Der Herr Jesus als Hirte

Das Betrachten der Person unseres Herrn ist immer wieder ein grosser Segen für unsere Herzen. Jedes Mal, wenn wir uns Zeit nehmen für Ihn, entdecken wir neue Schönheiten, neue Charakterzüge an Ihm. Seine Person ist unergründlich. «Niemand erkennt den Sohn, als nur der Vater.»

Als den guten Hirten kennen wir den Herrn Jesus schon lange. Johannes 10 haben wir schon oft gelesen, und Psalm 23 war wohl der erste Psalm, den wir in der Sonntagsschule auswendig gelernt haben. Aber kennen wir Ihn wirklich als den Hirten? Wenn wir etwas länger vor Ihm stehenbleiben, werden wir entdecken, wie vieles an Ihm typisch ist für einen Hirten. Haben wir diese Einzelheiten, die jede eine Freude für unser Herz ist, schon bemerkt?

Der gute Hirte

Er lässt sein Leben für die Schafe (Joh 10,11.14.15). Wie teuer Ihn das zu stehen kam und welch tiefe Leiden dies mit sich brachte, das erkennen wir z.B. beim Lesen von Psalm 22. Da hören wir zunächst seinen Notschrei: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» und dürfen dann Blicke in seine bedrängte und leidende Seele tun. Wie viel hat der gute Hirte gelitten, als Er sein Leben für die Schafe liess!

Sein Herz

Die Not seiner Schafe geht Ihm zu Herzen. «Als er aber die Volksmengen sah, wurde er innerlich bewegt über sie, weil sie erschöpft und hingestreckt waren wie Schafe, die keinen Hirten haben» (Mt 9,36).

Sein Herz treibt Ihn, schon dem Verlorenen nachzugehen, bis Er es findet (Lk 15,4). Und warum sucht der Herr die Schafe? Weil er sich danach sehnt, eine Herde zu haben, gesammelt aus «Schafen» vom jüdischen Schafhof und aus den Nationen (Joh 10,16).

Seine Stimme

Die Schafe hören seine Stimme, und er ruft seine eigenen Schafe mit Namen und führt sie heraus … Die Schafe folgen ihm, weil sie seine Stimme kennen» (Joh 10,3.4).

Was ist für die Schafe das Besondere an der Stimme ihres Hirten? Er ruft sie persönlich. Er kennt jedes einzelne mit Namen und mit allen Eigenarten. Er ruft seine eigenen Schafe mit dem Ziel, sie zu führen.

Sein Auge

«Es waren Hirten in derselben Gegend, die auf freiem Feld blieben und in der Nacht Wache hielten über ihre Herde» (Lk 2,8). – Das Auge des Herrn wacht, während es Nacht ist um uns her, und nie wird es müde. «Dein Hüter schlummert nicht. Siehe, der Hüter Israels, er schlummert nicht und schläft nicht» (Ps 121,3.4). Ist sein wachsames Auge über uns nicht ein Ausdruck seiner unwandelbaren Treue? Er versagt nie!

Sein Ohr

Als der Herr Jesus auf dieser Erde lebte, wusste Er alles (Joh 5,6). Aber die andern merkten nicht, dass Er sie und ihre Lage völlig kannte. Still und aufmerksam hörte Er auf das, was die Seinen Ihm mitzuteilen hatten (Lk 24,18-24). Hast du einen Verlust erlitten oder eine Enttäuschung erlebt wie die beiden Emmaus-Jünger? Sag dem Herrn Jesus alles! Er hat ein offenes Ohr für dich, obwohl Er alles kennt, was uns betrifft (Joh 10,14.27).

Während der Herr Jesus als abhängiger Mensch über diese Erde schritt, hatte Er nicht nur ein offenes Ohr für die Mitmenschen, sondern auch ein stets geöffnetes Ohr für seinen Gott (Jes 50,4.5).

Seine Hände

In seinen Händen hält Er den Stecken und den Stab. Sie sind den Schafen ein Trost; denn es sind die Mittel des Hirten, um sie zu beschützen und zu leiten (Ps 23,3.4). Solange wir unterwegs sind, stehen wir in Gefahr, uns der Leitung des Hirten zu entziehen. Besonders gefährdete Stellen sind dabei der Kopf (der Verstand, unser Geist; siehe 2. Kor 10,5) und das Herz (der Sitz der Gefühle und Empfindungen; deshalb Spr 23,26). Und gerade an diesen Stellen dürfen wir seine Hände spüren (Hld 2,6).

