Der Anfang der Versammlung

Wir haben gesehen, was «Versammlung» oder «Kirche» bedeutet und wie kostbar sie dem Herrn Jesus ist. Nun wollen wir von ihrer Geburt, das heisst, von ihrem Anfang auf der Erde reden.

Sie konnte nicht beginnen, bevor der Herr sein Werk der Gnade auf dem Kreuz vollbracht, bevor Er sich für sie hingegeben und bevor Er sie durch sein kostbares Blut erkauft hatte. Es war auch erforderlich, dass Er durch seine Auferstehung aus den Toten bezeugte, dass Er der Sohn des lebendigen Gottes war, der lebendige Fels, auf den das Haus Gottes, die Versammlung des lebendigen Gottes aufgebaut werden sollte. Und schliesslich war es nötig, dass, bevor die Versammlung ins Dasein treten konnte, der Herr Jesus zu seinem Vater in den Himmel auffuhr, um den verheissenen Heiligen Geist herabzusenden.

Vor seinen Leiden hatte der Herr Jesus seinen geliebten Jüngern in Aussicht gestellt, dass der Vater nach seinem Weggehen ihnen den Heiligen Geist, den Tröster senden würde, damit Er in Ewigkeit bei ihnen sei (Joh 14,16.17.26; 15,26; 16,7.13). Wir wissen auch, dass der Herr, nachdem Er das Grab verlassen hatte, noch vierzig Tage auf der Erde blieb, bei denen, die Er so innig liebte, und über die Dinge redete, die das Reich Gottes betrafen.

Aber dann kam der Augenblick, um zum Vater aufzufahren, und bevor Er von den Seinen schied, die Er auf der Erde zurückliess, erneuerte Er die Verheissung, ihnen den Heiligen Geist zu senden und gebot ihnen, in der Stadt zu bleiben, bis sie mit Kraft aus der Höhe angetan würden. Dann ging Er hin und setzte sich zur Rechten Gottes. Dort beschäftigt Er sich mit uns in Liebe, dort wartet Er auf den Augenblick, an dem Er seine Geliebten holen kann, um sie in den Ort der Ruhe und der Glückseligkeit einzuführen, den Er ihnen bereitet hat.

Die Apostel kehrten nach Jerusalem in den Obersaal zurück, wo sie blieben. Dort versammelten sich die Gläubigen mit ihnen, unter welchen sich auch die Frauen befanden, die Jesus nachgefolgt waren auf der Erde, die gesehen hatten, wie Er gekreuzigt wurde und dann ins Grab gelegt worden war, die Ihn einbalsamieren wollten, aber Ihm dann als dem Auferstandenen begegnet waren. Auch Maria, die Mutter Jesu, und seine Brüder waren dabei, die während seines Lebens nicht an Ihn geglaubt hatten.

Welch glückliche Gesellschaft war in diesem Obersaal versammelt! Sie waren nicht von den Gelehrten, nicht von den Reichen oder den Grossen dieser Welt. Es waren arme Fischer, Zöllner und bescheidene Frauen. Aber es waren gerettete Gläubige, Geliebte Christi, vom Vater geliebt, wie Jesus selbst. Sie warteten, wie der Herr ihnen geboten hatte. Und was taten sie unterdessen? Sie verharrten einmütig im Gebet und beteten im Namen Jesu zweifellos darum, dass der Vater seine Verheissung erfülle. Obwohl Gott nie vergisst, was Er uns verheisst, liebt Er es doch, wenn wir Ihn darum bitten.

Sie mussten nicht lange warten, nur zehn Tage. Eines der grossen Feste der Juden war gekommen, die Pfingsten oder das Fest der Wochen (5. Mo 16,9-12). Das war einer der drei feierlichen Tage im Jahr, die Gott bezeichnet hatte, an denen Er sein Volk um sich versammeln wollte. Die andern beiden Feste waren das Passah und das Fest der Laubhütten. Das Fest der Pfingsten war zwischen drin, ungefähr fünfzig Tage nach dem Passah.

