Eitelkeit der Eitelkeiten!

Prediger

Die Welt ist für den jungen Menschen unerforschtes Land. Oh, wie sehr wünscht er, sie zu durchstreifen, Erkenntnisse zu sammeln und grosse Werke zu vollbringen! Seine ungebrochene Jugendkraft drängt ihn hinaus in die grosse, verheissungsvolle Weite.

Die Erfahrenen warnen. Die Welt liege im Verderben und sei voller Gefahren. Keiner komme ungeschoren davon, der sich hineinwage. Sie halte nicht, was sie verspreche; noch jeder sei enttäuscht worden.

Aber der junge Mensch hat nur ein halbes Ohr für solche Warnungen. Wer sagt ihm denn, dass der Vater die Welt richtig beurteilt, dass die Farben, in denen er sie vor ihn hinstellt, die rechten sind? Dem Vater ist es eben schlecht ergangen, und er betrachtet die Dinge nun durch seine eigene dunkle Brille.

Und dann geht der junge Mensch hinaus, um Erfahrungen zu sammeln – bittere Erfahrungen. Kostbare Lebensjahre gibt er jetzt dem «Grausamen» (Spr 5,9). Er gewinnt die Welt und verliert sich selbst (Lk 9,25).

Auch für den jungen Gläubigen hat die Welt eine geheime Anziehungskraft. Auch er hört ihre gefährlichen Lockrufe. Auch er gibt nicht viel auf die Erfahrungen anderer. Und doch hat er gegenüber seinem ungläubigen Kollegen einen gewaltigen Vorsprung: Er hat gelernt, dem Wort Gottes zu vertrauen. Er weiss: Gottes Gedanken sind richtig – sein Urteil über diese Welt ist massgebend – sein Wort ist «Wahrheit».

Dieses Vertrauen zum Wort Gottes ist Bewahrung für den jungen Christen. Denn Gott ist es wohlbekannt, dass die Welt und alles, was in ihr ist, für ihn ein Problem bedeutet, und Er gibt sich daher Mühe, ihn aufzuklären und ihm in seinem Wort auf seine vielen Fragen die absolut richtige Antwort zu geben. Glücklicher junger Mensch, der auf Ihn hört! Auch er lernt die Welt kennen, aber von der göttlichen Warte aus und ohne dabei sein Leben für die Eitelkeit und die Sünde hinzugeben. Wie gut ist es, wenn er Gottes Lektion schnell beherzigt!

Besonders im Buch des «Predigers» wird das Problem «Welt» behandelt. Bevor wir darin lesen, tun wir gut, uns daran zu erinnern, dass auch dieses Buch in allen seinen Teilen inspiriert ist. Die Beobachtungen, die darin aufgezeichnet, und die Schlussfolgerungen, die daraus gezogen wurden, haben die göttliche Zensur passiert und sind daher richtig. Kein Kind Gottes zweifelt daran.

Gott hat seine Gedanken nicht einfach irgendeinem Schreiber in die Feder diktiert. Scheinbar ist es hier auch wieder ein Mensch, der uns seine Erfahrungen mitteilt. Aber diese Erfahrungen kann man nicht mit einem Achselzucken abtun, denn Gott war dabei. Gott hat diesen Menschen nicht nur wie keinen sonst befähigt, zu «erforschen und zu erkunden, was unter dem Himmel geschieht»; Er hat auch dafür gesorgt, dass die Welt dem «Prediger» ihr ungeschminktes, wahres Gesicht zeigte; und drittens durfte dieser nur das niederschreiben, was mit dem Urteil Gottes übereinstimmte.

Der «Prediger» war der reichste Herrscher seiner Zeit, dem praktisch alles zur Verfügung stand (2. Chr 9,22 ff.). Dazu hatte ihm Gott noch ein weises und einsichtsvolles Herz gegeben, so dass seinesgleichen vor ihm nicht gewesen war, und seinesgleichen nach ihm nicht aufgestanden ist (1. Kön 3,12). Auch hatte er hohe künstlerische Begabung, wovon seine Schriften, besonders das Hohelied, zeugen. Wenn also irgendein Mensch in alle Lebensgebiete einzudringen und alle Lebenswerte richtig einzuschätzen vermochte, so war er es.

