Die Psalmen beschreiben im Allgemeinen den Herrn Jesus und die Gerechten – eigentlich besonders die Gerechten unter den Juden – in ihren gegenseitigen Beziehungen. Er wird mit ihnen identifiziert und sie mit Ihm, ins Dunkel, in Trübsal, in den Widerspruch der Sünder gebracht, und durch das oft scheinbare und in einem gewissen Sinn und Zeitpunkt wirkliche Verlassensein von Gott zu schliesslicher Sicherheit, Frieden und Segnung geführt.
Die durchlebten Umstände der gerechten Israeliten, insbesondere Davids, geben dem Geist Christi in ihnen Gelegenheit, sich dabei zu höheren Gegenständen und Szenen zu erheben, sogar in die Leiden Christi und die Herrlichkeiten danach.
Oft werden die Erfahrungen bestimmter Personen und Tage, die zu Psalmen Anlass gaben, als bildliche Vorausschau verwendet für die kommende Drangsal, durch die der jüdische Überrest vor dem Tausendjährigen Reich gehen muss. So bringen also die durch den Heiligen Geist gebrauchten Worte Empfindungen und Erfahrungen zum Ausdruck, die verschiedenen Personen und Gruppen zu verschiedenen Zeiten angepasst sind.
Die Psalmen bringen nicht die Kirche als besondere Körperschaft ins Licht, einige indirekte Andeutungen ausgenommen, die wir verstehen, nachdem das Geheimnis, das in den früheren Zeitaltern und Geschlechtern verborgen war, nun aber offenbar geworden ist.
In dieser Beziehung gleichen die Psalmen den alttestamentlichen Weissagungen. Aber doch ist da auch ein auffallender Unterschied: Die Propheten beschreiben meistens die Leiden und den Triumph Christi als Haupt Israels und der Nationen als vorausgesagte Tatsachen, die Psalmen hingegen legen das im Innersten Verborgene seines und ihrer Herzen bloss, während sie durch diese Umstände hindurchgehen. Die Prophezeiungen machen vor allem die Gefühle Gottes über Christus und seine Knechte kund, die Psalmen aber hauptsächlich die Gefühle Christi und seiner Knechte gegenüber Gott. Ohne Zweifel gibt es grosse und häufige Ausnahmen, aber das ist wohl, so denke ich, der allgemeine kennzeichnende Unterschied zwischen diesen Teilen der Bibel.
Wie der Leser der hebräischen Bibel weiss, sind die Psalmen im Urtext schon in fünf Bücher eingeteilt. Das ist nicht willkürlich. Gott hat den fünf Büchern verschiedene Kennzeichen aufgeprägt, die es klarmachen, dass diese Einteilung nicht eine Laune der Rabbiner ist. Schon die Tatsache, dass die vier ersten Bücher mit demselben Ausruf enden, zeigt dies: In Psalm 41,14; 72,19 und 89,53 finden wir den Ausdruck: «Amen, ja, Amen», und in Psalm 106,48: «Amen! Lobt den HERRN!» Dies und andere Merkmale heben die Bücher voneinander ab.
Beachten wir auch, wie sich die Bücher inhaltlich unterscheiden:
1. Buch (1-41)
Es umschliesst das Mitgefühl des Messias mit dem gerechten Überrest im Anfang seiner Leiden. Die Gerechten sind noch nicht vertrieben, sondern werden äusserlich noch zu der Masse des Volkes gerechnet, sogar im Gottesdienst. Daher wird hier immer wieder der Name HERR genannt.
2. Buch (42-72)
Hier wird der Überrest als nicht mehr im Land wohnend betrachtet, aber er ist Gegenstand der Feindschaft, nicht nur der Juden, sondern auch der ihn umgebenden Nationen. Der Gräuel der Verwüstung ist aufgerichtet, und die Drangsal ist gekommen. Daher wird hier mehr von Gott als solchem geredet, ausgenommen da, wo die Hoffnung zum Ausdruck kommt.
3. Buch (73-89)
Dieses Buch beschäftigt sich nicht nur mit Juda, sondern mit ganz Israel, sowie auch mit einem weiteren Kreis äusserer Feinde. Es redet von den Wegen Gottes mit dem ganzen Volk.
4. Buch (90-106)
In diesen Psalmen wird die Rückkehr Christi in die Welt gefeiert, es ist das Buch der Segnungen des Tausendjährigen Reiches,
5. Buch (107-150)
Überblick auf die Grundsätze des Handelns Gottes und der Beziehungen zu Ihm. Hier wird das Ergebnis aller Züchtigung gezeigt und die darauffolgende Segnung Gottes. Der Lobpreis am Ende ist also die moralische Antwort auf das Seufzen des Geistes im ersten Buch.