Etwa 33 Jahre lang hatte der Herr Jesus auf der Erde zur Verherrlichung Gottes und zum Segen der Menschen gelebt. Äusserlich muss Er ein unauffälliger Mensch gewesen sein, denn wir lesen von Ihm in Jesaja 53,2: «Er hatte keine Gestalt und keine Pracht; und als wir ihn sahen, da hatte er kein Aussehen, dass wir ihn begehrt hätten.» Wir können wohl annehmen, dass der Herr Jesus wie ein ganz gewöhnlicher Mensch aussah.
Doch wie änderte sich sein Aussehen, als die Menschen ihrem Hass Ihm gegenüber freien Lauf liessen! In Jesaja 52,14 lesen wir: «So entstellt war sein Aussehen, mehr als irgendeines Mannes, und seine Gestalt, mehr als der Menschenkinder.» Die Misshandlungen vonseiten seiner Geschöpfe hatten das Aussehen des Herrn Jesus entstellt. Mit dem Ausdruck «entstellt» wird angedeutet, dass das, was das Aussehen eines Menschen üblicherweise kennzeichnet, aufgrund der Misshandlungen kaum mehr zu erkennen war.
Angespieen und geschlagen
Es begann damit, dass die geistlichen Führer seines irdischen Volkes Ihm ins Gesicht spuckten. Hemmungslos zeigten sie Ihm ihre ganze Verachtung. Und der Herr hat diese Misshandlung tief empfunden, denn wir lesen in Jesaja 50,6: «Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel.» Ohne sich zu wehren, ertrug Er diese schmachvolle Behandlung.
Doch dabei liessen seine Feinde es nicht bewenden. Sie verhüllten das Angesicht des Heilands und schlugen Ihn mit Fäusten ins Gesicht (Mt 26,67.68). Ohne sehen zu können, woher und wann der Schlag kam, war der Herr Jesus diesen brutalen Schlägen ausgeliefert. Ihren ganzen Hass legten die Menschen in jeden Faustschlag hinein, um Ihm möglichst wehzutun. Und wer waren diese Schläger? Waren es primitive Männer des einfachen Volkes? Nein, die «geistliche Elite» seines Volkes war es, die ihren Messias auf diese Weise zurichtete. Können wir uns vorstellen, wie entstellt sein Gesicht nach dieser Misshandlung ausgesehen haben muss? Und welch ein Hohn kommt in den scheinheiligen Worten «Weissage uns, Christus, wer ist es, der dich schlug?» zum Ausdruck! Für Ihn, den Allwissenden, war es keine Schwierigkeit, trotz verhüllten Hauptes den jeweiligen Schläger zu nennen. War es dem Schöpfer nicht ein Leichtes, seine Feinde mit einem Schlag zu vernichten? Doch Er schwieg und ertrug diese Misshandlung ohne jede Klage.
Gegeisselt
Anschliessend wurde der Herr Jesus gebunden – als ob Fluchtgefahr bestanden hätte – zu Pilatus geführt (Mk 15,1). Nach einem kurzen Verhör liess Pilatus Ihn geisseln, obwohl er von der Unschuld des Angeklagten überzeugt war. Diese grausame Auspeitschung wird in Psalm 129 mit einem Bild aus der Landwirtschaft verglichen. So, wie der Pflug den Ackerboden aufreisst und tiefe Furchen hinterlässt, so hat die Geisselung die Haut unseres Herrn aufgerissen, seinen Körper misshandelt und zerschunden. Der prophetische Geist teilt uns die Empfindungen unseres Heilands mit: «Pflüger haben auf meinem Rücken gepflügt, haben lang gezogen ihre Furchen» (Psalm 129,3). Auch diese grausame Misshandlung mit ihren unvorstellbaren Schmerzen ertrug unser Herr, ohne sich zu wehren.
Mit Dornen gekrönt
Doch damit hatten die Leiden des Heilands vonseiten der Menschen ihr Ende noch nicht erreicht.
Nachdem Pilatus das Todesurteil, die Kreuzigung, bestätigt hatte, nahmen die römischen Soldaten den Herrn mit in das Prätorium. Ein zum Tod verurteilter Mensch war für sie ein willkommener Anlass, ihrer Brutalität freien Lauf zu lassen. Sie riefen sogar die ganze Schar zusammen, um den Todgeweihten gemeinsam zu quälen. Als sie erfahren hatten, dass es sich um einen vermeintlichen König handelte, flochten sie zum Spott eine Krone – eine Krone aus Dornen. Diese Krone wurde auf den Kopf des Heilands gedrückt. Zudem schlug man mit einem Rohr auf diese Krone (Mt 27,30). Welche Schmerzen hatte der Herr Jesus da auszuhalten, als die spitzen Dornen in seine Kopfhaut drangen! Ein Dichter hat es treffend mit den Worten beschrieben:
- o Haupt, voll Blut und Wunden,
voll Schmerz und voller Hohn;
o Haupt, zum Spott umbunden
mit einer Dornenkron.
Gekreuzigt
Die Kreuzigung selbst war die letzte Misshandlung, die der lebende Herr ertragen musste. Wie wird Ihm jeder Schlag, der die Nägel durch seine Hände und Füsse trieb, furchtbaren Schmerz verursacht haben! Schweigend ertrug der Heiland auch diese grausame Behandlung. Dabei müssen wir uns bewusst sein, dass die Empfindungen des wahren, sündlosen Menschen in keiner Weise abgestumpft waren. So hat Er die Schmerzen vielleicht noch mehr empfunden als wir.
«So entstellt war sein Aussehen», lautet die Beschreibung des Propheten Jesaja. Das Gesicht bespuckt und von den brutalen Schlägen gezeichnet, den Körper blutig geschlagen durch die Geisselung, am Kopf blutend durch die Dornenkrone und die Nägel durch seine Hände und Füsse getrieben – dieses Bild zeigte sich den am Kreuz vorübergehenden Menschen. Wie genau erfüllte sich die Prophetie Jesajas über den leidenden Messias!
Wenn wir uns so mit dem Herrn Jesus beschäftigt haben, stellt sich uns die Frage: Welchen Eindruck macht der Anblick des leidenden Heilands auf uns? Beeindruckt uns die Schilderung seiner Leiden, die Er doch aus Liebe zu jedem einzelnen von uns ertrug? Sollte das Anschauen seiner Liebe bei uns nicht dazu führen, dass wir Ihn vermehrt wiederlieben (vergleiche 1. Johannes 4,19)? Der frische und tiefe Eindruck der Liebe unseres Herrn, die wir besonders in seinen Leiden erkennen können, sollte uns dazu führen, unser Leben Ihm mehr zur Verfügung zu stellen, es Ihm zu widmen. Und sicher wird das Betrachten des Herrn in seinen Leiden für uns das Vertrauen zu Ihm vertiefen; denn Er, der unsertwegen so viel leiden musste, wird uns ewig mit der gleichen Liebe umgeben, die Ihn damals die furchtbaren Schmerzen aushalten liess. Darüber hinaus dürfen wir Ihn heute schon loben und für seine Hingabe bis in den Tod anbeten.
- Lob und Dank sei Dir, Erlöser,
der, für uns zur Sünd gemacht,
in unsagbar tiefen Leiden,
Gott zur Ehr sein Werk vollbracht.