Und noch etwas: Um zu einem einwandfreien Urteil zu gelangen, erlebte der «Prediger» die Welt sozusagen unter verschlossenem Himmel. Wenigstens enthält sein Buch wenig Offenbarungen Gottes. Nur der «Schöpfer-Gott» ist darin erwähnt. Das ist auch sehr wichtig. Wenn er erfahren soll, wie ihm das Klima der Welt bekommt, dann darf seine Seele nicht gleichzeitig auch die Speise, die Segnungen und die Tröstungen aus dem Himmel geniessen.

Welches sind nun die Ergebnisse der Forschungen des «Predigers»? Wir können sie hier nur in ein paar Worten zusammenfassen und müssen das eingehende Studium dem einzelnen überlassen.

Die Weisheit des «Predigers» führt ihn zu der niederschmetternden Erkenntnis, dass die Schöpfung durch die Sünde ruiniert ist. Das, was einst als «sehr gut» aus den Händen Gottes hervorging, war nun «krumm», und das «Fehlende» konnte nicht gezählt werden. Noch mehr: Seine Weisheit konnte weder das Krumme gerade machen, noch das Fehlende ersetzen (Pred 1,15). Solches zu erkennen, brachte seiner Seele «viel Verdruss» und mehrte den Kummer (Pred 1,18).

Seine Weisheit erwies ihm den Dienst eines Vergrösserungsglases. Mit ihrer Hilfe sah er viel tiefer in die Abgründe der Welt hinein als andere: «An der Stätte des Rechts, da war die Gottlosigkeit, und an der Stätte der Gerechtigkeit, da war die Gottlosigkeit.» (Pred 3,16).

Er gelangte noch zu einer andern sehr entmutigenden Feststellung. Der Mensch mag sich während seines Lebens so viel mühen wie er will, es gibt keinen Gewinn für ihn unter der Sonne. Alles ist Eitelkeit und ein Haschen nach Wind (Pred 2,11). Alles muss der «Prediger» unter dieses Urteil stellen. Er sieht, wie alle Menschen mit vorgestreckten Händen dem Wind nachjagen, in der Meinung, einen grossen Fang zu tun. Aber wenn sie das Ziel erreicht zu haben meinen und die Faust öffnen, ist gar nichts drin – nichts! So urteilt der «Prediger» und so urteilt Gott. Alles in dieser Welt ist Eitelkeit und kann dem Herzen des Menschen keinerlei Gewinn bringen. Nichts unter der Sonne vermag sein Sehnen und seine Begierde zu stillen.

Schliesslich kam der «Prediger» sogar dazu, «das Leben zu hassen» und zu «verzweifeln ob all der Mühe, womit er sich umsonst abgemüht hatte unter der Sonne …» (Pred 2,17.20).

Ja, so kehrt der «Prediger» vom Durchstreifen und Erleben der Welt zurück! Er ist zu einem völlig negativen Resultat gelangt. Das Einzige, was er dem Unerfahrenen raten kann, ist das: «Fürchte Gott und halte seine Gebote, denn das ist der ganze Mensch. Denn Gott wird jedes Werk, es sei gut oder böse, in das Gericht über alles Verborgene bringen» (Pred 12,13.14).

Welch einen ungeheuren Verbrauch an Zeit, an Mühen und an Kräften kann der junge Gläubige für eine bessere Sache sparen, wenn er sich die Erfahrungen des «Predigers» zu seinen eigenen macht und dem Wort Gottes vertraut! Welch ein Vorrecht! Er darf da beginnen, wo der «Prediger» aufhört. Die Furcht Gottes hat uns zu Jesus geführt, durch Den wir solche wurden, «die nicht von dieser Welt sind, wie er nicht von dieser Welt ist». Wir sind nicht in die Welt gesandt, um sie kennen zu lernen, sondern als solche, die mit ihr abgeschlossen haben. Die Welt hat Jesus Christus hinausgeworfen und gekreuzigt. Daher ist für uns, die wir mit Ihm gestorben sind, die Welt gekreuzigt, und wir der Welt (Gal 6,14).

So wollen wir aber auch die im Fleisch noch übrige Zeit nicht mehr den Begierden der Menschen leben, sondern dem Willen Gottes, als Nachfolger und Nachahmer Jesu Christi. Wir sind in Ihm geschaffen zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen. Dann ist, im Gegensatz zum «Prediger», unsere Mühe nicht vergeblich im Herrn (Eph 2,10; 1. Kor 15,58).

Wie es Paulus einst tat, dürfen wir nun Christus nachjagen (Phil 3). Ihn zu besitzen und Ihn zu erkennen – welch grosser Gewinn!