Seine Schultern

Wenn Er sein Schaf «gefunden hat, so legt er es mit Freuden auf seine Schultern» (Lk 15,5). Und welch eine Freude ist es für das Schaf, wenn es spürt, dass es auf starken Schultern durch alles hindurchgetragen wird, bis nach Hause!

Einst wird die Herrschaft seines Friedensreiches auf seiner Schulter ruhen (Jes 9,6); aber die Namen der Kinder Israel – heute all die Namen der Seinen – trägt Er als Hoherpriester auf seinen beiden Schultern (2. Mo 28,12).

Sein Gang

Der Hirte geht vor seinen Schafen her (Joh 10,4). Er zieht voraus nach der «Gemächlichkeit» und nach dem «Gang» der Herde (1. Mo 33,14). Er hastet nicht, Er überfordert keines. Er beobachtet die Bewegung seiner Herde und bemerkt die Schwachen, die müde und matt zurückbleiben wollen (5. Mo 25,18).

Er weiss, wann die Zeit des Weidens gekommen ist. Dann weidet Er seine Herde mit Erkenntnis und Einsicht (Jer 3,15).

Seine Ruhe

Sagen wir nicht manchmal von einem Menschen, den niemand und nichts aus der Ruhe bringen kann: Er ist die Ruhe selbst? In Vollkommenheit trifft das von unserem Herrn Jesus zu. Und Er weiss, dass auch seine Schafe diese Ruhe brauchen. Darum lagert Er uns auf grünen Auen und führt uns zu stillen Wassern (Ps 23,2).

Seine Anwesenheit

Nie überlässt Er seine Herde sich selbst. Immer ist Er da, um zu hüten und zu behüten. «Du bist bei mir» (Ps 23,4).

Heute ist Er auch da, wo sich zwei oder drei in seinem Namen versammeln. Nie lässt Er uns im Stich!

Denk an das Bild einer Herde weidender Schafe! Da steht der Hirte, gestützt auf seinen Stab. Sein Blick schweift über alle Tiere. Er sagt kein Wort, aber er ist da. «Der HERR, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein rettender Held. Er freut sich über dich mit Wonne, er schweigt in seiner Liebe, frohlockt über dich mit Jubel.» (Zeph 3,17).

Sein Interesse an der Herde

«Siehe, ich bin da, und ich will nach meinen Schafen fragen und mich ihrer annehmen» (Hes 34,11). Sein Interesse drückt sich dadurch aus, dass Er seine Schale zählt (Jer 33,13). Nur durch zählen war es dem Hirten in Lukas 15 möglich, festzustellen, dass er statt 100 nur noch 99, d.h. eines verloren hatte. «Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die zehn gereinigt worden? Wo sind aber die neun?»

Dadurch, dass Er seine Schafe immer wieder zählt, bewahrt Er die Herde, dass sie zusammenbleibt und keines verlorengeht. «Und sie gehen nicht verloren in Ewigkeit, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben.» – «Und ich habe sie behütet, und keiner von ihnen ist verloren gegangen.» – «Dies aber ist der Wille dessen, der mich gesandt hat, dass ich von allem, was er mir gegeben hat, nichts verliere, sondern es auferwecke am letzten Tag» (Joh 10,28; 17,12; 6,39).

Sein Vorbild, sein Beispiel

Der Weg des Herrn Jesus hinterlässt deutliche Fussspuren für uns (1. Pet 2,21), damit wir diesen Spuren folgen und selber etwas von seinen Charakterzügen offenbaren. Möge sich dies auch darin zeigen, dass wir uns in Liebe um seine Herde kümmern. Uns allen wird ja zugerufen: «Einer trage des anderen Lasten» (Gal 6,2). Dann könnte die Klage des Apostels Paulus nicht auf uns bezogen werden: «Denn ich habe keinen Gleichgesinnten, der von Herzen für das Eure besorgt sein wird (ausser Timotheus); denn alle suchen das Ihre» (Phil 2,20). Dann würde der Herr Brüder unter uns finden, zu denen Er – wie zu Petrus – sagen könnte: «Weide meine Lämmer … weide meine Schafe» (Joh 21,15.17). In den örtlichen Zeugnissen fehlte es dann nicht an «Ältesten», die das Wort des Petrus in der Gnade des Herrn beherzigten: «Hütet die Herde Gottes, die bei euch ist … bereitwillig … indem ihr Vorbilder der Herde seid» (1. Pet 5,2).

Möchte die Betrachtung des Herrn Jesus als Hirte auch in dieser Hinsicht solche Folgen in unserem praktischen Leben haben, dass von uns das Gleiche gesagt werden kann, wie von den Aposteln: «Und sie erkannten sie, dass sie mit Jesus gewesen waren» (Apg 4,13).