Das Ende des Herrn mit Hiob

Hiob 42,5-10; Jakobus 5,11

Im fünften Kapitel des Jakobus-Briefes werden die Gläubigen, die unter Schwierigkeiten und Verfolgungen zu leiden hatten, zum Ausharren aufgefordert: «Habt nun Geduld, Brüder, bis zur Ankunft des Herrn … Habt auch ihr Geduld, befestigt eure Herzen, denn die Ankunft des Herrn ist nahe gekommen» (V. 7.8). Im Zusammenhang damit werden die Briefempfänger dann an das Beispiel Hiobs erinnert: «Von dem Ausharren Hiobs habt ihr gehört» (V. 11).

Ja, wer hat noch nicht vom Ausharren Hiobs gehört! Sein Ausharren im Leiden ist sprichwörtlich geworden.

Die Frage des Leidens und der Not im Leben «des Gerechten» ist eine Frage, die die Gläubigen immer wieder beschäftigt. Auch Asaph hatte Mühe mit dieser Frage, bis er erkannte, dass die Antwort darauf nur «in den Heiligtümern Gottes» zu finden ist. Dort sah Asaph das Ende der Ungläubigen (Ps 73,17).

Doch in der Geschichte Hiobs werden wir noch einen Schritt weitergeführt. Hier geht es nicht um das Ende der andern, sondern um «das Ende des Herrn» in den Wegen Gottes mit Hiob Da sehen wir, «dass der Herr voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist» (Jak 5,11).

Auch wenn wir sicher alle empfinden, wie weit wir hinter der Schwere der Not und den Leiden Hiobs zurückbleiben, so dürfen wir doch aus dem «Ende des Herrn» mit Hiob auch für uns Nutzen ziehen. So wollen wir im letzten Kapitel des Buches Hiob einige Ergebnisse aus seinem Leben betrachten.

Hiob hatte in all seinen Übungen seinen Gott besser kennen gelernt

«Mit dem Gehör des Ohres hatte ich von dir gehört, aber nun hat mein Auge dich gesehen» (Hiob 42,5)

Hiob macht hier einen Unterschied zwischen seiner vorherigen Kenntnis durch «hören» und dessen, was er jetzt durch «anschauen» kannte. Es ist der Unterschied zwischen einer Kenntnis über Gott und der Kenntnis Gottes selbst. Eine rein verstandesmässige Kenntnis von Glaubenswahrheiten ist etwas völlig anderes als persönliche Glaubenserfahrungen mit Gott. Hiob hatte Ihn «mit dem Auge gesehen». Nicht mit dem leiblichen Auge, denn Gott war «im Sturm», ohne äusserlich sichtbare Gestalt (Hiob 38,1). Aber Hiobs Glaubensauge hatte Ihn gesehen.

Die Schrift fordert auch uns auf, den Herrn Jesus zu betrachten, obwohl wir Ihn mit unseren leiblichen Augen nicht sehen können: «Hinschauend auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens … Betrachtet den, der so grossen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat» (Heb 12,2.3).

Wenn wir Ihn in unseren Umständen «sehen», so dass wir mit Johannes feststellen: «Es ist der Herr» (Joh 21,7), dann führt dies zu einer Kenntnis der Person Dessen, der «voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist». Aber nicht nur das, wir lernen auch uns selbst besser kennen.

Je mehr Hiob Gott kennen lernt, desto mehr sieht er sich selbst im Licht Gottes

«Darum verabscheue ich mich und bereue in Staub und Asche» (Hiob 42,6).

Wenn wir wirklich sehen, wer Gott ist, dann wird der Kontrast zu unserer Person umso deutlicher, und Selbstgericht wird die Folge sein. Wir finden diese Einsicht bei den Glaubensmännern im Alten wie im Neuen Testament. Im AT können wir neben Hiob noch den Propheten Jesaja anführen: «Wehe mir! Denn ich bin verloren; denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen, und inmitten eines Volkes mit unreinen Lippen wohne ich; denn meine Augen haben den König, den HERRN der Heerscharen, gesehen» (Jes 6,5).

Als Petrus angesichts des wunderbaren Fischfangs die ganze Grösse seines Herrn aufgeht, ruft er aus: «Geh von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr» (Lk 5,8). Auch der Apostel Paulus äussert in Römer 7,18 die Erfahrung, zu der jeder Gläubige kommen muss: «Ich weiss, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt.»

Nicht immer hatte Hiob so gedacht, wie er es in obiger Stelle ausdrückt. In Kapitel 29,1.Sagte er noch: «Wenn das Ohr von mir hörte, so pries es mich glücklich, und wenn das Auge mich sah, so legte es Zeugnis von mir ab.» Welch ein Gegensatz und welch eine Veränderung!

