurück, wir wissen es wohl. Und doch: Gott hat sich nicht geändert. Wir dürfen von David lernen, dass uns die Probleme des Alltags – auch wenn es viel kleinere sind als bei ihm – nicht immer bis in die Nacht hinein verfolgen müssen, um uns den Schlaf zu rauben. Gott hat damals der Not von David ein Ende gesetzt. Es kam der Tag, wo er wieder auf dem Thron in Jerusalem sass. Gott kann auch unseren Problemen ein Ende machen. Haben wir es nicht schon erlebt, dass die «schlaflose» Nacht kaum zu Ende war und Gott unser Problem schon gelöst hatte? Für unseren grossen Gott ist keine Not zu gross und keine Not zu klein. Er weiss, damit fertig zu werden. Es bleibt die Frage auf unserer Seite, welches Vertrauen wir zu Ihm haben.
- Darum soll uns nicht grauen,
ob Berge vor uns stehn,
wir werden fröhlich schauen:
Du, Herr, hast es versehn!