Zu diesem Fest waren eine Menge Juden aus allen Nationen nach Jerusalem gekommen. Auch Proselyten, d.h. Fremde, die Juden werden wollten, hatten sie begleitet. Und diese Scharen füllten die Stadt. Inmitten des Lärms und der Unruhe, beim Hin und Her der Volksmassen, gab es einen abgeschiedenen und stillen Raum, den Obersaal, wo die 120 Gläubigen versammelt waren, im selben Gedanken und in der gleichen Erwartung. Es war eine kleine Gruppe, im Vergleich mit der Menge, die sich in den Strassen Jerusalems drängte. Aber auf diesen Obersaal, auf diese wenigen Personen, die dort versammelt waren, richteten sich die Blicke Gottes mit Liebe. Das will nicht sagen, dass Gott nicht auch die andern liebte. In dieser grossen Volksmenge, die zum Fest gekommen war, gab es gewiss gottesfürchtige und aufrichtige Seelen, die Gott kannte. Aber im Obersaal waren die versammelt, die an den Herrn Jesus Christus glaubten, die Ihm anhingen und Ihm nachgefolgt waren, und der Vater liebte sie, weil sie seinen Sohn liebten, und ihnen gegenüber wollte Er nun seine Verheissung erfüllen.

Diese Jünger des Herrn waren also versammelt und im Gebet, als sich vom Himmel her plötzlich ein Brausen vernehmen liess, wie von einem daherfahrenden gewaltigen Wind, der das ganze Haus, wo sie sassen, erfüllte. Und voneinander getrennte Zungen, wie von Feuer, setzten sich auf jeden einzelnen von ihnen. Sie wurden alle mit Heiligem Geist erfüllt und fingen an, in anderen Sprachen zu reden, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.

Auf diese Weise hat sich die Verheissung des Vaters erfüllt. Im Himmel hatte der Herr Jesus von seinem Vater den Heiligen Geist empfangen und Ihn auf seine Jünger herabgesandt. Die Versammlung, die Kirche, hatte begonnen. Die Gläubigen, schon Kinder Gottes, waren jetzt zusammengefügt durch das Band desselben Geistes, den jeder empfangen hatte.

Gott hatte jetzt sein Haus auf der Erde, eine Stätte, in die Er durch seinen Geist gekommen war, um darin seine Wohnung aufzurichten (Eph 2,19-22; 1. Pet 2,4-5). Das war nicht mehr, wie der Tempel in Jerusalem, ein Haus von Steinen. Jenes war auf die Seite gesetzt worden. Dieses hingegen war ein Haus, zusammengesetzt aus lebendigen Steinen, auf Christus gegründet. Und wie Gott einst in der Stiftshütte und im Tempel in die Mitte seines Volkes gekommen war, aber in einer Wolke, so ist Er jetzt in einen lebendigen Tempel gekommen, um darin zu bleiben. Grosse und wunderbare Tatsache!

Nun war auch aus den Gliedern der Leib des Christus gebildet, das heisst, aus denen, die an Ihn glaubten und vom Heiligen Geist erfüllt waren. Sie waren jetzt alle in einem Geist zu einem Leib getauft (1. Kor 12,13).

Jetzt bestand ferner auch die himmlische Braut Christi, die Er liebt, aber die erst in der Herrlichkeit offenbar wird. Ihr Dasein begann unter der Wirksamkeit des Heiligen Geistes, und auch ihre Reise durch die Welt geschieht unter der Leitung dieses heiligen Führers, wie einst Rebekka in Begleitung des Knechtes Abrahams durch die Wüste zu Isaak geleitet wurde (1. Mo 24).

Da war nicht eine Wolke gekommen, um in ihrer Mitte zu wohnen, wie unter Israel, sondern die «Kraft aus dem Himmel», die die Gläubigen erfüllte, eine Kraft, die durch das göttliche Wort, gleich wie Feuer, die Seelen durchdrang und alles richtete, was nicht von Gott war.

Was bedeutete die Tatsache, dass die mit Heiligem Geist getauften Jünger in fremden Sprachen redeten? Das war ein Kennzeichen der Kraft des Geistes Gottes in ihnen, und es machte auf die, die Zeugen davon waren, den allerstärksten Eindruck. Sie war auch eine Demonstration der Gnade Gottes, die sich über die Schranken hinwegsetzte, die die Sünde gezogen hatte, indem sie sich nun zu allen Nationen wandte.

Einst wollten die Menschen den Turm in Babel errichten, um nicht über die Erde zerstreut zu werden. Ihr törichter Hochmut zwang Gott, ihre Sprache zu verwirren. Wie viel Unheil ist aus dieser Sünde entstanden! Denken wir nur an die Trennung in verschiedene Völker und an den Hass von Nation gegen Nation! Die Gnade Gottes richtet sich nun an alle Menschen, um sie im Glauben und in der Liebe zu einem einzigen Erretter zu vereinigen. Um sie zu berufen, verteilte Er unter die Jünger durch den Heiligen Geist diese verschiedenen Sprachen, um zu jedem Menschen zu reden, zu welcher Nation er auch gehören mochte.