Früher


Jetzt

 
das Ohr
das Auge
Ergebnis
das Ohr
das Auge
Ergebnis
-
-
-
-
-
-
von mir gehört
mich gesehen
pries mich glücklich
von dir gehört
dich gesehen
ich verabscheue mich

Nun stimmt Hiob mit Abraham überein: «Sieh doch, ich habe mich erkühnt, zu dem HERRN zu reden, und ich bin Staub und Asche.» (1. Mo 18,27). Um es mit den Worten des Apostels Paulus zu sagen: Hiob betrog sich nicht länger selbst, «denn wenn jemand meint, etwas zu sein, da er doch nichts ist, so betrügt er sich selbst» (Gal 6,3).

Hiob offenbart etwas vom Charakter der Gnade Gottes

Dies ist vielleicht nicht so offenkundig, aber es liegt dem Bericht in den Versen 7-10 von Hiob 42 zugrunde. Die Freunde Hiobs hatten nicht geziemend von Gott geredet wie Hiob. Nun teilt ihnen Gott mit, wie diese Schuld gesühnt werden kann. Erstens mussten sie die von Gott angeordneten Opfer darbringen. Aber ausserdem mussten sie den Mann aufsuchen, den sie so schwer verurteilt und angeklagt hatten, damit er für sie bitte. Hiob sollte priesterliche Fürbitte für seine drei Freunde tun.

Da sitzt Hiob immer noch in seinem körperlichen Elend in der Asche, aller irdischen Besitztümer beraubt. In dieser Lage hatte er seine Freunde mit seinen Worten zum Schweigen gebracht. Ihre Anklage hatte er mit erhitzten, teils sarkastischen Worten erwidert. Doch jetzt kommen die Freunde zurück, und zwar mit ihren Opfertieren. Und was für einem Mann begegnen sie jetzt? Äusserlich ist Hiob noch in der gleichen elenden Lage, aber innerlich ein wahrer «Fürst Gottes».

In Kapitel 29 hatte er seine eigene Grösse gepriesen, jetzt wird die echte sittliche Grösse Hiobs offenbar. Keine harten Worte, kein bitterer Sarkasmus mehr, sondern ein Gebet der Fürbitte steigt zu Gott auf. Er redet nicht mehr gegen sie, sondern er betet für sie. Hier offenbart er etwas von den Charakterzügen des Gottes, der «langsam zum Zorn und gross an Güte» ist. «Und der HERR nahm Hiob an» (V.9).

Gott segnete Hiob reichlich

«Der HERR wendete die Gefangenschaft Hiobs, als er für seine Freunde betete. Und der HERR mehrte alles, was Hiob gehabt hatte, um das Doppelte» (V. 10).

Die Segnungen Hiobs waren irdischer und materieller Natur. Aber auch wir, die wir «gesegnet sind mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern», können erfahren, dass wir in den persönlichen Wegen des Herrn mit uns zu einem grösseren Genuss dieser Segnungen geführt werden.

Gott mehrte alles, was Hiob gehabt hatte um das Doppelte. Wenn wir die Aufzählung in den Versen 12 und 13 mit Kapitel 1 vergleichen, können wir das ohne Schwierigkeit nachvollziehen:

14'000
6'000
1'000
1'000
Stück Kleinvieh
Kamele
Joch Rinder
Eselinnen
statt
statt
statt
statt
7'000
3'000
500
500

Doch dann lesen wir: «Und es wurden ihm sieben Söhne und drei Töchter geboren» (V. 13). So viele Kinder hatte Hiob auch am Anfang gehabt. Hatte Gott sich verrechnet? Natürlich nicht! Sehen wir hier nicht eine Antwort Gottes auf eine der grossen Fragen des Buches Hiob? Hiob hatte stets für seine Kinder gebetet. Dann wurden sie alle plötzlich weggerafft. Wie manche Fragen und Zweifel mögen im Herzen Hiobs aufgekommen sein!

In Kapitel 14,14 ringt er mit der Frage: «Wenn ein Mann stirbt, wird er wieder leben?» Für sich selbst kommt er schliesslich zum Ergebnis: «Und ich, ich weiss, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er auf der Erde stehen; und ist nach meiner Haut dieses da zerstört, so werde ich aus meinem Fleisch Gott anschauen» (Kap. 19,25.26). Und was war mit seiner Familie? Wenn Gott alles, was er gehabt hatte um das Doppelte vermehrte, die Kinderzahl aber gleich blieb, konnte Hiob daraus nicht die Antwort Gottes entnehmen: Deine Kinder, die du hergeben musstest, sind nicht verloren; sie leben, auch wenn sie gestorben sind (vgl. Joh 11,25)? Auch diese Antwort gehört zum «Ende des Herrn», der «voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist».